Desserts sind gefährlich.

Okay, nicht dass ich dir den Pudding vermiesen oder gegen Zucker hetzen will. Aber in der unscheinbaren Natur eines Desserts liegt für Gesundheit und Figur durchaus einiges an Gefahrenpotential verborgen, das sehr häufig unterschätzt wird und nur wenige auf dem Schirm haben.

Für viele Menschen bildet ein Dessert den Abschluss einer Mahlzeit und gehört damit einfach dazu, um sowohl gesättigt als auch zufrieden zu sein. Was also ist verwerflich daran?

Es ist genau diese Routine, die schnell zum Problem werden kann. Dahinter steckt eine der wenigen fundamentalen Ernährungsregeln, die für ein gesundes Ernährungsverhalten beachtet werden sollten:

Junk-Food und Süßigkeiten stellen erst ein Problem dar, wenn ihr Verzehr zur alltäglichen Gewohnheit wird.

Dass ein Verlangen nach Süßem einer drogenähnlichen Wirkung gleichkommen und zur Sucht werden kann, ist mittlerweile längst wissenschaftlich ergründet. [] Doch die Gefahr ist bei Desserts besonders hoch, weil sie a) unscheinbar wirken und b) an eine bestehende tägliche Ernährungsroutine „andocken“ können.

Die unscheinbare Natur eines Desserts

Desserts sind für gewöhnlich klein, deshalb neigen erfahrungsgemäß viele Menschen dazu, ihren Energiegehalt dramatisch zu unterschätzen.

Wusstest du, dass 100 g Mousse au chocolate über 200 kcal haben können? Setze das einmal ins Verhältnis: Bei durchschnittlich drei Hauptmahlzeiten am Tag hat (je nach Körpergewicht) jede von ihnen bei normalen Menschen schon ohne dass Dessert einen Energiegehalt von 500-800 kcal. Also kommen nur durch das Dessert 25 – 40% hinzu! Selbst wenn du es bei einem Pudding mit 100 kcal belässt, wären das noch immer 12,5 – 20%, die bei jeder Mahlzeit hinzukämen.

Wie gesagt, im Rahmen unregelmäßiger Ausnahmen ist das alles kein Problem und auch kein Grund für Dramatisierungen. Aber summiere das für Mittag und Abendessen für eine ganze Woche auf: Es sind 1400 – 2800 kcal in der Woche.

In vier Wochen, also knapp einem Monat, stehen 5600 – 11200 kcal zu Buche.

Der Dominoeffekt

Schon die absoluten Zahlen beeindrucken, aber bei der Ernährung geht es um viel mehr als Kalorienzählen. Denn was diese Zahlen nicht berücksichtigen, sind die Auswirkungen auf den Stoffwechsel und damit auf den Hunger sowie letztlich die in der Folgezeit zugeführten Kalorien.

Denn Dessert tragen fast nichts zur Sättigung bei – führen im Gegenteil sogar dazu, dass man früher wieder Hunger oder gar richtigen Heißhunger bekommt. Somit können sie bewirken, dass man auch in der Folgezeit mehr Kalorien als eigentlich nötig aufnimmt – es ist ein Dominoeffekt.

Hältst du das für übertrieben? Immerhin machen das ja sehr viele Menschen so, also wird es schon nicht so schlimm sein? Nun, die Sache ist die: Die meisten Menschen haben nicht den Körper, nicht die gesundheitliche Verfassung und auch nicht die Fitness, die sie eigentlich gerne hätten. Das Ernährungsverhalten der Masse taugt also wenig als Vorbild.

Fakt aber ist: Viele Menschen wundern sich darüber, warum sie „schleichend dicker“ werden.

Das Zunehmen ist nämlich für gewöhnlich ein langfristiger Prozess, bei dem es folglich in der täglichen Kalorienaufnahme fast um Nuancen geht, die sich mit der Zeit aufsummieren.

Warum Desserts schnell abhängig machen

Zunächst enthalten sie für gewöhnlich viel Zucker, sodass sie das Belohnungszentrum im Gehirn aktivieren und damit eine hohe Suchtgefahr innehaben. Deshalb ist es natürlich grundsätzlich wichtig, die Zuckerzufuhr zu begrenzen.

Doch das gilt für alle Süßigkeiten. Ein Grund dafür, dass ich für diesen Artikel speziell Desserts unter die Lupe nehme, besteht darin, dass sie  – wie eingangs erwähnt – sehr leicht mit der täglichen Ernährungsroutine verknüpft werden können.

Das ist ein Effekt, der sowohl positiv als auch negativ ausgenutzt werden kann:

Gewohnheiten etablieren sich am ehesten, wenn sie mit anderen, schon bestehenden Gewohnheiten verknüpft werden.

Wer also neue, konstruktive Gewohnheiten etablieren möchte, tut gut daran, diesen Effekt auszunutzen.

Umgekehrt besteht aber eben auch die Gefahr, dass unerwünschte Gewohnheiten von diesem Effekt profitieren. Für viele Menschen folgt die tägliche Nahrungsaufnahme einem eingeschliffenem Muster und zumeist auch (oft berufsbedingt) einem Zeitplan. In diese Routine fügt sich das Dessert schnell ein und wird dann fester Bestandteil der täglichen Ernährungsroutine.

Das ist für viele Menschen schlichte Realität und macht es umso schwieriger, mit dieser Gewohnheit zu brechen. Schnell bekommt man dann das Gefühl, eine Mahlzeit wäre ohne das gewohnte Dessert nicht vollständig – nicht zufriedenstellend.

Das kann ist in der Tat eine Form der Abhängigkeit und sie zu überwinden, ist viel schwieriger, als man sich das zunächst ausmalen möchte.

Der emotionale Widerstand

Denn auch wenn du dir das Problem vorher rational problemlos klarmachen kannst und das Dessert vorerst entschlossen weglassen möchtest, sieht die Situation ganz anders aus, sobald du wirklich vor der Wahl stehst.

Du hast gerade den Hauptgang beendet und spürst ein tiefliegendes Verlangen nach dem gewohnten Dessert. Dein Unterbewusstsein verspricht sich auf der Grundlage unzähliger Erfahrungen Glücksgefühle (Aktivierung des Belohnungszentrums) und drängt dich auf der emotionalen Ebene dazu, die Routine einzuhalten.

Was dann passiert, ist häufig das altbekannte Muster. Der menschliche Verstand ist nämlich genial, wenn es um Kompromisse und Ausreden geht.

„Nur dieses eine Mal.“

Jeder von uns kennt die Stimme des Schweinehunds und das Ergebnis ist immer das selbe: Zunächst soll es bei einer Ausnahme bleiben, dann bei einem kontrollierten und zugunsten von Gesundheit und Figur eingeschränkten Muster („Von jetzt an nur noch am Wochenende“, „Dreimal pro Woche sind erlaubt“, „Nur zum Abendessen“,….) und letztlich bricht der Versuch in sich zusammen und die alte Gewohnheit bleibt bestehen („Was machst du dich hier verrückt, ist doch bloß ein kleines Dessert! Übertreiben sollte man es mit der Ernährung ja auch nicht!“).

Die Abhängigkeit überwinden

Wie also löst man das Problem? Auf dem ersten Blick könnte es eine sinnvolle Lösung sein, anstelle eines zuckerreichen und nährstoffarmen Desserts eine figur- und gesundheitsfreundlichere Alternative zu finden. Obst, Salat, vielleicht ein Protein-Shake oder ein grüner Smoothie.

Auf diese Weise würde man die bestehende Gewohnheit in konstruktive Bahnen lenken und das ist an sich keine schlechte Idee, funktioniert in diesem Fall in der Praxis aber oft nicht.

Zunächst ist es oft so, dass solche gesünderen Alternativen die kleinen „Schummeldesserts“ und dem Verlangen nach zuckerreichen Süßkram (aus mentaler Perspektive) nicht adäquat ersetzen und das Verlangen somit nicht wirklich stillen kann.

Darüber hinaus erfordert dieser Ansatz, besagte Alternativen bei jeder Mahlzeit griffbereit zu haben. Planung hilft, aber aus Erfahrung weiß ich, dass es vielen Menschen nicht gelingen wird, dies für jede Mahlzeit zu gewährleisten. Es ist daher ein instabiles System, welches schon nach ein oder zwei wahrscheinlichen Ausnahmen schnell zusammenbrechen kann.

Deshalb habe ich einen stabileren und praxistauglicheren Ansatz entwickelt, der sich einen weiteren, wichtigen Zusammenhang aus der Psychologie (der Gewohnheit) zunutze macht:

Eine destruktive Gewohnheit überwindet man am besten, indem man sie durch eine konstruktive Gewohnheit ersetzt. 

Das lässt sich leicht erklären: Entscheidend ist, dass du dir – für den Übergang – die Wahl nimmst und dadurch verhinderst, ins Grübeln zu kommen.

Denn wenn du erst einmal ins Grübeln kommst („Nehme ich jetzt noch ein Dessert oder nicht? Ich wollte das eigentlich nicht mehr machen. Aber es wäre jetzt schon lecker. Ist ja auch nur das eine Mal.“), gibst du deinem Schweinehund die Möglichkeit, irgendeinen Vorwand zu erfinden, um doch zuzugreifen eine Diskussion mit dem eigenen Schweinehund verliert man meistens.

Deshalb ist es wichtig, direkt eine Ersatzverhaltensweise zur Hand zu haben, an die man sich halten kann.

Zurück zur Eingangsfrage: Bist du ein Dessert-Junkie? Wenn du diese Frage nach den vorangegangen Zeilen mit ‚Ja‘ beantworten würdest, fordere ich dich nun heraus.

Die Challenge

Stehe in den nächsten vier Wochen nach jeder Hauptmahlzeit direkt auf und gehe eine Runde spazieren.

Klingt ein bisschen verrückt, oder? Aber es ist eine sehr simple und elegante Lösung für das Problem. Es durchbricht die Dessert-Routine und indem es dich vom Ort des Essens räumlich trennt, nimmt es dir auch die Wahl.

Sobald du erst einmal aufgestanden und gegangen bist, ist das Dessert außer Reichweite – das gilt für die eigenen vier Wände ebenso wie für die Kantine im Arbeitsalltag.

Zwei Fragen tauchen hierbei häufig auf.

1. Was soll ich tun, wenn ich nach dem Essen zu voll bin, um mich bewegen zu können?

Hier müssen wir differenzieren: Bist du wirklich zu voll oder nur zu faul (in dieser Situation)?

Es kann nämlich einerseits eine raffinierte Ausrede deines Schweinehundes sein – und das ist es meistens.

Wenn du jedoch wirklich so viel gegessen hast, dass du dich kaum noch bewegen kannst und Bauchschmerzen bekommst, liegt die Antwort natürlich auf der Hand: Iss weniger!

Sofern du nicht gerade die Warrior Diät absolvierst, gibt es keinen Grund, so viel zu essen, dass man sich kaum noch bewegen kann. Du sollst ja nicht turnen oder trainieren, sondern nur locker gehen und das sollte auch nach einer Hauptmahlzeit jederzeit möglich sein.

Das ist übrigens ein netter Nebeneffekt der Challenge: Wenn du weißt, dass du dich gleich nach dem Essen ein bisschen bewegst, wirst du dich auch nicht „überfressen“.

2. Was ist, wenn ich nach dem Essen keine Zeit für lange Spaziergänge habe?

Du hast nur eine kurze Mittagspause und damit nicht die Möglichkeit, lange im Park herumzuschlendern? Kein Problem! Denn von langen Spaziergängen war auch gar nicht die Rede.

Damit das System funktioniert, reichen fünf Minuten bereits aus!

Es geht ganz einfach darum, die Mahlzeitenroutine, deren fester Bestandteil das Dessert ist, zu stören und vorzeitig auszusteigen. Sobald du auch nur für eine kurze Zeit weg bist, ist die Mahlzeit gedanklich beendet und die Frage (ob Dessert oder nicht) längst vom Tisch! Und fünf Minuten wird für ein deutlich gesünderes Ernährungsverhalten jeder aufbringen können.

Was ist mit der Balance?

Wenn du häufiger auf Simply Progress liest und das eine oder andere meiner Bücher kennst, weißt du sicherlich, dass ich viel Wert darauf lege, langfristig in jedem Bereich eine gesunde Balance anzustreben. Das gilt für das Training und die Regeneration ebenso wie für die Ernährung und den Genuss.

Es geht hier also gar nicht darum, jedem Genuss, jedem Dessert auf ewig abzuschwören. Das wäre aus meiner Sicht ein vollkommen falscher Weg.

Es geht – und das sollte durch den Aufbau der Challenge klar sein – schlicht darum, fest eingeschliffene Routinen und zuweilen gar Abhängigkeiten zu überwinden und dafür kann es hilfreich sein, kurzzeitig im Rahmen einer Challenge ins andere Extrem auszuschwenken, um danach ein gesundes Mittelmaß zu finden.

Denke immer daran, wie der Schweinehund funktioniert: Er wird stets versuchen, dir Ausreden und Kompromisslösungen anzubieten – und eine ebensolche kann in diesem Fall das Streben nach Balance sein.

Wenn du dich der Challenge stellst, solltest du dich unbedingt davor hüten! Denn als Folge des beschriebenen emotionalen Widerstandes ist die Balance letztlich nur ein Zwischenschritt, um dich zurück zu alten Gewohnheiten zu ziehen.

Der Widerstand der Gewohnheit und des Schweinehundes muss erst überwunden werden, ehe du wirklich eine dauerhaft stabile Balance finden kannst.

Deshalb ist es wichtig, dass du die vollen 30 Tage durchziehst und nicht schon bei der Hälfte nach alternativen Lösungen und (auf dem ersten Blick plausibel klingenden) Kompromissen suchst.

(Bildquelle: © zefirchik06 – Fotolia.com)