Alle Studiobesucher haben die gleiche Mission: Sie möchten dort ihren Körper auf Vordermann bringen. Ob nun Fettabbau, Muskelaufbau oder Fitness allgemein spielt keine Rolle. Im Studio befinden sich ausschließlich Leute, die sich um ihren Körper kümmern möchten. Doch das gemeinsame Ziel sorgt vielerorts (speziell in großen kommerziellen Studios) dennoch nicht wirklich für ein gemeinschaftliches Gefühl. Vielmehr zieht jeder sein Ding durch und interessiert sich herzlich wenig für die anderen Mitglieder. Es ist eine Entwicklung, die in der Gesellschaft allgemein Einzug erhält. Der Trend geht immer weiter Richtung Egoismus – das führt über lang oder kurz zu einer  „Ellenbogen-Gesellschaft“, in der jeder nur auf das eigene Wohl bedacht ist und niemand wirklich sein Potenzial verwirklicht. Denn dadurch entgehen uns wichtige Synergieeffekte, die durch den gemeinschaftlichen Antrieb erzeugt werden können. Würden sich Studiomitglieder gegenseitig unterstützen und pushen, sei es allein durch individuelle Vorbildlichkeit, so würde davon jeder profitieren. Zumindest sollten sich alle Studiomitglieder auf einen Verhaltenskodex einigen, der jedem zum Vorteil gereicht. Ich selbst habe einmal beispielhaft 10 goldene Gym-Regeln aufgestellt, von denen meiner Meinung nach jeder profitieren würde.

Regel 1: Nutze immer eine saubere Technik

Das ist für mich persönlich die wichtigste Regel, denn wenn ich mich mal im Freihantelbereich umsehe, bekomme ich einen leichten Brechreiz. Was viele Sportler – durchaus auch jene der muskulöseren Sorte – hier an Technik anbieten ist einfach nur traurig. Der verkürzte Bewegungsradius ist das häufigste Mittel, mit dem sich die Egoritter im Studio selbst blenden. Bei manchen würde man einen hochsensiblen Bewegungssensor benötigen, um eine Bewegung der Hantel überhaupt erkennen zu können. Speziell bei Klimmzügen und Curls ist häufig etwas zu sehen, das noch nicht einmal den Namen „Teilwiederholung“ verdient hat. Betroffen sind hiervon aber eigentlich alle Übungen. Vor kurzem erst beobachtete ich beim Abwärmen einen „Personal-Trainer“, der seine Klientin Kniebeugen absolvieren ließ. Was sie da machte waren wenn überhaupt Viertel-Kniebeugen – es war für mich unbegreiflich, dass der Geldgeier einfach daneben stand und nichts dazu sagte. Eine verkürzte ROM (Range of Motion) führt letztlich lediglich zu Verkürzungen der Muskulatur, stark reduzierte Wachstumsreize und muskuläre Dysbalancen.
Darüber hinaus ist auch das Schwingen eine beliebte Technik, mit der das Gewicht auf Kosten der sauberen Bewegungsausführung erhöht wird. Sie wird besonders bei Isolationsübungen eingesetzt – beim Curl schwingt sich der Oberkörper mehr zur Hantel als dass die Hantel zum Oberkörper gecurlt wird.
Echte Athleten wissen, dass sie sich damit nur selbst belügen und ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. Sie wissen, dass das Verfälschen der Technik dem Denken von 12 bis Mittag gleicht und eine saubere Bewegungsausführung über den vollen Radius für umfassenderen und nachhaltigeren Fortschritt sorgt.
Daher nutze bei jeder Übung eine saubere Technik und versuche diese von Zeit zu Zeit immer weiter zu verfeinern.

Regel 2: Leidenschaftlich Arbeiten

Trainingsfortschritt kann nur über Leidenschaft erfolgen und diese wiederum basiert auf Konzentration. Wer im Studio mit seinem Handy spielt, telefoniert oder mit seinen Gedanken bei Alltagsproblemen und dergleichen festhängt, kann nicht leidenschaftlich bei der Sache, nämlich beim Bewältigen schwerer Gewichte, sein. Die überall zu sehende Folge ist ein rein mechanisches Hantelschwingen, welches keine Resultate verursacht.
Solche „Studio-Zombies“ ziehen leider auch alle anderen herunter, denn sie verbreiten eine Aura der Trägheit und Antriebslosigkeit, die mit einem ambitionierten und zielgerichteten Workout nicht konform ist. Studio-Zombies erzielen keine wirklichen Ergebnisse, so dass man im Studio immer wieder Leute trifft die noch genauso aussehen wie schon vor einem Jahr. Sie sind sehr häufig im Gerätebereich des Studio finden, wo sie es sich in der Satzpause auf dem fein gepolsterten Sitz gemütlich machen. Echte Athleten hält nichts auf den Sitzen. Sie stehen auf, lockern sich körperlich ein wenig und brennen innerlich auf den nächsten Satz. Echte Athleten würden es nicht einmal mitbekommen, wenn gerade ein Kreuzfahrtschiff ins Studio kracht. Sie sind ausschließlich auf den nächsten Satz oder die nächste Wiederholung fokussiert – ihr einziges Problem ist das Bewältigen des Widerstandes.
Pausengequatsche kann auf später verschoben werden. Im Studio wird trainiert. Wenn alle Sportler konzentriert arbeiten, so ergibt sich eine elektrisierende Atmosphäre, die die Leistung des Einzelnen potenziert.
Daher konzentriere Dich um Studio auf Dein Workout und sei somit ein Vorbild für alle anderen.
Gleichwohl bedeutet dies, dass Du niemals irgendjemanden im Satz unterbrechen darfst. Wenn du wissen willst, wann er an dem Gerät fertig ist oder ob Ihr Euch abwechseln könnt, so frage in der Pause. Es gibt nichts Schlimmeres als in einem schweren Kniebeugen-Satz aus seinem Fokus gebracht zu werden.

Regel 3: Pack die Rasierklingen weg

Okay, die meisten gehen ins Studio, um ihren Körper ästhetisch ansprechender zu gestalten. Ich möchte mich davon gar nicht mal ausschließen, aber was mir daran überhaupt nicht gefällt ist das häufig daraus entstehende Proletenverhalten. Wir alle haben sie schon einmal gesehen, diese Superhelden, die sich schön aufpumpen und in den Satzpausen durch das Studio stolzieren wie die Könige. Sie stellen die Arme weit nach außen, um damit zu zeigen wie unglaublich breit ihr Latissimus ist – als ob eine engere Armstellung nicht möglich wäre. Manch einer steht auch vor dem Spiegel und bestaunt seinen Traumkörper – und lässt diesen Spiegel im darauffolgenden Satz links liegen, obwohl er damit seine schlampige Technik verbessern könnte. Lieber küsst er seinen Bizeps.
Für so manchen Selbstliebhaber ist der Studiobesuch nichts anderes als die Möglichkeit sein Ego aufzublasen und seinen Alphamännchen-Status unter Beweis zu stellen (unter die Dusche traut er sich dann aber nicht – geht ja auch zu Hause). Das Problem ist, dass häufig der Vergleich mit anderen und das Ego-Gepushe im Vordergrund steht und nicht mehr das Training selbst. Das führt dann unweigerlich wieder zur Verletzung der Regeln 1 und 2.
Daher: Pack die Rasierklingen unter den Achseln weg und gib Dein Ego an der Tür ab.

PS: Nach dem Training kannst Du dich bei Bedarf immer noch im Spiegel bestaunen (muss aber auch nicht sein).

Regel 4: Trainiere den gesamten Körper

Dort drüben steht er, muskulöse Arme, die durch das ärmellose Shirt zu Schau gestellt werden. Staunend sehe ich ihm zu. Sein Gesicht scheint schmerzverzerrt, der Kopf läuft rot an, während er die Hantel curlt. So sieht leidenschaftliches Training aus. Hin und wieder stößt er einen kleinen Kampfschrei aus, um sich selbst über seine Grenzen hinaus zu pushen. Was für ein Vollblutathlet – sein Einsatz ist inspirierend! Ein Wunder allerdings, dass er überhaupt stehen kann. Sind das Streichhölzer?! Ich wende mich lieber ab, bevor die Discokugel heruntergelassen wird.
Viele Studiobesucher sind zwar ganz große Könner darin, einzelne Muskeln mit Blut vollzupumpen und mit den Armen zu spielen, aber wenn es an echtes Training mit schweren Ganzkörperübungen geht, suchen sie schnell das Weite. Ein Haus benötigt ein solides Fundament. Nicht nur dass ein aufgeplusterter Oberkörper auf Storchenbeinen lächerlich aussieht – es wird dadurch auch wertvolles Potenzial vergeudet, denn das Training des Unterkörpers mittels Ganzkörperübungen wie Kniebeugen und Kreuzheben begünstigt durch extreme hormonelle Reaktionen auch das Wachstums der Oberkörpermuskeln. Wachstumshormone und Testosteron werden beispielsweise vermehrt ausgeschüttet. Letzteres verbessert nebenbei die Fähigkeit der Männer im Liegen stehen zu können.
Also widme dem Fundament deines Hauses stets größte Aufmerksamkeit.

Regel 5: Nutze Grundübungen

Wenn Anfänger das Studio betreten, werden sie direkt mit der hochmodernen Maschinenabteilung konfrontiert. Kurz darauf kommt auch schon ein sehr hilfsbereiter und von der AdU (Akademie der Unwichtigen) lizensierter Trainier mit dem perfekten Einsteigerplan – viele Maschinenübungen, um den Körper nicht zu überlasten. Klingt gut! Bringt nichts. Der Körper ist mehr als die Summe seiner Teile. Wahrhaftige Erfolge werden nur durch das Ausnutzen von Synergieeffekten wie sie bei Grundübungen mit freien Gewichten entstehen erzielt. Maschinenübungen vernachlässigen wichtige Stabilisationsmuskeln, so dass der Körper die gewonnene Kraft nicht auf die reale Welt übertragen kann. Die Verletzungsgefahr steigt durch die Vergrößerung eines Ungleichgewichts von Haupt- zu Nebenmuskeln sogar noch.
Isolationsübungen vernachlässigen ebenso wichtige Nebenmuskeln und fordern den Körper auch nicht gemäß seiner natürlichen Funktion. Diese ist nämlich auf umfassende Bewegungsformen ausgerichtet. Daher sage ich es Dir hier klipp und klar: Isolationsübungen sind ausschließlich für sehr weit fortgeschrittene Athleten, die damit Schwachpunkte ausmerzen und minimale ästhetische Verbesserungen erzielen können. Alle anderen müssen ihren Schwerpunkt auf Grundübungen mit freien Gewichten legen, wenn sie umfassende körperliche und geistige Verbesserungen erzielen möchten. Vergiss also zunächst einmal French Press, Curls und Beinstrecken. Mach stattdessen schwere Dips, Klimmzüge und Kniebeugen!

Regel 6: Kurzes Gucken erlaubt, Glotzen verboten

Sich von erfahren Sportlern im Studio das eine oder andere abzugucken, geht völlig in Ordnung. Sie aber in einer Tour anzuglotzen, sollte gemieden werden, denn es nimmt einerseits die Konzentration vom eigenen Training und beeinflusst zudem den Fokus des anderen. Niemand möchte gerne die ganze Zeit angeglotzt werden, daher solltest Du das unterlassen – es ist einfach eine Frage der Höflichkeit.
Wenn Du Fragen hast, so stelle sie erst nach dem Training. Die meisten erfahrenen Athleten werden die Fragen beantworten, sofern sie höflich und nach dem Training gestellt werden – beim Training zählt nichts anderes als das Bewältigen des Widerstandes (siehe Regel 2).
Übrigens gilt diese Regel auch für das Anstarren von Vertretern des anderen Geschlechtes. Ob Du es glaubst oder nicht, auch die Damenwelt ist im Studio um zu trainieren. Flirten solltest Du wenn dann also nach dem Training. 

Regel 7: Ordnung muss sein

Die Gerätschaften, speziell im Freihantelbereich, sollten stets ordentlich und frei verlassen werden. Das heißt alle Sportler sollten die benutzten Gewichte wieder an den Ständer hängen, Kurzhanteln zurückbringen und so weiter. Es ist unglaublich lästig, wenn man zunächst den ganzen Müll des Vorgängers beseitigen muss, ehe man mit dem eigenen Training fortfahren kann. Zudem ist es ebenso nervig, wenn keine passende Gewichtsscheibe gefunden werden kann, nur weil sie alle im Studio verstreut liegen – auf Fensterbänken oder dergleichen. Daher: Alle benutzten Geräte, Hanteln, Griffe kommen zurück an ihren angestammten Platz. Räume Deinen Platz nach der Übung stets auf.

Regel 8: Don’t Squat in the Curl Rack

… Der Kniebeugeständer ist ausschließlich für Kniebeugen gedacht. Es verursacht Aggressionen, wenn man jemanden den einzigen Kniebeugeständer im Gym mit Curls blockieren sieht. Neben Kniebeugen wäre einzig das klassische Drücken im Kniebeugeständer angebracht, wenn der Athlet das Umsetzen der Hantel nicht sauber beherrscht. Darüber hinaus sollten aber alle anderen Übungen woanders durchgeführt werden – ja, das gilt auch für Kreuzheben. Da die Anzahl der Kniebeugeständer so ziemlich immer kleiner als nötig ist, sollten dort nur die wichtigsten Übungen, als diejenigen, die ohne nicht ordentlich durchführbar sind, absolviert werden. Daher kein Rumänisches Kreuzheben, keine Curls, kein Langhantelrudern und so weiter im Kniebeugeständer.

Regel 9: Be- und entlade die Hantel gleichmäßig

Die meisten Leser werden dies ohnehin schon bewerkstelligen. Da ich von Zeit zu Zeit aber immer mal wieder Experten sehe, bei denen die Hantel aus der Scott-Curl-Ablage fällt, möchte ich es kurz erwähnen. Gewichte müssen von beiden Seiten der Hantel gleichmäßig abgenommen werden. Wenn von einer Seite zu viel Gewicht auf einmal heruntergenommen wird, so wandert der Schwerpunkt der Hantel zu weit nach außen – die Hantel kippt und wenn zufällig gerade jemand vorbei läuft, der Musik in den Ohren hat, kann es für ihn unschön ausgehen. Daher die Hantel stets gleichmäßig be- und entladen.

Regel 10: Nutze immer eine saubere Technik

Schon mal gelesen, oder? Vergiss es bitte nicht! Du wirst im Studio immer wieder mit schlechten Bewegungsausführungen konfrontiert – ignorier das einfach. Lass dich nicht vom Angeber-Virus infizieren und mache dir stattdessen klar, dass es hier im Training nur darum geht, deine körperliche Verfassung zu verbessern und nicht darum, anderen etwas zu beweisen. Selbst wenn das bedeutet, dass Du nur mit der leeren Stange Kniebeugen machen kannst. Schwach ist nur wer schwach bleibt und um sich tatsächlich weiterentwickeln zu können, gilt es zunächst der Wahrheit ins Auge zu blicken und sich nicht selbst zu blenden.

Sei ein Vorbild

Du wirst vermutlich in keinem Studio auf eine große Mehrheit an Athleten treffen, die diese Regeln befolgen. Dies kann erst geschehen, wenn viele Menschen zu Vorbildern werden und andere mitreißen. Daher sei ein Pionier und trage den Gym Code in die Welt, um das Studio zu einem Mekka der körperlichen Entwicklung zu machen. Fühle Dich auch frei den Gym Code im Zuge deiner eigenen Entwicklung zu erweitern, solltest du Verbesserungspotenzial entdecken.

(Bildquelle:  CherryPoint)