Mobility ist ein schwieriges Thema. Das liegt nicht nur an den komplizierten physiologischen Zusammenhängen, die zuweilen noch nichtmal richtig entschlüsselt wurden, sondern auch an der unglaublich großen Anzahl an verfügbaren Übungen, die es sehr schwer macht, hier den Überblick zu behalten.

Ich weiß nicht, wie viele Hunderte Mobility-Übungen ich schon kennengelernt habe. Doch eines hat sich mit der Zeit herauskristallisiert: Die meisten Mobility-Übungen sind unnötig oder nur bei sehr, sehr spezifischen Einschränkungen sinnvoll zu gebrauchen.

Das führt tief in das Arbeitsgebiet eines Physiotherapeuten und stellt somit für einen normalen Freizeit-Athleten eine Überflüssigkeit dar. Es gibt allerdings auch einige wenige Übungen, die alle anderen überragen und auf täglicher Basis eine echte Bereicherung für die Mobilität und Pflege des Körpers sind.

Das Hängen (Hanging) ist eine solche Übung. Ich würde sogar – ohne jeder Übertreibung! – soweit gehen zu sagen, dass Hanging die weltbeste Mobility-Übung ist.

Das ist mein voller Ernst: Es gibt keine andere Mobility-Übung mit vergleichbar vielen und bedeutenden Benefits für die Pflege des Bewegungsapparates.

In diesem Artikel erfährst du, warum jeder (!) täglich hängen sollte, was das in deinem Körper bewirkt und wie du mit der Hanging-Challenge direkt loslegen kannst.

Hanging – Die Benefits der weltbesten Mobility-Übung

Warum das Hängen eine derart wichtige Übung ist, hast du vielleicht schon bei der Einführung ins Körpergewichtstraining kennengelernt. Dort wurde es als eine Schlüsselübung für stabile und gesunde Schultern und damit als Key-Faktor für effektives und nachhaltiges Körpergewichtstraining bekannt.

Doch die Vorteile gehen weit darüber hinaus. Tatsächlich ist Hanging eine geniale Übung für wirklich jeden – ob du nun Calisthenics betreibst oder mit Hanteln trainierst oder auch gar nicht trainierst. Für Sportler ebenso wie für Nicht-Sportler, für körperlich hart arbeitende Menschen ebenso wie für Büro-Arbeiter.

Ich sage dir ganz ehrlich: Ich träume von einer Zukunft, in der jeder Arbeitsplatz mit entsprechenden Turnringen oder Stangen ausgestattet ist, die regelmäßiges Hängen ermöglichen. Denn das wäre ein gigantischer Fortschritt hinsichtlich der Gesundheitsprävention, der Pflege unseres Bewegungsapparates und der Vorbeuge sowie Behandlung von Verspannungen und Blockaden.

Das sind einige der Benefits des täglichen Hängens:

  • Korrektur einer Schultergelenkfehlstellung
  • Lösen von Verspannungen und Blockaden der Wirbelsäule
  • Pflege der Bandscheiben und Vorbeugung von Bandscheibenvorfällen
  • Stärkung der Hände und Griffkraft

Lass‘ uns diese Vorteile der Reihe nach durchgehen, ehe wir uns an die Hanging-Challenge wagen, damit du direkt motiviert bist, loszulegen.

Benefit #1: Korrektur einer Schultergelenkfehlstellung

Durch einseitige Belastung kommt es innerhalb des Bewegungsapparates zu adaptiven Anpassungen. Das betrifft heutzutage besonders häufig die Schulter, die unter anderem durch ein Übermaß an Büroarbeit (ohne entsprechendem Ausgleich) bei vielen Menschen stark nach vorne verlagert ist. Das kann übrigens auch durch exzessives Trainieren von drückenden Bewegungen (z.B. Bankdrücken) geschehen.

Dabei kann es unter anderem zu einer Überstreckung der Rotatoren und zu einer Verkürzung der Brustmuskeln sowie zu adaptiven Anpassungen in der Gelenkkapsel kommen.

Die Kapsel besteht aus Bändern und bietet dem Schultergelenk, welches sich in ihr frei bewegen kann, die nötige Stabilität und Schutz vor Überstreckung. Sie kann lokal verhärten und verkürzen, wodurch das Gelenk verlagert wird.

Eine Gelenkfehlstellung bringt sämtliche umliegenden Strukturen aus dem Gleichgewicht, führt zu Fehl- und Überlastungen einzelner Muskeln und dadurch zum Beispiel zu Verspannungen. Sie ist also eine sehr häufige Ursache für derlei Einschränkungen, weshalb auch Kelly Starrett in „Werde ein geschmeidiger Leopard“ schrieb:

„Erfahrungsgemäß verschwinden viele Probleme (Einschränkungen im Weichgewebe und funktionelle Gleitgewebestörungen) automatisch, wenn ich die Gelenklagerung korrigieren kann.“

Eine häufig von Physiotherapeuten genutzte Technik dafür ist die sogenannte Distraktion.

Dabei werden die beteiligten Strukturen durch eine externe Kraft auseinandergezogen, sodass sich das Gelenk wieder besser ausrichten kann. Dafür kann beispielsweise ein Gymnastikband genutzt werden, welches mit ausgestrecktem Arm festgehalten und gespannt wird. Das Band versucht nun, den Arm vom Körper wegzuziehen, wodurch sich der Abstand der Gelenkkörper vergrößert und die Lagerung des Schultergelenks korrigiert werden kann.

Gleiches passiert durch die Schwerkraft beim Hängen. Sie zieht den Körper in die Länge und hilft so dabei, Verhärtungen zu lösen und die Stellung des Schultergelenkes zu verbessern.

Dieser Effekt ist übrigens spürbar. Anfangs ist es erfahrungsgemäß beim passiven Hang („Aushängen“) oft so, dass man nur eine sehr geringe Dehnung erfährt. Die beteiligten Strukturen in der Schulter sind verspannt und verhärtet, sodass man kaum spürbar in die Länge gezogen wird. Mit der Zeit jedoch wird die Dehnung stärker und man kann sich immer tiefer hängen lassen.

Weiterhin verbessert werden kann die Gelenklagerung durch den aktiven Hang, der die Schulterblattanbindung stärkt (dazu später mehr).

Benefit #2: Lösen von Verspannungen und Blockaden in der Wirbelsäule

Auch hier ist oft eine leichte Gelenkfehlstellung am Werk. Einzelne Wirbelkörper werden durch Fehlbelastungen minimal von ihrem angestammten Platz entfernt und es kommt so zu Bewegungseinschränkungen (Blockaden) und Verspannungen der umliegenden Muskulatur.

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Massagen helfen hier beispielsweise nur bedingt, wenn die Ursache nicht behoben wird. Durch das Hängen wird die Wirbelsäule in die Länge gezogen und kann sich wieder neu ausrichten. Blockaden werden gelöst (übrigens manchmal auch hörbar) und die umliegende Muskulatur kann sich entspannen.

Muskeldysbalancen - Ursache von Blockaden
Neben Gelenkfehlstellungen sind auch Dysbalancen in der Muskulatur eine häufige Ursache von Verspannungen und Blockaden.

Hier entsteht schnell ein Teufelskreislauf, weil Verspannungen Blockaden begünstigen und Blockaden wiederum Verspannungen begünstigen.

Hanging kann zwar dabei helfen, Gelenkfehlstellungen zu korrigieren – nicht aber dabei, größere Ungleichgewichte in der Muskulatur zu eliminieren (von einer mangelhaften Schulterblattanbindung mal abgesehen).

Dafür ist eine ausgewogenere Belastung notwendig. Speziell gilt es darauf zu achten, häufiger ziehende Bewegungen wie Klimmzüge zu trainieren oder auch im Ausdauerbereich Sportarten wie Rudern & Stand Up Paddling auszuführen, um den Körper ins Gleichgewicht zu bringen.

Benefit #3: Pflege der Bandscheiben und Vorbeugung von Bandscheibenvorfällen

Wenn wir über die Gesundheit der Wirbelsäule sprechen, müssen wir natürlich auch die Bandscheiben einbeziehen. Diese wichtigen Puffer zwischen den Wirbelkörpern, die unserer Wirbelsäule ein großes Bewegungspotential (vor allem für Drehbewegungen) verleihen und zugleich als Stoßdämpfer fungieren (stabilisieren), können mit zunehmendem Verschleiß große Probleme verursachen – der Bandscheibenvorfall lässt grüßen.

Was beim Verschleiß der Bandscheiben passiert, ist mittlerweile den meisten bekannt: Die Bandscheiben verlieren an Flüssigkeit und damit auch an Höhe – sie trocknen gewissermaßen aus. Dadurch verlieren sie allmählich ihre Pufferfunktion und die Wirbelsäule dadurch an Stabilität. Es kann und wird nicht nur zu Schmerzen, sondern auch zu weiteren Verschleißerscheinungen (z.B. in den anliegenden Wirbelkörpern) kommen.

Das kann verschiedene Ursachen haben. Vor allem mangelnde Bewegung, Übergewicht, fehlerhafte Ernährung (vor allem zu wenig Flüssigkeitsaufnahme) in Kombination mit altersbedingtem Verschleiß führen zu einer Abnutzung der Bandscheiben.

Einseitige Be- und Überlastungen können zudem zum sogenannten Bandscheibenvorfall führen, bei dem der Gallertkern (der Puffer im Zentrum, eine Art Gelkissen) der Bandscheibe durch ihren äußeren Faserring (ihre härtere Hülle) bricht und dann auf die Nerven drückt.

Der Verschleiß der Bandscheibe beginnt meist schon in jungen Jahren, wenn wir nämlich körperlich immer inaktiver werden und dadurch oftmals auch an Gewicht zunehmen. Um ihn genauer zu verstehen, müssen wir uns ansehen, wie die Bandscheiben ernährt werden.

Exkurs: Ernährung der Bandscheiben
Im Gegensatz zu den Muskeln haben die Bandscheiben keine Anbindung an den Blutkreislauf – bzw. nur eine sehr geringe Anbindung in den äußersten Bereichen. Sie werden dadurch nicht durch unsere zentrale Pumpe (Herz) mit dem Blut (Nährstoffstrom) versorgt.

Stattdessen werden sie vor allem durch Diffusion umgebender Flüssigkeit versorgt. Der Nährstoffaustausch basiert also auf Be- und Entlastung.

Durch Entlastung nimmt die Bandscheibe umliegende Flüssigkeit wie ein Schwamm auf und erhält dadurch neue Nährstoffe.

Durch Belastung gibt sie „verbrauchte“ Flüssigkeit wieder ab.

Die Bandscheibe ernährt sich also durch das Wechselspiel aus Belastung und Entlastung. Tagsüber verliert sie somit an Flüssigkeit und auch an Höhe. Dadurch reduziert sich übrigens die Körpergröße im Verlaufe des Tages messbar um bis zu 2,5 cm.

Entlastung finden die Wirbelsäule und damit auch die Bandscheiben beispielsweise im Liegen.

Belastungen erfahren die Bandscheiben auf verschiedene Art und Weisen. Es gibt ausgewogene, rhythmische Belastungen wie beispielsweise beim Gehen. Diese sind sehr wichtig für den Nährstoffaustausch der Bandscheibe. Aber es gibt auch schädliche, dauerhaft einseitige Belastungen wie beispielsweise beim Sitzen.

Letzteres ist unser Problem: Die Bandscheiben der meisten Menschen sind heutzutage sehr einseitigen Dauerbelastungen ausgesetzt. Tatsächlich ist die Belastung der Bandscheiben beim Sitzen sogar größer als beim Gehen.

Unterstützt wird dieser Effekt durch asymmetrische Haltungen, die man bei langem Sitzen oft einnimmt. Dadurch entstehen Hebelarme, welche die Wirkung der Schwerkraft und damit die Belastung der Bandscheiben vergrößern.

Die Lösung des Problems ist offensichtlich: Reduziere einseitige Belastungen/Haltungen, sorge für mehr Bewegung – und hänge täglich.

Hanging unterstützt die Bandscheibenpflege und Vorbeugung eines Bandscheibenvorfalls, weil der Effekt der Schwerkraft umgekehrt wird. Die Wirbelsäule wird, wie bereits gesagt, in die Länge gezogen. Die Bandscheiben werden dadurch entlastet und können neue Nährstoffe aufnehmen.

Benefit #4: Stärkung der Hände und Griffkraft

Neben Wirbelsäule und Schulter hat Hanging positive Auswirkungen auf sämtliche beteiligten Strukturen, allen voran auf die Hände.

Ein fester, starker Griff ist wichtig für so ziemlich jede Übung und körperliche Alltagsbelastung. Ob du beim Umzug Möbel schleppst, Hanteln hebst oder Klimmzüge macht – der Kraftübertrag findet über die Hände statt. Sie sind ein wichtiges Bindeglied und erste Anlaufstelle für Kraftlecks innerhalb der kinetischen Kette.

Heutzutage sieht man immer mehr verweichlichte Hände. Sie sind glatt, weich, ungemein anfällig für Risse und unfähig, schwere Lasten zu bewegen. Der Mangel an progressiven Widerständen und körperlichen Belastungen schwächt Hände und häufig auch den Charakter.

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Hanging liefert die Diagnose und zudem auch die Heilung. In der Anfangszeit der Challenge wirst du wahrscheinlich Schmerzen haben, weil die Hände es nicht gewohnt sind, so oft und schwer belastet zu werden.

Doch wenn du dich durchbeißt und dranbleibst, passt sich der Körper an. Er stärkt die Griffkraft und auch die Haut. Sie wird rauer, härter, reißfester und stärker.

Aus Erfahrung kann ich dir sagen, dass schon nach etwa einer Woche die Schmerzen in den Händen vergehen. Davon profitiert natürlich auch das Krafttraining – man schafft mehr Klimmzüge und kann schwerere Gewichte heben.

Die Anatomie des Hängens

Bevor wir zur Challenge kommen, möchte ich dich noch auf ein kleines, unscheinbares und dennoch lesenswertes Büchlein aufmerksam machen, das die anatomischen Zusammenhänge des Hängens ausführlicher beleuchtet.

Dr. Kirsch ist ein Chirurg, der seit vielen Jahren Forschungen über Funktion und Heilung der Schultern durchführt und das Hanging als eines der entscheidenden Schlüsselelemente für gesunde Schultern gefunden hat.

In „SHOULDER PAIN? The Solution & Prevention“ erklärt er die anatomischen Zusammenhänge und unter anderem durch Zuhilfenahme von CT-Scans wie sich das Hängen auf verschiedene Funktionseinschränkungen der Schulter auswirkt.

Das Buch ist sehr kurz und schnell gelesen. Die entscheidende praktische Erkenntnis: Baue Hanging in deinen Alltag ein. Es ist daher vor allem für diejenigen empfehlenswert, die an einer etwas detaillierteren Beleuchtung der zugrundeliegenden Anatomie interessiert sind.

Die 30-Tage-Hanging Challenge

Du hast nun einige der Hintergründe kennengelernt, warum Hanging so wichtig für den Körper und die Pflege des Bewegungsapparates ist. Sieh‘ es als kleine Einführung, denn viel mehr als Theorien und erste Untersuchungsergebnisse gibt es hierzu noch nicht – der Einfluss von Bewegungen und Haltungen auf die Strukturen des Bewegungsapparates ist noch längst nicht abschließend ergründet.

Was wir allerdings wissen: Hängen hilft. Hängen heilt. Hängen stärkt. 

Das zumindest weiß jeder, der sich der Hanging Challenge gestellt hat, die erstmals von Ido Portal verbreitet wurde. Es ist also gar nicht nötig, den Theorien zu glauben. Probiere es aus und trete selbst den praktischen Beweis an!

Mache Hanging in den nächsten 30 Tagen zum Teil deines Alltags und hänge mindestens 7 Minuten täglich!

Die Hanging-Challenge dient dazu, diese elementare Übung als Teil einer täglichen Bewegungs- und Körperpflegeroutine zu integrieren. Das langfristige Ziel besteht darin, dauerhaft jeden Tag insgesamt 7 Minuten zu hängen – nach der Challenge natürlich intuitiv (also ungefähr) und nicht nach Stechuhr.

Wichtig: Die Hanging-Challenge ist kein Training, sondern es geht hier wirklich um eine Form alltäglicher „Bewegung“. Es soll Teil des Alltags werden und deshalb so gut es dir möglich ist über den Alltag gestreut werden. 

Es macht daher keinen Sinn, direkt morgens die ganze Hanging-Zeit durchzuziehen. Wir wollen die Wirbelsäule immer mal wieder entlasten und die Bandscheiben „durchatmen“ lassen.

Gleichwohl solltest du dich jedes Mal, wenn du dich an die Stange (oder Ringe) hängst, mindestens 30 Sekunden am Stück festhalten, um in eine schöne Dehnung zu kommen und den Bandscheiben die Möglichkeit zu geben, sich mit neuen Nährstoffen zu versorgen.

Praxistipp
Wahrscheinlich ist es dir im Arbeitsalltag nicht möglich, das Hängen gleichmäßig über den Tag zu streuen, weil die meisten Arbeitsplätze NOCH keine Möglichkeit dafür bieten.

Dennoch kannst du das grundlegende Prinzip, nämlich das Hängen so gut es geht über den Tag zu verteilen, umsetzen. Verteile es so gut es geht über die zur Verfügung stehenden Zeitfenster (in der Regel morgens und abends).

Um das umzusetzen, brauchst du unbedingt eine Hanging-Möglichkeit zuhause. Entweder eine Klimmzugstange oder Turnringe. Schaffe dir diese Möglichkeit! Ich weiß, es ist nicht immer leicht und es mag diese oder jene Ausrede geben. Aber es geht hier nicht um gewöhnliches Trainingsequipment, das optional ist. Hanging ist für deinen Körper vielmehr wie Zähneputzen – elementar und alternativlos, um ihn zu pflegen.

Der Einstieg

Für Anfänger gänzlich ohne oder mit geringem sportlichen Hintergrund sind 30 Sekunden freier Hang in der Regel noch zu schwierig. Manch einer schafft gerade so 10 Sekunden. Das ist jedoch überhaupt kein Problem, denn mit einem kleinen Kniff kannst du den Anteil deines wirksamen Körpergewichts reduzieren.

Setze dazu die Füße leicht auf dem Boden (oder auf einer erhöhten Unterlage, einer Box, Bank oder einem Getränkekasten) auf und erzeuge dadurch eine Gegenkraft. So kannst du den Schwierigkeitsgrad leicht steuern und auch als Einsteiger die 30 Sekunden durchhalten.

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Anfangs kann es übrigens auch für Fortgeschrittene ratsam sein, diesen Kniff anzuwenden, um locker einzusteigen. Das ist sinnvoll, wenn man bisher sehr wenig für die Mobility getan, viele Blockaden und Verspannungen im Bereich der Wirbelsäule und/oder eine mangelhafte Stabilität in der Schulter hat.

Ansonsten kann es im Bereich der Schulter zu stärkeren Dehnungsschmerzen kommen und durch die blockierte Wirbelsäule kann es in Einzelfällen auch möglich sein, dass einem ein wenig schwarz vor Augen wird.

Das ist jedoch kein Grund, nicht zu hängen. Ganz im Gegenteil: Es spricht dafür, täglich zu hängen, um diese Probleme zu lösen. Allerdings bedächtig und anfangs ruhig unter Einsatz einer Gegenkraft.

Aktiver vs. passiver Hang

Es gibt zwei Basis-Varianten des Hängens: Der aktive und der passive Hang.

Die genannten Benefits sind auf den passiven Hang zugeschnitten und das ist auch die Übungsvariante, auf die man sich langfristig verstärkt konzentrieren sollte:

Achte darauf, nur gerade so viel Kraft aufzubringen, wie du benötigst, um dich an der Stange zu halten. Lass‘ dich von der Schwerkraft in die Länge ziehen und entspanne dich. Atme ruhig und gleichmäßig.

Zur Abwechslung kannst du allerdings auch immer wieder den aktiven Hang integrieren, der vor allem die wichtige Schulterblattanbindung stärkt:

Zur Schulterblattanbindung wird es noch einen separaten Artikel, aber ich kann dir schon vorwegnehmen, dass sie ein sehr wichtiges Stabilitätskriterium für die Schulter (um sie an vorgesehener Stelle zu verankern) und zugleich entscheidend dafür ist, um Kräfte in der Schulter zu übertragen. So ist sie unter anderem ein oft übersehener Faktor, um (viele) Klimmzüge zu schaffen und natürlich um Schulterverletzungen vorzubeugen.

Um die Schulter zunächst einmal zu stabilisieren, wenn sie aus ihrer angestammten Position verlagert ist (meist nach vorn), ist sogar ratsam, sich anfangs verstärkt auf den aktiven Hang zu konzentrieren. Die gestärkte Schulterblattanbindung hilft dabei, die Schulter in ihrer eigentlich angestammten Position zu zentrieren.

Du kannst beide Varianten nutzen und dich je nach Ausgangslage auf eine verstärkt konzentrieren. Wenn du beim passiven Hang Schmerzen hast (außer in der Hand), dann konzentriere dich zunächst auf den aktiven Hang und übe den passiven Hang nur unter Zuhilfenahme des Gegenkraft-Kniffs.

Die Revolution am Arbeitsplatz

Nach langen Jahren der physischen Entbehrungen befindet sich die Gesellschaft nach meiner Beobachtung allmählich im Wandel. Das Physische rückt bei vielen Menschen stärker in den Fokus und immer mehr begreifen, wie wichtig es ist, den Körper zu pflegen, die Fitness zu fördern und präventiv aktiv zu werden, statt den Körper auszubeuten, den Bewegungsapparat zu verschleißen und dann nur die Symptome zu behandeln.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und auch wenn diese Entwicklung noch in ihren Kinderschuhen steckt, stimmt mich das zunehmende Interesse vieler Menschen, die damit auch an mich herantreten, sehr positiv, dass sich hier bald auch gesellschaftspolitisch und in der arbeitgebenden Industrie einiges verbessern wird.

Zumindest erkennen immer mehr Arbeitgeber den Wert körperlicher Fitness und Gesundheit, sodass in den letzten Jahren (bisher vorrangig in größeren Firmen) mehr Möglichkeiten und Förderprogramme für den körperlichen Ausgleich geschaffen worden sind.

Damit diese Entwicklung weitergeht und beschleunigt wird, ist jeder einzelne von uns gefragt, als gutes Beispiel voranzugehen.

Teile die Challenge und gerne auch den Artikel von Ido Portal zum Hanging. Suche nach Möglichkeiten, dein tägliches Hanging-Pensum zu absolvieren. Frage deinen Arbeitgeber und leiste gegebenenfalls Überzeugungsarbeit – denn letztlich ist es eine Win-Win-Situation. Je gesünder und fitter der Mitarbeiter, desto produktiver ist er auch. Umgekehrt hemmen beispielsweise Rückenschmerzen die Leistungsfähigkeit, Produktivität und Motivation.

Scheue dich auch nicht davor zurück, Hanging in der Öffentlichkeit zu praktizieren, wenn du entsprechende Möglichkeiten (z.B. in der Straßenbahn) findest. Klar wird man dich komisch anschauen, das kann ich aus Erfahrung bestätigen. Denn NOCH ist es ungewöhnlich. Doch je mehr Menschen diesen Weg beschreiten und ihre positiven Erfahrungen bei Rückfragen (und die wird es auf jeden Fall geben) teilen können, desto mehr Menschen beteiligen sich und desto größer wird die Akzeptanz. Und jeder profitiert.

(Bildquelle: © kanashkin – Fotolia.com)