In den letzten Jahren hat die Faszienrolle einen unglaublichen Hype erfahren. Viele Videos wurden gedreht, Artikel geschrieben und vor allem Produkte verkauft. Doch wo so viel Hype ist, ist der Unsinn meist nicht fern. Deshalb ist es dringend nötig, hier Klarheit hereinzubringen und aufzuklären, welche tatsächlich bekannten Wirkungsmechanismen die Faszienrolle hat, welcher Nutzen wissenschaftlich belegt ist und wie die Rolle korrekt angewendet wird.

In diesem umfassenden Guide erhältst du alle neuesten Informationen zum Thema Faszienrolle. Der Beitrag ist in drei Teile gegliedert:

I. Teil: Faszienrolle Wirkung – So wirkt die Faszienrolle auf deinen Körper

II: Teil:Faszienrolle Nutzen – Was bringt die Faszienrolle konkret

III. Teil: Faszienrolle Anwendung – So gebrauchst du die Rolle richtig

Nachfolgend findest du endlich klare, fundierte Antworten auf die wichtigsten Fragen, zum Beispiel:

  • Kann man mit der Faszienrolle Narbengewebe aufbrechen?
  • Was bringt die Rolle für Regeneration, Beweglichkeit und Leistung?
  • Sollte man die Faszienrolle vor oder nach dem Training verwenden?
  • Wie lange, schnell, intensiv und häufig sollte man rollen?
  • Besser glatte oder genoppte Rollen?
  • Lohnt sich eine vibrierende Faszienrolle?

All das und mehr in dem umfassendsten Guide zur Faszienrolle.

I. Teil: Faszienrolle Wirkung – So wirkt die Faszienrolle auf deinen Körper

Um die oben genannten Fragen beantworten zu können und zu verstehen, WIE die Faszienrolle zu benutzen ist, sollten wir uns zunächst einmal anschauen, welche Mechanismen hier überhaupt wirken. Denn gerade da hat sich in den letzten Jahren ein Mythos verbreitet, für den es keinerlei wissenschaftliche als auch logische Grundlage gibt, der aber dazu führen kann, dass die Faszienrolle falsch angewendet wird. Womit wir auch schon bei der ersten Frage wären:

Kann man mit der Faszienrolle Narbengewebe aufbrechen?

Dahinter steckt zunächst einmal die falsche Behauptung, durch intensives Training entstünde Narbengewebe zwischen Muskeln und Faszien, welches die Strukturen verklebt, die Beweglichkeit einschränkt und Schmerzen verursacht. Manche behaupten sogar, dass solches Narbengewebe durch Muskelabbau entstünde.

Also hier mal Klartext: Es gibt überhaupt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass durch Training Narbengewebe entsteht, geschweige denn durch Muskelabbau. Keinen. Diese Theorie steht nicht einfach nur auf hölzernen Füßen, sie steht auf gar keinen Füßen. Es ist kein Zufall, dass dazu nie belastbare Studien als Beleg angeführt, denn es gibt sie schlicht nicht.

Narbengewebe entsteht durch schwere Traumata und Operationen. Vom Krafttraining wissen wir, dass es uns stärker macht, die Knochenstabilität fördert, das Immunsystem stärkt und das Nervensystem trainiert. Aber gleichzeitig soll es unseren Bewegungsapparat vernarben, was aus physiologischer Sicht völlig kontraproduktiv wäre? Das ergibt keinen Sinn.

Ohne einen belastbaren Beleg ist diese „Theorie“ (nennen wir sie besser „Geschichte“) daher schlicht nicht haltbar und wird auch von keinem mir bekannten Experten der Faszienforschung vertreten.

Doch selbst wenn trainingsbedingtes Narbengewebe als Erklärung für beispielsweise eingeschränkte Beweglichkeit und Schmerzen taugen würde, dann könnte man da mit einer Faszienrolle herzlich wenig ausrichten. Jeder gute Physiotherapeut weiß, dass die Mobilisierung von Narbengewebe erfolgt, indem die Haut und darunter liegen Gewebeschichten in verschiedene Richtungen „gestrichen“ und „gedreht“ werden. Einfach nur Druck auf die Narbe zu geben würde nichts oder nur sehr wenig zur Mobilisierung beitragen.

Unterm Strich: Für die Anwendung der Faszienrolle ist diese Erkenntnis wichtig, denn bis dato haben manche behauptet, man müsse quasi „durch den Schmerz“ rollen, um dadurch das Narbengewebe aufzubrechen. Da Narbengewebe jedoch bei der Benutzung dieses Tools keine Rolle spielt, ist dieser Ratschlag überflüssig – und sogar kontraproduktiv, wenn wir uns anschauen, welche Mechanismen hier wirklich agieren.

Wie die Faszienrolle wirklich wirkt

Hier muss zunächst festgehalten werden, dass dieses noch junge Forschungsgebiet keine abschließenden Antworten liefert. Es kann durchaus sein, dass weitere Mechanismen existieren, die noch nicht gefunden oder ausreichend belegt wurden. Doch es gibt zwei bis dato gut verstandene und anerkannte Wirkungsmechanismen der Faszienrolle:

1. Wirkung der Faszienrolle: Verstärkter Flüssigkeitsaustausch

Die Faszienrolle verstärkt den Flüssigkeitsaustausch von Muskeln und Bindegewebe. Entscheidend ist das aber vor allem für das Bindegewebe (=Faszien), denn dieses verfügt im Gegensatz zu den Muskeln, die über das Blutsystem ans Herz angeschlossen sind, nicht über eine zentrale Pumpe, ist also nicht an den Blutkreislauf angeschlossen. Der Nährstoffaustausch von Faszien findet über das Lymphsystem statt, welches durch Muskelkontraktionen (also durch Bewegung) angetrieben wird.

In diesem Sinne kurbelt die Faszienrolle also schlicht den Nährstoffsaustausch des Gewebes an und sorgt dafür, dass das Gewebe gut versorgt und Abfallprodukte gut entsorgt werden – das ist zum Beispiel förderlich für die Regeneration, aber auch um negative Folgen häufigen Sitzens zumindest ein wenig abzufedern.

Es könnte zudem sein, dass durch den geförderten Austausch Verklebungen gelöst und vorgebeugt werden. Die Theorie dazu sieht folgendermaßen aus:

Kommt es zu Störungen des Lymphflusses, zum Beispiel durch zu wenig Bewegung aber auch durch sehr intensive Workouts, so setzen Gerinnungsprozesse ein und aus Fibrinogen in der Lymphflüssigkeit wird Fibrin. Das ist ein Klebstoff, der unter anderem beim Verschluss von Wunden zum Einsatz kommt.

Dadurch kann es womöglich zu Verklebungen kommen, welche die Gleitfähigkeit von Muskel- und Bindegewebe gegeneinander negativ beeinträchtigen.

Es sei aber gesagt, dass es keine noch keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber gibt, ob Verklebungen als Ursache infrage kommen.

Die Tatsache, dass die Beweglichkeit durch die Faszienrolle nur kurzfristig verbessert wird (dazu im zweiten Teil mehr) und keine nachhaltige Beweglichkeitssteigerung bisher nachgewiesen werden konnte, deutet eher darauf hin, dass Verklebungen entgegen bisheriger Vermutungen hier keine Rolle spielen (bzw. gar nicht in der Form existieren).

So ist zum Beispiel überhaupt noch nicht geklärt, was genau sogenannte Triggerpunkte eigentlich sind. ​[1]​

Falls aber Verklebungen doch eine Rolle spielen, so dürfte der Flüssigkeitsaustausch dabei helfen, diese zu lösen und vorzubeugen.

2. Faszienrolle Wirkung: Stimulierte Mechanorezeptoren führen zu einem Entspannungssignal

Dieser Mechanismus ist eine schon 2003 von Herrn Schleip, einem der weltweit renommiertesten Faszienforscher, in einem Beitrag für das Journal of Bodywork and Movement Therapies beschriebene Wirkung der Faszientherapie. ​[2]​

Dabei geht es um folgendes: Faszien sind durchzogen von Mechanorezeptoren. Diese Zellen dienen der Umwandlung von mechanischen Kräften in Nervenerregung. Durch die mechanische Stimulierung diese Rezeptoren werden also Signale an das Gehirn gesendet. Vom Gehirn wiederum kommt ein spannungsregulierendes Signal zurück.

Wird nun beispielsweise eine verspannte Region mittels Faszienrolle bearbeitet, so steigt dort die Spannung. Ein gutes Modell zur Veranschaulichung: Stell dir einen gespannten Draht vor, den du runterdrückst – die Spannung des Drahtes nimmt natürlich zu!

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Durch die Spannungszunahme wiederum wird, um strukturelle Schäden zu vermeiden, ein Signal ans Gehirn geschickt: Kumpel, hier muss der Muskeltonus heruntergesetzt werden. Der Parasympathikus, also der für Entspannung und Regeneration zuständige Teil des Nervensystems, wird aktiviert, der Tonus wird reduziert und Verspannungen werden gelöst.

Aber halt, warum reden wir plötzlich über Muskeln – ging es nicht eigentlich um Faszien, also das Bindegewebe zwischen den Muskeln? Nun, wie gezeigt werden konnte, enthalten auch Faszien Muskelzellen – und sie können sogar kontrahieren (allerdings kannst du sie im Gegensatz zu deiner Skelettmuskulatur nicht gezielt willkürlich steuern).

Die Faszienrolle spricht also die Mechanorezeptoren in Skelettmuskeln UND Faszien an und stimuliert dadurch ein Entspannungssignal.

II. Teil: Faszienrolle Nutzen – Was bringt die Faszienrolle konkret

Nachdem der momentane wissenschaftliche Stand zu den Wirkungsmechanismen hinter der Faszienrolle klar ist, sollten wir uns natürlich auch anschauen, was denn konkret beim Rollen überhaupt rumkommt. Was bringt die Faszienrolle?

Faszienrolle Wirkung auf die Regeneration

Die beiden bekannten Wirkungsmechanismen zielen ja schon in eine klare Richtung: Die Faszienrolle ist vor allem ein Regenerationstool.

Entspannungssignal und geförderter Nährstoffaustausch sorgen dafür, dass das Gewebe regenerieren und entsprechend optimal funktionieren kann.

Und tatsächlich konnte diese Wirkung der Faszienrolle auch schon belegt werden. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2014, dass der Einsatz der Faszienrolle nach dem Training die Müdigkeit der Muskeln signifikant reduziert. Interessant war dabei auch, dass dieser Effekt zu allen drei getesteten Zeitpunkten nachgewiesen wurde: Wenn man direkt nach dem Training, 24h nach dem Training oder 48h nach dem Training (es handelte sich um 10×10 Kniebeugen, also intensives Training) die Massagerolle benutzt. ​[3]​

Die regenerationsfördernde Wirkung der Fazsienrolle sowohl nach Krafttraining als auch nach dynamischen Sportarten wie Fußball konnte in weiteren Studien bestätigt werden. ​[4–7]​

Wohl auch deshalb findet sie längst Anwendung im Leistungssport. Die Fußballer der deutschen Nationalmannschaft verwenden diese beispielsweise laut Aussage ihres ehemaligen Athletiktrainers Benjamin Kugel am Tag nach einem Spiel zur Regeneration.

Eine 2019 veröffentlichte Studie zeigt jedoch auch einen gegensätzlichen Effekt. Hier wurden 40x15m Sprints absolviert und in den Tagen danach u.a. die Muskelmüdigkeit abgefragt sowie die Beweglichkeit getestet. Durch Einsatz der Faszienrolle konnte die Beweglichkeit schneller wiederhergestellt werden, allerdings konnte keine verbesserte Regeneration hinsichtlich der Muskelmüdigkeit festgestellt werden. ​[8]​

Allerdings lohnt es sich hier ins Kleingedruckte zu schauen: Die Teilnehmer dieser Studie waren leicht übergewichtig und untrainiert, wodurch auch die Selbsteinschätzung der Müdigkeit der Muskeln weniger verlässlich ist. Die Müdigkeit der Muskeln wurde per Fragebogen ermittelt. Dennoch liefert diese Studie zumindest ein Indiz dafür, dass die regenerationsfördernde Wirkung der Faszienrolle bei Trainingsanfängern gemindert sein könnte.

Faszienrolle Wirkung auf Beweglichkeit und Leistung

Eine 2013 veröffentlichte Studie konnte feststellen, dass die einminütige Behandlung der Quadrizeps (vorderseite des Oberschenkels) mittels Faszienrolle die Beweglichkeit im Kniegelenk steigern kann, ohne die Kraft negativ zu beeinflussen. Die Beweglichkeit war dabei 2 Minuten nach der Behandlung um 10° erhöht. Nach 10 Minuten waren es noch 8°. ​[9]​

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Beweglichkeit mittels Faszienrolle kurzfristig gesteigert werden kann, ohne die Trainingsleistung zu beeinflussen (weder negativ noch positiv). Dieses Ergebnis wurde mehrfach durch weitere Studien bestätigt. ​[10–12]​

Zwei größere Meta-Analysen aus den Jahren 2015 und 2020 konnten bestätigen, dass mittels Faszienrolle die Beweglichkeit in den Gelenken kurzfristig effektiv gesteigert werden kann. ​[6,13]​

Interessanterweise konnte in einer 2016 veröffentlichten Studie sogar ein „Crossover-Effekt“ beobachtet werden: Die einseitige Behandlung einer Gliedmaße (z.B. linkes Bein) mittels Faszienrolle konnte die Beweglichkeit auf der anderen, unbehandelten Seite (also dem rechten Bein) verbessern. Dies deutet einen systemischen Wirkungsmechanismus an, der bisher noch unbekannt ist. ​[14]​

Diese Studienergebnisse könnten bedeuten, dass die Faszienrolle auch ein gutes Warm-Up Tool ist, da offenbar die Trainingsleistung nicht beeinflusst, die Beweglichkeit allerdings kurzzeitig verbessert werden kann.

Allerdings gibt es dazu eine sehr interessante Studie aus dem Jahr 2015. Hier wurden Statisches Stretchen (also klassisches Dehnen), Faszienrolle und die Kombination aus beidem verglichen. Ergebnis: Alle drei Interventionen konnten die Beweglichkeit kurzfristig steigern. Allerdings zeigte die Faszienrolle dabei keinen Vorteil zum statischen Stretchen. Die Kombination aus beidem konnte dagegen einen additiven Effekt verursachen. Direkt nach der Intervention konnte ein Beweglichkeitsgewinn von bis zu 1,3 cm erzielt werden. Nach 20 Minuten waren es allerdings nur noch maximal 0,4 cm mehr als vor der Intervention. ​[15]​

Was das für die Anwendung vor dem Training bedeutet, erkläre ich weiter unten im dritten Teil.

Faszienrolle Wirkung auf das biologische Alter und kardiovaskuläre Erkrankungen

Ein typischer Alterungseffekt auf den Körper ist eine zunehmende Versteifung der Arterien. Destruktive Angewohnheiten wie Rauchen können diesen Effekt verstärken. Eine zunehmende Arteriensteifigkeit wird assoziiert mit Bluthochdruck, Herzinfarkt, Herzstillstand und Schlaganfall. ​[16–18]​

Eine 2014 im Journal of Strength and Conditioning Research veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass mithilfe der Faszienrolle die Arteriensteifigkeit reduziert werden kann. ​[19]​

Dieses Ergebnis konnte durch eine neue Studie aus dem Jahr 2021 bestätigt werden. ​[20]​

Weitere Forschungen (mit mehr Probanden) sind an dieser Stelle nötig, um klar zu belegen, dass die Faszienrolle positive Effekte auf Alterungsprozesse haben und wahrscheinlich das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen reduzieren kann. Doch die bisherigen Studien deuten zumindest schonmal in diese Richtung.

III. Teil: Faszienrolle Anwendung – So gebrauchst du die Rolle richtig

Generell muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass erstens die Faszienforschung ein noch recht junges Gebiet ist und zweitens Studien zur Faszienrolle meist mit wenigen Probanden und kostengünstigen, aber weniger soliden Methoden durchgeführt werden. Es gibt noch recht wenige hochwertige Studien zum Thema, sodass die im II. Teil vorgestellten Ergebnisse als solider Zwischenstand zu werten sind. Es kann gut sein, dass es hierzu in der Zukunft noch neuere Erkenntnisse gibt. Zumal es durchaus denkbar ist, dass es weitere Wirkmechanismen gibt, die bisher noch nicht erkannt wurden.

Trotzdem zeigen die bisherigen Ergebnisse schon in eine klare Richtung, die in Einklang mit den im I. Teil beschriebenen Mechanismen stehen. Deshalb können wir auf Grundlage dieser Ergebnisse und meiner Erfahrung als Personal Trainer, der schon seit einem Jahrzehnt Faszienrollen erprobt hat und einsetzt, nützliche Anwendungshinweise zusammenfassen.

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Für wen lohnt sich die Faszienrolle?

Kurze Antwort: jeder profitiert davon. Die Faszienrolle ist ein Werkzeug für die Pflege deines Körpers. Im Grunde wie eine Zahnbürste. Sie pflegt Bindegewebe und Muskeln. Wer viel trainiert, regeneriert dadurch schneller. Wer sich wenig bewegt, kann die Rolle benutzen, um das Lymphsystem in Schwung zu bringen.

Allerdings ist noch unklar, wie weit der Wirkungsgrad der Rolle tatsächlich reicht. Es ist möglich, dass beispielsweise jemand, der sich im Alltag viel bewegt, sich aber nicht überlastet, keinen signifikanten Zugewinn durch den Einsatz der Faszienrolle erzielt. Warum ich selbst sie trotzdem täglich nutze, erfährst du gleich.

Faszienrolle vor oder nach dem Training: Wann wir die Faszienrolle am besten eingesetzt?

Die bisherigen Forschungsergebnisse decken beide Zeitfenster. Theoretisch kannst du die Faszienrolle vor UND nach dem Training einsetzen.

Vor dem Training kann die Faszienrolle kurzzeitig die Beweglichkeit steigern, ohne die Leistung zu beeinflussen. Allerdings deuten erste Erkenntnisse schon darauf hin, dass die Faszienrolle kaum einen signifikanten zusätzlichen Beitrag leistet, wenn man ein vernünftiges Warm Up durchführt. Deshalb nutze ich sie weder selbst noch bei meinen Klienten als Teil des Warm Ups. Allenfalls wenn man am frühen Morgen trainiert und sich mal besonders steif fühlt. Aber ansonsten ist es aus meiner Sicht Zeitverschwendung.

Am besten wird die Faszienrolle nach dem Training eingesetzt, um die Regeneration zu verbessern und den Bewegungsapparat zu pflegen. Das muss allerdings nicht zwangsläufig unmittelbar nach dem Training passieren. Die regenerationsfördernde Wirkung besteht laut Studien auch zu einem späteren Zeitpunkt.

Deshalb empfehle ich die Faszienrolle nach dem Training am Abend etwa eine Stunde vor dem Zubettgehen. Es ist ein guter Übergang in den Regenerationsmodus und kann nach meiner Erfahrung auf diese Weise sogar den Schlaf fördern.

Ist eine vibrierende Faszienrolle sinnvoll?

Seit Kurzem gibt es die klassische Massagerolle auch mit Vibrationsfunktion. Der Zusatz hat natürlich seinen Preis. Aber lohnt er sich überhaupt?

Erste Studien, die 2019 veröffentlicht wurden, berichten übereinstimmend von Vorteilen einer vibrierenden Faszienrolle gegenüber einer normalen hinsichtlich Schmerzempfinden und Beweglichkeit nach einem Workout. ​[21,22]​

Demzufolge hat die Vibrationsfunktion ihre Berechtigung. Mit einer klassischen, hochwertigen Faszienrolle macht man sicher nichts falsch. Aber wer das i-Tüpfelchen obendrauf mag, greift besser gleich zur vibrierenden Faszienrolle.

Hinsichtlich der Oberfläche gibt es noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir wissen, dass eine normale, glatte Rolle funktioniert. Aber es ist gut möglich, dass eine genoppte Oberfläche tiefer ins Gewebe eindringen und den Massageeffekt dadurch verstärken kann. Das muss jeder für sich entscheiden.

Wie lange sollte man rollen?

Eine 2019 veröffentlichte Vergleichsstudie hielt dazu fest: „Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass myofasziales Rollen für 90 Sekunden pro Muskelgruppe die minimale Zeit sein könnte, um eine kurzfristige Reduktion von Schmerzen und Müdigkeit zu erzielen. Ein oberes Limit wurde nicht gefunden.“ ​[23]​

Nach meiner Erfahrung sind eher 30 Sekunden die minimale Dosis, um eine spürbare Wirkung zu erzielen. 60 Sekunden sind eine gute Mischung aus Nutzen und Zeitaufwand. 90 Sekunden und mehr sind ideal, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

An Stellen, wo es sich besonders verspannt anspürt und sogar schmerzt, sollte man grundsätzlich ein wenig mehr Zeit aufwenden. 

Wie hoch sollte die Intensität beim Rollen sein?

Manche behaupten, die Intensität MÜSSE beim Rollen hoch sein, „um Narbengewebe aufzubrechen“ – und dass die Schmerzen ein Zeichen dafür seien, dass eben dies geschieht. Wir wissen allerdings nun aus dem ersten Teil, dass das völliger Unsinn ist.

Um die tatsächlichen Wirkmechanismen auszunutzen, sollte die Intensität eher gering sein (bzw. variierend, siehe nächste Frage). Es kann Stellen geben, wo es schmerzt. Aber der Druck sollte so gewählt werden, dass die Schmerzen ertragbar sind. Ein „Pain Face“, also ein von Schmerzen verzerrtes Gesicht, ist nicht notwendig und möglicherweise, weil man bei hohen Schmerzen intuitiv auch die Muskulatur stark anspannt, sogar kontraproduktiv. 

Kurz gesagt: Leichte Schmerzen ja. Mehr aber nicht. 

Mit welcher Geschwindigkeit sollte man rollen?

Diese Frage ist sehr interessant, denn es gibt hier keine eindeutige Antwort. Für den Nährstoffaustausch ist langsames Rollen sicherlich vorteilhaft. Auf der anderen Seite, für die Mechanorezeptoren wäre tatsächlich eine Mischung verschiedener Geschwindigkeiten und auch Druckstufen sinnvoll. 

Warum? Nun, es gibt schlicht verschiedene Mechanorezeptoren. Da wären zum Beispiel die Merkel-Scheiben (benannt nach Sigmund Merkel, nicht nach Angela), die vor allem auf konstanten Druck, also langsames Rollen, reagieren. Ruffini-Körperchen dagegen reagieren auf tiefen Druck (=etwas mehr Intensität) und Vibration. Vater-Pacini-Körperchen reagieren auf Vibrationen und Druckunterschiede. Im Kraftsport ist übrigens ein weiterer Mechanorezeptor relativ bekannt, nämlich das Golgi-Sehnen-Organ. Dieses reagiert allerdings auf Muskelkontraktionen und wird deshalb mit der Faszienrolle nicht stimuliert. 

Ok, mal abgesehen von den seltsamen Namen bedeutet das unterm Strich: Mal langsam, gleichmäßig und leicht rollen, mal etwas mehr Druck draufgeben und auch mal schneller rollen. Das kann in der Praxis ganz intuitiv geschehen. Wichtig ist zu merken: Abwechslung ist Trumpf.

Welche Muskelgruppen sollten mit der Faszienrolle behandelt werden?

Hier geht es vor allem um das Verhältnis aus Zeitaufwand und Nutzen. Niemand will eine Stunde lang mit der Faszienrolle spielen. Ich empfehle meinen Klienten zwei Hauptbereiche.

1.) Oberschenkel: Vorderseite (Quadrizeps), Rückseite (Beinbizeps) und IT-Band (an der Seite)

2.) Oberer Rücken: im Bereich Rauten- und Trapezmuskel (also einfach mit dem Rücken auf die Rolle legen und den oberen Bereich abrollen) sowie seitlich den Latissimus

Den unteren Rücken würde ich nicht empfehlen, weil dort die Rippenstabilisierung der Wirbelsäule fehlt, sodass der Druck entsprechend höher ist und die Muskeln zu schnell verkrampfen. 

Die Arme kann man mit der Rolle nicht sinnvoll bearbeiten, weil da zu wenig Körpergewicht drin steckt, um brauchbaren Druck zu bekommen. 

Die Brust kann schon rein mechanisch nicht gut mit der Rolle angesprochen werden – hier wäre ein Massageball sinnvoller. 

Die Po-Muskulatur kann man mit der Rolle bearbeiten, das hängt aber ein wenig vom Körper des Anwenders ab. Oft bekommt man nicht genügend punktuellen Druck im Gesäß-Bereich zustande, um tief genug in das Gewebe einzudringen. Auch hier wäre in den meisten Fällen ein Ball sinnvoller (aber nicht notwendig).

Und dann wären da noch die Waden: Die kann man gut mit der Massagerolle bearbeiten. Allerdings lasse ich diese Gruppe manchmal aus der Planung raus, um den Zeitaufwand zu reduzieren – die meisten meiner Klienten haben wenig Zeit und dann lieber ein kürzeres Programm als gar keines.

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Wie oft sollte man rollen?

Der Zeitaspekt ist auch bei der Frequenz die zentrale Frage. Theoretisch kannst du die Faszienrolle täglich und sogar mehrmals täglich nutzen. Ich selbst nutze sie an 6 Abenden in der Woche. 

Grundsätzlich muss hier aber jeder für sich herausfinden, welche Zeit man bereit ist zu investieren.

Fazit: Ist der Hype um die Faszienrolle berechtigt? 

Wie in diesem Artikel ausführlich auf Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen geschildert, handelt es sich bei der Faszienrolle durchaus um ein wirksames Tool, von dem so ziemlich jeder profitieren kann. 

Allerdings sind die Effekte auch nicht so umfassend, dass man die Faszienrolle als essentiell betrachten muss. Es ist kein Allheilmittel, sondern schlicht eine praktische und günstige Erweiterung – nützlich und wirksam, aber nicht notwendig.

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(Quelle Titelbild: DmitryStock – shutterstock.com / Bildquelle einzelne Faszienrolle: Gorillasports)