Neben Creatin und Proteinpulvern zählen die BCAAs und L-Glutamin zu den beliebtesten und am weitesten verbreiteten Supplementen. Warum ist das so? Was bringt mir die Einnahme von BCAAs bzw. L-Glutamin? Was ist das überhaupt? Wann sind die optimalen Einnahmezeitpunkte?
Diese und weitere Fragen werden im Verlaufe dieses Artikels näher von mir beleuchtet. Fangen wir mit den BCAAs an.

Was sind BCAAs?

BCAA ist die Abkürzung von Branched-Chain Amino Acids – oder auch verzweigtkettige Aminosäuren (kein Rechtschreibfehler). Es handelt sich hierbei um die folgenden drei essenziellen Aminosäuren:

  • L-Leucin
  • L-Isoleucin
  • L-Valin

Aminosäuren sind die Bausteine der Eiweiße. Über die Nahrung aufgenommene Eiweiße werden im Körper in Aminosäuren aufgespalten und für verschiedenste Prozesse genutzt. Einige Aminosäuren können vom Körper selbst hergestellt werden. Essentielle Aminosäuren hingegen können nicht selbst produziert werden, sodass sie über die Nahrung zugeführt werden müssen. Neben den BCAAs gibt es noch 7 weitere essentielle Aminosäuren.
Doch warum sind es ausgerechnet die BCAAs, die einen so hohen Stellenwert für Athleten haben?

Einerseits sind die BCAAs die einzigen Aminosäuren, die zur Verstoffwechselung nicht erst den Umweg über die Leber nehmen müssen, sondern direkt zu den Muskeln kommen können. Dadurch wird eine wesentlich schnellere Versorgung der Muskulatur gewährleistet.
Und diese wird auch benötigt, denn das Muskeleiweiß besteht zu rund 35% aus BCAAs.

Was bewirkt eine Ergänzung mit BCAAs?

Anhand dieses vergleichsweise hohen Anteils am Muskeleiweiß und der schnellen Umsetzung lässt sich bereits der hohe Nutzen von BCAAs erkennen – Muskelaufbau und Regeneration.
BCAAs dienen darüber hinaus zum Schutz der Muskulatur. Speziell von Anhängern des intermittierenden Fastens werden BCAAs in der Fastenzeit aus genau diesem Grund genommen.
Zudem dient die Einnahme von BCAAs als Zündung für die Eiweißsynthese. Unter Eiweißsynthese versteht sich die Bildung von Eiweißen aus Aminosäuren – aus Sicht eines Kraftsportlers ist dabei besonders der Aufbau von Muskeleiweißen, also generell der Muskelaufbau, zu verstehen.
BCAAs regen also den Muskelaufbau an. Hierbei ist es speziell die Aminosäure L-Leucin, die als Katalysator fungiert. Die spannende Frage lautet nun, warum man nicht einfach nur Leucin statt dem Kombinationsprodukt BCAAs nimmt?

Leucin vs BCAAs

Leucin

chemische Struktur Leucin

Zur Erklärung muss ich etwas weiter ausholen. Viele Atheten wissen bereits, dass die Insulinausschüttung durch die Kohlenhydratzufuhr über die Nahrung angeregt wird (siehe: Tod den Kohlenhydraten). Was allerdings die Meisten nicht wissen, ist die Tatsache, dass auch Eiweiße die Insulinausschüttung anregen können. Einerseits weil auch sie den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen können und andererseits durch die insulinogene Wirkung einiger Aminosäuren. Ganz besonders L-Leucin regt die Insulinausschüttung an.
Wie bereits oben erwähnt, werden BCAAs speziell beim Training auf nüchternem Magen genommen, um den Muskelabbau zu hemmen. Bei einem guten BCAA-Produkt sind die Aminosäuren im Verhältnis 2:1:1 zugunsten von L-Leucin enthalten. Nimmt man nun jedoch größere Mengen Leucin, um den Muskelabbau stärker zu hemmen und anabole Signale zu senden, so wird auch die Insulinausschüttung stärker angeregt. Beim Training auf nüchternem Magen ist der Blutzuckerspiegel allerdings ohnehin niedrig. Eine Insulinausschüttung verringert den Blutzuckerspiegel – es droht in diesem Fall eine Unterzuckerung und daher auch die Einbüßung der Leistungsfähigkeit.

Nun gut, was aber ist, wenn man als ganz normaler Sportler, das heißt Jenseits von Fastenzeiten, Leucin statt BCAAs nimmt? Die Gefahr einer Unterzuckerung besteht in diesem Fall nicht – sofern man sich normal ernährt. Es gibt allerdings ein weiteres Problem.
Leucin mag von größerer Wichtigkeit für den Muskelaufbau als manch andere Aminosäure sein, allerdings bestehen Muskeln nun mal nicht ausschließlich aus Leucin. Auch die anderen Aminosäuren spielen eine wichtige Rolle. Da die Aminosäuren bei der Aufnahme miteinander in Konkurrenz stehen, führt eine übermäßige Zufuhr von Leucin lediglich zu einem Mangel an den anderen wichtigen Aminosäuren – in diesem Falle speziell Isoleucin und Valin.
Daher würde ich von einer isolierten Aufnahme von Leucin abraten und BCAAs empfehlen. Bevor ich zu den Einnahmezeitpunkten und Produktempfehlungen komme, möchte ich zunächst noch die ebenfalls wichtige Aminosäure L-Glutamin näher erklären.

Was ist L-Glutamin?

chemische Glutaminstruktur

chemische Struktur Glutamin

Glutamin ist die dominierende Aminosäure im Körper. Sie besitzt den größten Anteil im körpereigenen Aminosäurepool und mit rund 60% auch am Muskeleiweiß.
Glutamin ist zunächst einmal im Gegensatz zu den BCAAs keine essentielle Aminosäure, das heißt es kann vom Körper selbst hergestellt werden. Allerdings ist Glutamin auch eine der wichtigsten Aminosäuren – unter anderem weil es als Energieträger für Abwehrzellen dient. Normalerweise reicht die körpereigene Produktion von Glutamin. Normalerweise.
Wird nun allerdings der Körper beispielsweise durch Viren attackiert und gesellt sich dazu noch ein hartes Workout, was bekanntermaßen zunächst zum Muskelabbau führt, dann steigt der Glutaminbedarf enorm, sodass die körpereigene Produktion nicht mehr ausreichend ist. In diesem Fall sind wir auf eine äußere Zufuhr von Glutamin angewiesen. Glutamin muss also bei größerer Bedarfserhöhung – speziell infolge schwerer Trainingseinheiten und Angriffen auf das Immunsystem – über die Nahrung zugeführt werden. Enthalten ist Glutamin in nahezu allen Lebensmitteln, speziell Milchprodukte weisen einen hohen Anteil an Glutamin auf.

Was bewirkt L-Glutamin?

Wie bereits erwähnt, hat Glutamin mit rund 60% den mit Abstand größten Anteil am Muskeleiweiß, sodass beim Muskelaufbau logischerweise ein hoher Bedarf an Glutamin vorherrscht. Mit der ergänzenden Einnahme von Glutamin steigt zudem die Menge der ausgeschütteten Wachstumshormone, sodass der Muskelaufbau gefördert wird.
Darüber hinaus wurde ebenfalls erwähnt, dass Glutamin als Energieträger für Abwehrzellen (und einiger anderer Zellen) genutzt wird. Folgerichtig hat Glutamin positive Auswirkungen auf das Immunsystem. Hier lässt sich auch ein wichtiger Grund (es gibt weitere) dafür erkennen, dass sehr harte Workouts das Immunsystem schwächen. Denn bei harten Workouts benötigen die Muskeln besonders viel Glutamin, um sich reparieren und anschließend wachsen zu können. Dadurch steht letztlich weniger Glutamin für die Versorgung der Abwehrzellen zur Verfügung.
Eine ergänzende Einnahme von L-Glutamin ist daher besonders nach harten Workouts sinnvoll, um das Immunsystem fit zu halten.

Nun hat Glutamin natürlich noch weitere positive Effekte. Beispielsweise steht es im Zusammenhang mit der Freisetzung von Fettsäuren (Fettabbau) und dem Muskelschutz. Allerdings lautet die alles entscheidende Frage ja, was genau mit einer ergänzenden Einnahme bewirkt werden kann.

Die positiven Effekte mit einer ergänzenden Zufuhr von L-Glutamin bleiben in einem begrenzten Rahmen. Die Tatsache, dass Glutamin vom Körper selbst hergestellt und darüber hinaus natürlich auch über die normale Nahrung zugeführt werden kann, deutet darauf hin, dass eine ergänzende Zufuhr normalerweise unnötig ist. Ein normaler Whey-Protein Shake besitzt bereits einen hohen Anteil an Glutamin, warum also darüber hinaus mit Glutamin ergänzen?

Der einzige Umstand, unter dem ich eine ergänzende Zufuhr von Glutamin für sinnvoll halte, ist bei einem wirklich sehr harten Trainingsprogramm. Wer beispielsweise Super Kniebeugen, German Volume Training oder ein sehr anstrengendes HFT-Programm absolviert, kann von einer ergänzenden Zufuhr von L-Glutamin in Sachen Muskelaufbau und Stärke des Immunsystem profitieren.
Widmen wir uns nun den Einnahmeempfehlungen

Die optimale Einnahme von Glutamin und BCAAs

Die positiven Effekte der Einnahme von Glutamin und BCAAs stehen im engen Zusammenhang mit den Workouts. Wer allgemein nicht trainiert, kann auf eine ergänzende Einnahme dieser Aminosäuren verzichten.
BCAAs sind gerade deshalb sinnvoll, weil sie als einzige Aminosäuren direkt zu den Muskeln gelangen können. Wie weiter oben erwähnt, setzen sie (speziell L-Leucin) die Eiweißsynthese in Gang. BCAAs können also als Zündschlüssel für den Muskelaufbau/die Muskelregeneration gesehen werden. Sie sollten daher an erster Stelle der Einnahmereihenfolge stehen. BCAAs sollten entweder direkt nach dem Workout oder noch besser währenddessen eingenommen werden. Optimale Resultate in Sachen Regeneration und Muskelaufbau werden erzielt, wenn BCAAs zusammen mit „schnellen“ Kohlenhydraten noch beim Workout aufgenommen werden.
Idealerweise werden daher mitten im Workout ein paar BCAA-Kapseln (5-10g BCAAs) zusammen mit ein paar Stückchen Banane (schnelle Kohlenhydrate, wichtige Mikronährstoffe darunter Kalium und Magnesium) eingenommen.
Wer auf nüchternem Magen trainiert, kann (und sollte) diese BCAA-Dosis unmittelbar vor dem Workout einnehmen.
Wer über die Einnahme von 5-10g BCAAs vor, während oder nach dem Workout hinausgehen möchte, der kann auch direkt nach dem Aufstehen zu BCAAs greifen, um die Muskeln nach der langen Fastenphase in der Nacht möglichst schnell in den „Aufbau-Modus“ zu bringen. Auch hier sind 5-10g BCAAs ausreichend.

Die Gesamteinnahmemenge von BCAAs beträgt also 10-20g an Trainingstagen und 5-10g an Pausentagen. Alles, was darüber hinausgeht, ist aus meiner Sicht Geldverschwendung.

Glutamin setzt anabole Signale und wird aufgrund seines hohen Anteils am Muskeleiweiß besonders nach dem Workout benötigt. Es empfiehlt sich daher den Post-Workout Eiweißshake mit etwa 10g Glutamin aufzupeppen, sofern das Training entsprechend fordernd war. Darüber hinaus wird keine weitere isolierte Zufuhr von Glutamin benötigt.

Fazit und Produktempfehlungen

Da BCAAs und L-Glutamin zusammen 95% des Muskeleiweißes ausmachen und zudem über einige weitere, bereits besprochene Vorteile verfügen, halte ich eine ergänzende Einnahme von BCAAs und L-Glutamin durchaus für sinnvoll. Sowohl in der Diät zum Muskelschutz als auch beim Muskelaufbau sind diese Aminosäuren sinnvolle Ergänzungsmittel.
Speziell die BCAAs halte ich für wichtig, wenn es um das Erzielen von optimalen Resultaten beim Muskelaufbau oder Fettabbau ankommt.
Allerdings gilt auch hier wie bei allen anderen Nahrungsergänzungsmitteln, dass keine Wunder erwartet werden können. Glutamin und besonders BCAAs haben zwar positive Wirkungen, diese halten sich allerdings in einem begrenzten Rahmen. Sie können als i-Tüpfelchen betrachtet werden – nicht mehr, nicht weniger.

Welche Produkte kann ich empfehlen? Zunächst einmal muss hier zwischen Pulver und Kapseln unterschieden werden.
Die Pulverform ist zwar günstiger, besitzt allerdings auch einen unangenehmen Eigengeschmack – auch wenn sie häufig als „geschmacksneutral“ beschrieben wird. 10g Glutamin im Shake können den Geschmack ganz schön versauen.
Daher würde ich definitiv zur Einnahme von Kapseln raten, auch wenn diese etwas teurer sind.
BCAA 195 KapselnDabei können alle gängigen, etablierten Marken gewählt werden, im Zweifelsfall würde ich hier nach dem Preis gehen. Wer beides zusammen nach dem Workout nehmen möchte, der ist mit „Weider Muscle Recovery“ bestens bedient, da hier BCAAs und Glutamin bereits in einem guten Verhältnis kombiniert worden sind.
Wer Glutamin und BCAAs einzeln einnehmen möchte, dem sei „Optimum Nutrition Glutamine 1000 Caps“ und „PhD BCAA’s“ empfohlen. 

„Dieser Artikel ist Teil der Serie Der Supplemente-Guide

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