Seit erscheinen des Buches „P.I.T.T.-Force“ von Karsten Pfützenreuter im Jahre 2009 hat das entsprechende Trainingssystem eine sehr große Anhängerschaft gefunden. Das liegt vor allem darin begründet, dass es eines der effektivsten Systeme zum Aufbau von Muskelmasse ist – und sind wir mal ehrlich: Wer will nicht mehr Muskelmasse?
Im Folgenden möchte ich das genannte Buch einschließlich des Trainingssystems erläutern und kritisch bewerten. Alle Zitate stammen aus diesem Buch.
Die Grundlage von PITT-Force
Die Idee hinter dem gesamten System ist das Konzept der „lohnenden Pausen“. Karsten Pfützenreuter, selbst Athlet und Trainer, hat bei erfolgreichen Athleten beobachten können, dass sie dieses Konzept intuitiv bereits anwenden. Zum Ende eines Satzes setzen sie intuitiv kleine Verschnaufpausen zwischen den Wiederholungen, um mehr aus dem Satz rausholen zu können.
Aus dieser Beobachtung hat Karsten Pfützenreuter ein effektives System gemacht und das Konzept der Einzelwiederholungen ins Leben gerufen.
Beim PITT-Force System werden ausschließlich Einzelwiederholungen absolviert, das heißt nach jeder Wiederholung wird das Gewicht abgelegt und kurz pausiert. Das ist zunächst für viele Athleten gewöhnungsbedürftig, ist man doch längst an durchgehende Wiederholungen gewöhnt.
Das Konzept der Einzelwiederholungen hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem Clustertraining, welches ich im Artikel „Wille zur Kraft – Die Zuwächse mit Konzentration und Aggressivität in kürzester Zeit maximieren“ vorgestellt habe. Beide Systeme haben daher den gleichen Vorteil: Der Athlet kann konzentrierter trainieren und durch sinnvoll gesetzte Pausen mehr Wachstumsreize setzen – doch dazu später mehr.
Werfen wir einen Blick auf den Ablauf eines Satzes im PITT-Force Stil.
Ein Satz mittels PITT-Force
Zunächst wird ein Gewicht gewählt, mit dem etwa 10 (durchgehende) Wiederholungen bewältigt werden können. Nun beginnt der Satz mit der ersten Wiederholung. Gleich danach wird das Gewicht abgesetzt und etwa 1-3 Sekunden pausiert. Es folgt die nächste Wiederholung und die nächste Pause. So geht das Spiel immer weiter, doch mit zunehmender Satzlänge verlängert sich auch die Pausenzeit, um der Erschöpfung entgegen zu wirken. Pausiert man anfangs noch 1-3 Sekunden, so können es nach 10-12 Wiederholungen bereits 3-7 Sekunden und nach 15-20 Wiederholungen schon 10-20 Sekunden Pausenzeit sein.
„Die Pause zwischen den Wdh. ist hierbei so lange wie nötig und so kurz wie möglich zu wählen.“
Also intuitive Pausensetzung, ganz wie beim Clustertraining nur mit dem Unterschied dass die Pausen verlängert werden und nicht (mehr oder weniger) fest sind.
Ziel des Satzes ist es, mehr als 10 Wiederholungen zu schaffen – daher auch die Pausen. Jeder Satz im PITT-Force Stil sollte zwischen 10 und 20 Wiederholungen beinhalten.
Das PITT-Force Trainingssystem
Pro Übung wird beim PITT-Force System nur ein Satz absolviert – dieser ist durch die lohnenden Pausen bereits intensiv genug. Im Buch gibt es einige Beispielpläne für fortgeschrittene Athleten. Sehen wir uns einen davon an.
Dieser Beispielplan wird in folgendem Rhythmus absolviert: Ein Tag Training – Zwei Tage Pause
Dabei wechseln sich folgende Workouts stets ab:
Workout 1
- Schrägbankdrücken
- Kniebeuge
- Überzüge
- Kreuzheben mit gestreckten Beinen
Workout 2
- Klimmzüge
- Dips
- Kreuzheben / Rudern (von Workout zu Workout im Wechsel)
- Shrugs
Jede Übung besteht aus einem PITT-Force Satz, also 10-20 Wiederholungen mit hoher Intensität.
Die Vorteile des Systems
Zu den Vorteilen zählt ganz klar der besonders effektive Muskelaufbau. Gerade für fortgeschrittene Athleten ist dieses System eine gute Möglichkeit, Plateaus zu durchbrechen und die Muskeln zum Wachsen zu bringen. Die Einzelwiederholungen sorgen für einen großen Intensitätsaufbau bei gleichzeitig guter Durchblutung – die Erstickung des Muskels bleibt im Gegensatz zu vielen anderen Intensitätssystemen im Rahmen oder gar aus.
Auch können die Workouts sehr zügig absolviert werden, sodass die Trainingszeit überschaubar bleibt. Daher ist dieses System gerade auch für vielbeschäftige Athleten sehr gut geeignet.
Die Nachteile des Systems
Aufgrund der hohen Intensität und der intuitiven Vorgehensweise ist dieses Trainingssystem für blutige Anfänger ungeeignet. Karsten Pfützenreuter empfiehlt hier mindestens 6-12 Monate Trainingserfahrung. Für Anfänger ist eine derart hohe Intensität sowieso unnötig, da noch viel mehr Wachstumspotenzial vorhanden ist und es daher keiner besonders hohen Intensität zum Wachstum bedarf.
Allerdings sehe ich noch ein weiteres großes Problem bei dieser Trainingsmethode. Ich zitiere dazu einmal aus dem Buch:
„Die ersten Pioniere des Intensitätstrainings hatten es schon richtig erkannt und in die Welt posaunt, dass die Erholungsfähigkeit eines Muskels, welche mit ein limitierender Faktor ist, sich mit steigender Leistungsdichte und Umfangszunahme relativ verschlechtert und es somit zwingend nötig ist, seine Erholungszeiträume der gestiegenen Leistung und der daraus resultierenden längeren Regeneration entsprechend anzupassen bzw. zu vergrößern.“
Was hierbei nicht zur Sprache kommt ist die Tatsache, dass die Regeneration ebenfalls ein Parameter wie jeder andere ist und der Körper daher an eine hohe Trainingsfrequenz adaptieren und die Regeneration beschleunigen kann. Turner trainieren mehrere Stunden täglich und haben dennoch sehr viel Muskelmasse.
Laut Karsten Pfützenreuter steigt die Erholungszeit mit zunehmendem Trainingsfortschritt. Das ist jedoch zu einem großen Teil auch der immer ungünstiger werdenden Versorgung der Muskulatur geschuldet. Diese wird hauptsächlich durch die Kapillardichte bestimmt, also dem Verhältnis aus Muskelmasse und Kapillaranzahl. Bei dem PITT-Force System und nahezu allen anderen mir bekannten Systemen zum Muskelaufbau vergrößert sich die Muskelmasse, die Kapillaren bleiben weitestgehend unangetastet. Dadurch verschlechtern sich die Kapillardichte und folgerichtig auch die Versorgung der Muskulatur – längere Erholungszeiten sind die Folge. Dadurch sind weniger Trainingseinheiten möglich und folglich nicht nur potenziell weniger Wachstumsreize, sondern auch eine ineffektivere Konditionierung des Zentralnervensystems und daher geringere Kraftzuwächse – für Kraftzuwächse sind häufige Trainingseinheiten das Nonplusultra, weil hierbei die Bewegungsoptimierung eine große Rolle spielt. Der Autor selbst räumt im Buch ein, dass dieses System dem Aufbau von Muskelmasse und nicht Kraft dient.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass PITT-Force ein sehr gutes Trainingssystem für fortgeschrittene Athleten, die Muskelmasse aufbauen wollen, ist. Dahingehend halte ich es gar für eines der besten derzeit bekannten Systeme.
Das Buch würde ich allen interessierten wärmstens ans Herz legen. Es lassen sich einige wichtige Erkenntnisse bezüglich Training und Ernährung gewinnen – man merkt einfach, dass der Autor jemand vom Fach ist, der über einen großen praktischen Erfahrungsschatz verfügt.
Um einen Vorgeschmack dessen, was erwartet werden kann, zu gewinnen, und die Erfolgsgrundlage dieses (und aller anderen Systeme) sinnvoll zu beschreiben, fällt mir nichts Besseres als dieser (zugegeben etwas überdehnte) Satz von Karsten Pfützenreuter ein:
„Wer es auf Dauer nicht schafft, die naturgegebene, eigene Trägheit in seinem Team aus körperlichen und geistigen Faktoren auf ein gesundes Mindestmaß zu zähmen und wer in diesem System nur eine weitere Option sieht, an der harten essenziellen Realität des kalten Stahls, auch schlicht HT genannt ( „Hartes Training“ ) vorbei zu schleichen, um einfach nur weniger oder lascher zu trainieren, der hat entweder die Botschaft dieses Buches nicht verstanden oder er geht besser wieder zurück in die Märchenwelt der Fitnessbranche, die jeden Monat aufs Neue dem naiven Leser eine fiktive Methode aus der Welt des Fantastischen auf Silbertablett legt.“
Das Buch P.I.T.T.-Force selbst ist somit auch für Anfänger absolut lesenswert – das System für selbige allerdings ungeeignet. Der Stil bleibt leider weit hinter dem Inhalt zurück, allerdings ist das ein Nagel, an dem man sich nicht aufhängen muss. Nützlich ist es alle Male.
PS: Was genau es mit der Kapillardichte auf sich hat, wie sich diese vergrößern und der ganze Aspekt im Rahmen des Muskelaufbaus einbauen lässt, erkläre ich in meinem neuen Buch, welches in den nächsten Wochen erscheinen wird. Mehr dazu demnächst.
Hallo Herr Lehmann,
ich bin erst seit kurzen auf Ihre Seite gestoßen und finde die Artikel echt sehr Informativ und interessant finde die Seite einfach super :-) Bin auf diesem Gebiet sehr wissbegierig und fange bald selbst mit meinen Ausbildungen an und Informiere mich jeden Tag weiter. Habe jetzt eine kleine Frage: Das Thema mit der Kapillardichte. Wird das im Adonis Guide beschrieben? Habe es mir erst gekauft und bin noch nicht zum Lesen gekommen (werde demnächst anfangen). Danke schonmal für die Antwort.
Hi Martin,
freut mich, dass Dir die Seite gefällt und weiterhilft :)
Das Thema Kapillardichte wird im Adonis-Guide behandelt. Die Erklärungen dazu sind gar nicht lang oder kompliziert, entscheidend ist vielmehr, dass die gewonnenen Erkenntnisse daraus auch in den Trainingsplänen berücksichtigt sind.
Das stimmt nicht. Pitt-Force hat im Gegensatz zu den anderen Hypertophy- und krafttrainingssystemen den Vorteil die Kapilardichte zu erhöhen! Durch die, in die Länge gezogenen Sätze von 4-5 Minuten und der Einbindung von möglichst vielen Muskeln pro Übung, werden genau die Parameter erfüllt welche für die Erhöhung und Erhaltung der Kapilardichte und der Ausdauer gebraucht werden.
Wenn man sich nicht nur auf die mittlerweile mehrfach belegten Wissenschaftlichen Studienergebnisse verlassen möchte, empfehle ich einfach mal ein paar Wochen zu probieren 20 Einzelwiederholungen mit schwerem Gewicht im Kreuzheben oder tiefen Kniebeugen zu absolvieren. Mehr Ausdauertraining geht nicht.
Versteh mich nicht falsch, ich bin ein großer Fan des PITT Systems und verwende es auch heute noch (im Wechsel mit HFT), aber dass es die Kapillardichte erhöht, ist nicht richtig. Dafür gibt es zwei Gründe. Zunächst einmal werden die Sätze beim PITT zwar tatsächlich ausgedehnt, aber nur durch den Einsatz vieler kleiner Pausen. Beim richtigen Kapillarisierungstraining werden die Wiederholungen jedoch am Stück ausgeführt, was ganz andere Anforderungen an die Kraftausdauer stellt. Zudem wird beim PITT nur ein einziger Satz pro Übung ausgeführt, was in Sachen Ausdauerbelastung bei weitem nicht an das Kapillarisierungstraining heranreicht, wo im klassischen Stil 3 Sätze a 15-25 Wdh. (am Stück) mit relativ kurzen Pausen ausgeführt werden. PITT trainiert die Hypertrophie, während Kapillarisierungstraining im Kraftausdauerbereich stattfindet.
Ob nun mithilfe von PITT Force die kapillare Vernetzung verbessert wird, hängt allerdings auch von der Ausführungsform ab. Je kürzer die Pausen, desto stärker die Ausdauerbelastung. Aber selbst dann reicht es nicht an die Effektivität gezielten Kapillarisierungstrainings heran und so oder so wird die KapillarDICHTE durch PITT Force nicht verbessert. Die Dichte ist das Verhältnis von Muskelfasern zu Kapillaren. Mit zunehmendem Muskelaufbau verringert sich demnach die Dichte – und PITT Force ist eines der besten Muskelaufbauprogramme.
Davon abgesehen gebe ich Dir auch recht: Ausprobieren sollte das am besten jeder Athlet (von Einsteigern mal abgesehen). Es ist und bleibt ein richtig gutes System.