In der Welt der Fitness und Rehabilitation hat sich in den letzten Jahren ein Gerät einen festen Platz erobert: die Massagepistole. Dieses kompakte, handliche Gerät verspricht schnelle Erholung, Schmerzlinderung und verbesserte Leistungsfähigkeit. Doch welche Wirkungsmechanismen stecken eigentlich dahinter und können die versprochenen Wirkungen einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten?

Die Wirkungsmechanismen: Vibration und Perkussion

Der Schlüssel zur Wirksamkeit der Massagepistole liegt in ihrer Fähigkeit, zwei physikalische Prinzipien zu kombinieren:

1. Vibration:  Schnelle Vibrationen dringen tief ins Muskelgewebe ein und sollen Verspannungen lösen können.

2. Perkussion: Zusätzlich zur Vibration übt der Aufsatz einen rhythmischen, stoßartigen Druck aus. Sie wirken wie eine intensive Tiefenmassage.

Die physiologischen Effekte

Spannend ist nun die Frage, welche konkreten physiologischen Auswirkungen die physikalischen Mechanismen der Massagepistole haben können. 

1. Durchblutungsförderung: Die mechanische Stimulation erweitert die Blutgefäße (Vasodilatation), was den Blutfluss im behandelten Bereich erhöht. Mehr Blut bedeutet mehr Sauerstoff und Nährstoffe für die Muskeln und damit potentiell eine bessere Regeneration. 

2. Aufbrechen von Narbengewebe: Manche Therapeuten vertreten die Ansicht, dass durch intensives Training Narbengewebe zwischen den Muskelfasern und dem umliegenden Bindegewebe entstehen kann, welches zu Beweglichkeitseinschränkungen und Schmerzen führen kann. Die Perkussionen sollen helfen, Narbengewebe aufzubrechen und damit die Beweglichkeit zu verbessern. Es muss allerdings gesagt sein, dass diese Theorie unbestätigt ist und zum aktuellen Standpunkt einer wissenschaftlichen Hinterfragung nicht standhält. Für die angebliche Vernarbung des Bewegungsapparates durch Sport gibt es bisher keinen Beleg und sie erscheint auch unwahrscheinlich, wenn man die nachgewiesenen positiven Effekte auch intensiveren Sports betrachtet.

3. Lösen von Verklebungen: Eine weitere Theorie besagt, dass infolge der Einschränkung des Lymphflusses, zum Beispiel durch intensive Workouts oder auch einem Mangel an Bewegung, Gerinnungsprozesse einsetzen, die das in der Lymphflüssigkeit enthaltenen Fibrinogen in Fibrin, einem Klebstoff, umwandeln. Dadurch wird die Gleitfähigkeit von Muskel- und Bindegewebe eingeschränkt. Auch diese Theorie ist noch nicht bestätigt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die geförderte Durchblutung infolge der Nutzung einer Massagepistole dabei helfen kann, Verklebungen zu lösen und vorzubeugen.

4. Schmerzreduktion: Vibration und Perkussion stimulieren Mechanorezeptoren, die sich in Haut, Muskeln und Bindegewebe befinden. Mechanorezeptoren wandeln Umweltreize in elektrische Signale um. Diese Signale überlagern die Schmerzsignale eines Muskels und können dadurch die Schmerzwahrnehmung reduzieren. Das weiß dein Körper übrigens auch instinktiv. Wenn es irgendwo schmerzt, dann reiben wir instinktiv an der Stelle. Die durch die Reibung verursachten Signale überlagern und reduzieren die Schmerzsignale. 

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5. Muskelentspannung: Die Stimulation der Mechanorezeptoren durch die Massagepistole führt auch dazu, dass der Muskeltonus reguliert wird. Wenn Muskeln verspannt sind und auf diese Verspannung nun weiterer Druck durch eine Massage ausgeübt wird, dann reguliert das Gehirn den Muskeltonus zum Selbstschutz herunter. Verspannungen können also tatsächlich durch Spannung gelöst wird. Dies funktioniert zum Beispiel auch bei Verspannungen im Nackenbereich durch Büroarbeit. Schultern drei Sekunden lang hochziehen und fest anspannen, danach lockerlassen. Das Ganze zweimal wiederholen. Schon ist der Nacken entspannter. 

6. Lymphdrainage: Die mechanische Stimulation fördert den Abtransport von Stoffwechselendprodukten und reduziert so Schwellungen. Das Lymphsystem wird im Gegensatz zum Bluttransport über den Herzkreislauf nicht von einer zentralen Pumpe (dem Herzen) angetrieben, sondern durch Bewegung. Deshalb beeinträchtigt Bewegungsmangel auf Dauer den Lymphfluss. Eine Drainage mittels Massage oder Massagepistole kann diesen Fluss ankurbeln und dadurch die Regeneration fördern.

Das sagt die Wissenschaft

So weit, so theoretisch. Doch welcher konkrete Nutzen konnte bisher nachgewiesen werden? 

Zur Wirksamkeit von Massagen ist die Studienlage sehr eindeutig: Massagen fördern effektiv die Regeneration und Beweglichkeit.

Doch gilt das auch für die Massagepistole?

Die Wissenschaft steckt hier noch in den Kinderschuhen und hinkt der Praxis, wo sie als Regenerationstool längst etabliert ist, hinterher. Es gibt bisher nur wenige Studien und diese auch nur in sehr überschaubarem Umfang, welche die Wirksamkeit von Massagepistolen untersuchten.

Eine auf 11 Studien basierende Meta-Analyse aus dem Jahr 2023 kam zu dem Schluss, dass Massagepistolen die Regeneration fördern und die Beweglichkeit kurzzeitig verbessern können. ​[1]​

Eine weitere Meta-Analyse aus dem gleichen Jahr (aber von einem anderen Team) führte zu dem Ergebnis, dass der Einsatz einer Massagepistole Muskelschmerzen reduzieren und Beweglichkeit, Muskelkraft und -explosivität verbessern kann. ​[2]​

Und schließlich kam im Jahr 2021 ein Review zu dem Ergebnis, dass durch die Massagepistole die Beweglichkeit in den unteren Extremitäten verbessert und Muskelkater reduziert werden kann. ​[3]​

Die verfügbaren Studien basieren allerdings derzeit nur auf einer geringen Menge von Testpersonen, die Aussagekraft hält sich daher in Grenzen. Deshalb ist der Einsatz einer Massagepistole bisher eine individuelle Abwägung. Meinen Klienten gegenüber habe ich bisher keine generelle Empfehlung ausgesprochen, sie aber dazu angeregt, es ruhig zu probieren. Bisher war das Feedback ausschließlich positiv.

Einsatzbereiche

Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die erwartbaren physiologischen Wirkungen legen den Schluss nahe, dass die Massagepistole einerseits als Teil des Warm-Ups vor dem Training und andererseits zur Regeneration nach dem Training eingesetzt werden kann.

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Unmittelbar vor dem Training dient das Tool der Verbesserung der Beweglichkeit. Dies ist vor allem dann hilfreich, wenn das anstehende Workout einerseits eine gute Beweglichkeit erfordert (zum Beispiel bei diversen Sportarten wie Fußball, Volleyball, Kampfsport, Tanzen) oder die Beweglichkeit gerade eingeschränkt ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn man früh morgens trainiert. Zudem gibt es kleinere Studien, die die Massagepistole mit einem leichten Anstieg an Kraft und Explosivität in Verbindung bringen. 

Nach dem Training dient die Massagepistole der Regeneration durch verbesserte Durchblutung und Lymphdrainage. Zudem können Schmerzen reduziert werden, was vor allem dann sinnvoll ist, wenn man ein sehr intensives Training hinter sich hat, bei dem größerer Muskelkater zu erwarten wäre. Bei mir persönlich kommt sie immer nach dem Fußball zum Einsatz, weil ich hier so richtig an meine Grenzen komme. Ich kann aus Erfahrung bestätigen, dass der Muskelkater damit deutlich reduziert wird. 

Die Massagebehandlung muss übrigens nicht unmittelbar nach dem Workout erfolgen. Es genügt auch mit ein paar Stunden Abstand. Ich selbst nutze sie abends kurz vor dem Zubettgehen. Eine Muskelkaterreduktion ist jedoch auch dann noch zu erwarten, wenn die Massage erst am nächsten Morgen erfolgt. 

Ausrüstung

Die stark zunehmende Popularität von Massagepistolen hat den erfreulichen Nebeneffekt, dass sie heute vergleichsweise schon sehr günstig zu haben sind. Allerdings geht das bei einigen Produkten auf Kosten des Bedienungskomforts und vor allem der Langlebigkeit. 

Seit etwas über einem Jahr nutze ich die C2 Massagepistole von Bob und Brad. Sehr leise, sehr leicht und kompakt, sehr gute Akkulaufzeit und bisher ist überhaupt kein Verschleiß zu erkennen, obwohl sie an fünf Tagen die Woche genutzt wird. Zudem gefällt mir der flache Hohlraumaufsatz sehr gut. 

Anwendungshinweise

Unabhängig vom gewählten Material gibt es ein paar grundlegende Sachen bei der Anwendung einer Massagepistole zu beachten.

  • Nicht auf Knochen, Gelenken, Schwellungen oder offenen Wunden anwenden (ok, da kommt man eigentlich auch selbst drauf ;))
  • Die Stellen, an denen der Muskel wehtut, sollten nur leicht behandelt werden. Bei größeren Schmerzen hilft es auch, das Gewebe im Umfeld zu massieren und die betroffene Stelle auszusparen. Bei nur leichten Schmerzen kann man sich ruhig mit niedriger Intensität an die Stelle herantasten.
  • Die Anwendung sollte nicht länger drei Minuten pro Muskelgruppe dauern. In der Regel genügen 30-60 Sekunden völlig.
  • Die Massagepistole sollte nur unterhalb vom Hals angewendet werden. Hals, oberer Nacken und Kopf sind auszusparen.
  • Tief atmen und entspannen. Das gilt umso mehr, wenn die Massagepistole als Regenerationswerkzeug eingesetzt wird. Ich kenne es von der Faszienrolle nur zu gut, dass viele dabei verkrampfen und versuchen, Verspannungen irgendwie auszupressen. Aber so funktioniert das nicht. Die Massagepistole liefert einen externen Stimulus, der den Körper dazu anregen soll, Verspannungen selbst zu lösen und den Nährstoffaustausch zu verbessern. Das funktioniert besser, wenn man sich bei der Anwendung gezielt entspannt.
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Fazit

Die Massagepistole hat sich als nützliches Werkzeug im Fitness- und Rehabilitationsbereich etabliert. Sie kombiniert Vibration und Perkussion, um tief ins Muskelgewebe einzudringen, Verspannungen zu lösen und die Durchblutung zu fördern. 

Während einige der angeblichen Vorteile, wie das Aufbrechen von Narbengewebe und das Lösen von Verklebungen, noch wissenschaftlich unbestätigt sind, zeigen bestehende Studien positive Effekte auf Regeneration, Beweglichkeit und Schmerzreduktion.

Die aktuelle wissenschaftliche Evidenz deutet darauf hin, dass Massagepistolen effektiv zur Förderung der Regeneration und kurzfristigen Verbesserung der Beweglichkeit beitragen können. Sie ist sicher nicht obligatorisch für Freizeitsportler, aber eine nützliche Ergänzung.

Quellen

  1. 1.
    Ferreira RM, Silva R, Vigário P, Martins PN, Casanova F, Fernandes RJ, et al. The Effects of Massage Guns on Performance and Recovery: A Systematic Review [Internet]. Journal of Functional Morphology and Kinesiology. MDPI AG; 2023. p. 138. Available from: http://dx.doi.org/10.3390/jfmk8030138
  2. 2.
    Sams L, Langdown BL, Simons J, Vseteckova J. The Effect Of Percussive Therapy On Musculoskeletal Performance And Experiences Of Pain: A Systematic Literature Review [Internet]. International Journal of Sports Physical Therapy. International Journal of Sports Physical Therapy; 2023. Available from: http://dx.doi.org/10.26603/001c.73795
  3. 3.
    Martin J. A critical evaluation of percussion massage gun devices as a rehabilitation tool focusing on lower limb mobility: A literature review [Internet]. Center for Open Science; 2021. Available from: http://dx.doi.org/10.31236/osf.io/j9ya8

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