Wie hast du heute geschlafen? Hoffentlich gut. Aber seien wir ehrlich: So ist es leider nicht immer. Und allzu oft muss man auch nach einer schlechten Nacht am folgenden Tag leistungsfähig und belastbar sein.

Viele greifen hier zu Koffein. Dessen Wirkung ist belegt. Doch ebenso ist bewiesen, dass es seine Wirkung mit der Zeit verliert, je öfter man es nutzt. Es bildet sich eine Toleranz aus. Schlechte Aussichten für Kaffeefreunde. 

Doch stell dir mal vor, es gäbe eine Alternative, die keine Toleranz aufbaut, die deine mentale Leistungsfähigkeit auch nach einer schlechten Nacht hochhält und gleichzeitig erwiesenermaßen deine Leistungsfähigkeit beim Sport und anderen intensiven, physischen Aktivitäten verbessert. Sozusagen ein Kopf-Körper-Kombipack. 

Die Hoffnung trägt einen altbekannten Namen: Creatin. Das Zeug, das Bodybuilder schon seit den 90ern nehmen, um ihre Muskeln aufzupumpen, kann vielleicht noch viel mehr: es könnte auch ein echter Game-Changer für dein Gehirn sein, besonders wenn du mal schlecht geschlafen hast.

Warum dein Gehirn Creatin liebt (und braucht)

Dein Gehirn ist ein Energiefresser. Obwohl es nur rund 2% deines Körpergewichts ausmacht, verbraucht es etwa 20% der Gesamtenergie deines Körpers. Jede Sekunde, jeder Gedanke, jede Entscheidung – alles kostet “ATP”, die Energiewährung deiner Zellen. Und hier kommt Creatin ins Spiel.

Das Creatinphosphat-System in deinem Gehirn funktioniert wie eine Powerbank für deine Neuronen. Wenn ATP, also Adenosintriphosphat, “verbraucht” wird, zerfällt es in Adenosindiphosphat (ADP) und setzt dabei Energie frei. Der Körper kann dieses ADP regenerieren und daraus erneut ATP machen, das dann wiederum von deinen Zellen verwendet wird. Doch dafür braucht es das bereits angesprochene Creatinphosphat-System. Dieses liefert dem ADP die benötigte Phosphatgruppe, um daraus erneut ATP machen zu können. 

Dieser Regenerationsprozess läuft signifikant schneller als deine normale Energieproduktion ab, weshalb ein gut gefüllter Creatinspeicher auch dazu führt, dass du beim Sport länger durchhältst. Das ist der Unterschied zwischen einem stotternden Motor und einem, der auf Hochtouren läuft.

Die Schlafentzug-Studie, die alles veränderte

2024 veröffentlichten Forscher in Nature Scientific Reports eine in Deutschland durchgeführte Studie, die zeigt, was Creatin wirklich kann. Sie gaben 15 Probanden, im Mittel 23 Jahre alt, eine einzige hohe Dosis Creatin (0,35g pro kg Körpergewicht – etwa 25g für eine 70kg schwere Person) und ließen sie dann 21 Stunden wach bleiben. Diesen Test wiederholten sie auch mit einem Placebo.

Das Ergebnis? Bei der Einnahme von Creatin schnitten die Probanden bei kognitiven Tests signifikant besser ab. Im Schnitt um 10% beim Wortgedächtnis und um 29% bei der Sprachverarbeitung. Die Messungen wurden auch durch Gehirnscans begleitet, die zeigten, dass Creatin infolge der Einnahme tatsächlich auch im Gehirn ankam und dort die Energiereserven und somit die Leistungsfähigkeit schützen und wiederherstellen konnte. 

Hinweise auf positive Auswirkungen einer Creatinsupplementierung auf die Gehirnfunktion und Leistungsfähigkeit insbesondere im Kontext unzureichenden Schlafs gibt es schon seit einer 2006 veröffentlichten Studie, werden aber durch neuere Studien weiter untermauert. 

In einer Studie aus dem Jahr 2021 wurde die Datenlage von Creatinsupplementierung speziell für Frauen ausgewertet, die signifikant geringere Speicherkapazitäten als Männer aufweisen. Auch hier zeigten sich positive Auswirkungen auf das Energielevel des Gehirns. 

Die Alters-Überraschung

Je älter du bist, desto mehr scheint dein Gehirn von Creatin zu profitieren. Eine Meta-Analyse aus 2022 fand heraus, dass Menschen über 65 einen deutlich stärkeren Effekt auf ihr Gedächtnis hatten als jüngere Erwachsene, für die es keinen signifikanten Effekt gab.

Es ist nicht überraschend, dass Creatin keine signifikante Wirkung auf die Gedächtnisleistung von jungen Erwachsenen hat (außer im Kontext von Schlafentzug), da das Gedächtnis im Normalfall mit 20 Jahren noch optimal funktionieren sollte. 

Doch die starken Effekte auf die Gedächtnisleistung älterer Menschen könnte darin begründet sein, dass mit dem Alter die körpereigene Creatinproduktion sinkt, weshalb eine Supplementierung größere Auswirkungen entfalten kann. 

Sicherheit: Die Fakten

Creatin ist eines der am besten untersuchten Supplements überhaupt. Über 680 Studien mit mehr als 12.000 Teilnehmern zeigen ein sehr gutes Sicherheitsprofil auch bei langfristiger Einnahme

Die häufigsten „Nebenwirkungen“? Eine leichte Gewichtszunahme von 0,5-1kg (das ist zumeist Wasser in den Muskeln, kein Fett) und bei manchen Menschen leichte Magenprobleme, wenn sie zu viel auf einmal nehmen. Die Lösung in solchen Fällen: Kleinere Dosen über den Tag verteilen oder mit einer Mahlzeit einnehmen. Das gilt eigentlich für alle Ergänzungsmittel – zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen wirken sie am besten, weil Nährstoffe im Körper nie isoliert agieren. 

Ach, und der Mythos vom Nierenschaden? Wissenschaftlich widerlegt. Ja, dein Kreatinin-Wert kann im Blutbild steigen – aber das ist nur ein Abbauprodukt von Creatin und zeigt in diesem Kontext keine Nierenschädigung an.

Die Dosierungsfrage: Wie viel, wie oft, wie lange?

Vergiss die komplizierten Loading-Protokolle aus den 90ern. Die Wissenschaft hat es für uns inzwischen vereinfacht:

Für den Alltag: 3-5g täglich, jeden Tag. Das war’s. Nach etwa 4 Wochen sind deine Speicher voll. Eine dauerhafte Einnahme ist entsprechend der wissenschaftlichen Daten sicher und die positiven Auswirkungen aufs Kraft- und Ausdauertraining sowie diverse anspruchsvolle Sportarten sind hervorragend belegt. 

Bei akutem Schlafmangel: Hier darfst du durchaus höher dosieren. Die Nature-Studie verwendete 0,35g pro kg Körpergewicht als Einzeldosis – also etwa 25g für eine 70kg schwere Person. Konventionellere Empfehlungen liegen im Bereich 10-20 g an solchen Tagen. Das ist eigentlich nur für Ausnahmesituationen gedacht, aber die Einnahme von bis zu 30 g täglich für bis zu 5 Jahre gilt laut der International Society of Sports Nutrition als sicher. 

Für Schichtarbeiter: 5-10g täglich könnten dir helfen, deine Leistungsfähigkeit zu stabilisieren (mindestens 0,1g pro kg Körpergewicht). Creatin ist hier eine nicht-stimulierende Alternative zu Koffein, bei der sich keine Toleranz ausbildet. Koffein verliert mit der Zeit seine Wirkung. Creatin nicht. 

Die Qualitätsfalle

Hier kommt der Haken: Creatin wirkt, aber nur, wenn auch wirklich Creatin drin ist. Kürzlich hat eine Untersuchung von Creatine gummies auf Amazon für Furore gesorgt. 4 von 6 untersuchten Produkten enthielten schlicht kein Creatin. Vergleichbar abenteuerliche Ergebnisse lieferte die brasilianische Abenutri-Analyse 2024: 88 Marken wurden getestet und 18 fielen durch  – 10 von den durchgefallenen Marken enthielten überhaupt kein Creatin.

In Deutschland scheint die Qualität im Allgemeinen besser zu sein, wie eine sächsische Untersuchung aus dem Jahr 2019 andeutet. Aber wer absolut sichergehen will, ein hochwertiges Produkt zu kaufen, hat eine einfache Lösung: Das deutsche Creapure-Siegel. Das garantiert, dass die Reinheit jeder Charge getestet wurde und mindestens 99,99% beträgt. 

Der Preis erwiesen hochwertiger Produkte fällt normalerweise auch höher aus, weil sie ständig getestet werden, aber bei Supplementen, die man täglich nimmt, ist Qualität in meinen Augen weniger Luxus als vielmehr Notwendigkeit.

Ich nutze aktuell Creatin Monohydrat von Biogena. Da ist das Creapure Siegel dabei und das Produkt steht auch auf der Kölner Liste, das heißt, die Reinheit ist auch für Profisportler belegt. Ein 3 g Stick pro Tag genügt mir. Wenn ich mal schlecht geschlafen habe und trotzdem funktionieren muss, weil Termine anstehen, dann nehme ich 3-4 der Sticks über den Tag verteilt. 

Das Fazit

Creatin ist wohl mehr als nur ein Muskel-Supplement. Neuere wissenschaftliche Daten deuten darauf hin, dass es sich hier um ein Tool gegen Müdigkeit handeln könnte, das besonders bei Schlafmangel, Erschöpfung und im Alter seine Stärken ausspielen kann. Mit 3-5g Creatin Monohydrat täglich und gelegentlich etwas höheren Dosierungen bei schlechtem Schlaf bist du gemäß Langzeitdaten auf der sicheren Seite. Muskeln und Training profitieren garantiert und das Gehirn womöglich auch.

Nur eines muss dir dabei klar sein: Creatin ist kein Ersatz für Schlaf. Genauso wenig übrigens wie Koffein. Wenn du ständig müde und unausgeschlafen bist, lohnt sich zuallererst ein Blick auf deine Schlafgewohnheiten. Doch auch die besten Gewohnheiten funktionieren nicht immer.