Einen guten, zielführenden, effektiven Trainingsplan zu erstellen, ist eine Kunst für sich. Man muss fundamentale Trainingsprinzipien einfließen lassen und die Auswahl der Methodik, Übungen und Parameter auf die individuellen Bedürfnisse eines Athleten abstimmen. Auf der einen Seite gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten für die Gestaltung eines erfolgreichen Trainingsplanes, auf der anderen Seite aber noch wesentlich mehr Optionen ihn zu versauen.

Da sich die wenigsten Athleten einen Personal Trainer leisten können oder wollen, müssen die individuellen Anpassungen selbst vorgenommen werden und dafür ist es von großer Bedeutung, grundlegende Zusammenhänge zu kennen und zu wissen, was eine Veränderung der einzelnen Faktoren (wie Methodik, Übungen und Parameter) bewirkt.

Es handelt sich hierbei um einen sehr großen Wissenskomplex, den zu überblicken viele Jahre an Erfahrung und Informationsbeschaffung erfordert. Glücklicherweise lassen sich die vielen detailreichen Zusammenhänge auf wenige wesentliche Zusammenhänge und Prinzipien herunterbrechen und vereinfachen. Zu diesen grundlegenden Überlegungen gehört auch die Frage nach der Trainingsaufteilung. Trainiert man jede Körperpartie einzeln, teilt man sie auf Basis-Bewegungen auf ( wie Drücken und Ziehen ) oder trainiert man gleich den ganzen Körper?

Die Frage, ob Split- oder Ganzkörpertraining, wird in der Fitnesswelt heiß diskutiert. Wie so oft in der Szene, ist das Problem dabei, dass beide Wege letztlich zum Ziel führen können. Die entscheidende Frage lautet also: Welche Trainingsaufteilung eignet sich für dich am besten?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns ansehen, welche Vor- und Nachteile beide Methoden bringen und unter welchen Bedingungen sie die bestmöglichen Erfolge fabrizieren können. Mit diesem Artikel hoffe ich für dich ein bisschen Klarheit in diese fundamentale Frage bringen zu können, um dir dabei zu helfen, möglichst viel Ertrag aus deinen Trainingsbestrebungen ziehen zu können.

Die Erfindung des Split-Trainings

Wenn Du schon ein bisschen auf Simply Progress oder in einem meiner Bücher gelesen hast, wird dir nicht entgangen sein, dass ich ein großer Freund des Ganzkörpertrainings bin. Aber warum halte ich das Ganzkörpertraining gegenüber dem Split-Training in den meisten Fällen für überlegen?

Nun, lass uns zunächst einmal überlegen, warum es überhaupt dazu kam, Split-Training einzusetzen. In früheren Zeiten gab es nämlich nur Ganzkörpertraining, weil es auch aufgrund der zur Verfügung stehenden Übungen die natürlichste und nächstliegende Trainingsform war. Irgendwann jedoch verbreitete sich der Körperkult und die Möglichkeiten wuchsen. Neue Übungen, die einzelne Muskeln gezielt ansprechen konnten, wurden erfunden. Der Sport bekam durch Wettkämpfe wie den Mr. Olympia eine professionelle Komponente. Die Chemiekeule wurde größer – ebenso wie die Muskeln. Je größer die Muskeln werden, desto schwieriger wird es, sie weiter zum Wachsen zu animieren. Das heißt, es wird mit der Zeit deutlich mehr Arbeit nötig, um noch nennenswerte Wachstumsreize setzen und den Körper zur Adaption (Muskelaufbau) zwingen zu können. Die Spannung auf einzelne Muskeln muss gezielt erhöht werden.

Man muss also wesentlich mehr Übungen ausführen, die einzelne Muskeln isoliert ansprechen, und ein insgesamt größeres Pensum absolvieren – mehr Sätze, mehr Wiederholungen, mehr Übungen oder mehr Intensität (z.B. mittels Intensitätstechniken).

Wie aber lässt sich das mit Ganzkörpertraining vereinbaren? Wie lange sollte denn dann ein einzelnes Workout dauern? 5 Stunden? Wer hat die Energie, so lange am Stück auf hohem Niveau trainieren zu können? Wie oft in der Woche oder gar im Monat kann man wohl solche Monster-Sessions durchhalten?

Mit Ganzkörpertraining ließ sich dies nicht realisieren. Die Lösung des Problems? Natürlich, man teilt die einzelnen Muskelpartien auf verschiedene Tage auf und kann sie dadurch ordentlich durchnudeln und ihnen trotzdem ausreichend Zeit zur Regeneration einräumen.

Was ich damit sagen will? Split-Training ist eine Erfindung des Profi-Sports. Es ist eine Methode, die in erster Linie für sehr weit fortgeschrittene Athleten und in noch höherem Maße für diejenigen, die mit „kleinen“ Mittelchen nachhelfen, gedacht ist.

Genau an dieser Stelle liegt ein großes Problem der Fitnessbranche. Man sieht einen ultra-muskulösen Typen in einem Interview in einer Zeitschrift, wie er davon erzählt, was er so isst, welche Supplemente er nimmt und wie genau er trainiert. Man bekommt seinen ganzen Trainingsplan und denkt sich: „Der Typ hat es geschafft, so wie er aussieht, will ich auch aussehen“. Da macht es doch Sinn, einfach seinen Plan zu übernehmen, oder?

Nope, sorry. Was dabei nämlich vernachlässigt wird, ist der größte Teil des Weges, den dieser Sportler zunächst einmal zurücklegen musste, um da hinzukommen, wo er aktuell steht. Kein Weg über Wochen und Monate, sondern über viele Jahre und teilweise gar Jahrzehnte hinweg. Die körperlichen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten sind bei sehr weit fortgeschrittenen Sportlern vollkommen andere als bei Anfängern und semi-fortgeschrittenen Athleten, die wahrscheinlich 99% der Fitnesswelt ausmachen. Dazwischen liegen Welten.

Die Unterschiede zwischen Profis und Normalos

Fangen wir mit dem Wachstumspotenzial an. Normalsportler haben wesentlich mehr Luft nach oben und bauen deshalb deutlich leichter Muskeln und Kraft auf. Das ist kein Geheimnis. Je länger Du trainierst, desto schwieriger wird es, Fortschritte zu erzielen. Wenn also ein durchschnittlicher Athlet Klimmzüge absolviert, bekommt er seinen Bizeps hervorragend zum Wachsen. Der weit fortgeschrittene Athlet hingegen muss sich noch etwas mehr einfallen lassen, eine größere Spannung auf die Arme legen, sie härter attackieren. Für ihn sind also zusätzliche Übungen wie Curls notwendig.

Warum aber sollte der Normalathlet zusätzlich Curls ausführen? Um noch größere Fortschritte zu erzielen? So funktioniert das nicht und damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Ohne zusätzliche Mittel und mit einem Körper, der an große Belastungsvolumen und -intensitäten nicht gewöhnt ist, können sehr große Wachstumsreize gar nicht wirklich verarbeitet werden. Das einzige, was passiert, ist, dass der Körper eine sehr lange Zeit benötigt, um die großen Schäden zu reparieren. Mit etwas Pech kommt es infolge der Überlastungen sogar zu kleineren oder größeren Verletzungen.

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Wäre es dann nicht wesentlich besser, kleinere Wachstumsreize zu setzen und dafür häufiger zu trainieren? Eindeutig, und zwar aus einem Grund: Die Regenerationszeit nimmt mit zunehmender Nähe zum Muskelversagen exponentiell zu.

Je weiter Du zum Muskelversagen vordringst oder sogar darüber hinaus gehst, desto weniger Wachstumsreize wirst Du im Endeffekt setzen können. Beim Muskelversagen wird der Muskel nämlich von der Nährstoffzufuhr abgeschnitten während Abfallstoffe nicht abtransportiert werden können. Die Schäden nehmen dann deutlich stärker zu, nämlich eher exponentiell denn linear. Mit der Regenerationszeit verhält es sich dann natürlich ebenso: Sie nimmt deutlich stärker zu.

Wenn Du smart trainierst, also Wachstumsreize setzt, ohne den Muskel dabei zu zerschießen, wirst Du nach dem Training nicht nur in der Lage sein, heruntergefallene Gegenstände aufzuheben, sondern kannst sogar deinen gesamten Körper täglich trainieren.

Für viele Athleten ist das unvorstellbar, aber nur, weil sie in der „No Pain, No Gain“ Vorstellung gefangen sind. Spätestens seit Christian Zippels Werk zum Hochfrequenztraining macht allerdings auch hierzulande die Erkenntnis die Runde, dass dies nicht der einzige und in Sachen Effektivität in der Regel auch nicht der beste Weg ist.

Unterm Strich heißt das also, dass dein Körper, so Du kein sehr weit fortgeschrittener oder gar professioneller Athlet bist, mit der hohen Intensität und dem in einzelnen Einheiten hohen Volumen eines Split-Trainingsplans aus dem Profi-Bereich gar nicht zurecht kommen kann. Selbst wenn Du dich „perfekt“ ernährst, wird er die einzelnen Nährstoffe nicht in ausreichendem Maße nutzen können, dass der Einsatz einer solchen Methode sinnvoll wäre.

Die Split-Technik vermag dir also das Gefühl zu geben, mehr zu trainieren. Im Endeffekt kann aber genau das Gegenteil der Fall sein. Vielleicht bist Du häufiger im Gym – effektive Wachstumsreize für einzelne Muskeln setzt Du aber eher weniger. Bei den meisten Profi-Plänen wird jede Muskelgruppe nur ein einziges Mal in der Woche trainiert. Das ist für die große Mehrheit aller Athleten ein großes Problem, denn neben dem Aufbau von Muskelmasse kannst Du auch durch die Verbesserung der Koordination stärker werden, also wenn Du deinen Muskelgruppen und einzelnen Muskelfasern beibringst, besser zusammenzuarbeiten.

Wie verbesserst Du dieses Zusammenspiel, die Koordination? Durch Übung. Je häufiger Du übst, desto besser vermagst Du deine Muskeln zu beherrschen und entsprechend der jeweiligen Bewegung zu koordinieren! Um demnach durch verbesserte Koordination stärker zu werden, ist es wichtig, möglichst häufig trainieren – das ist unter anderem die Grundidee beim „Greasing the Groove“-System von Pavel Tsatsouline.

Aufmerksame Simply Progress Leser wissen bereits: Je besser deine Koordination, desto eher baust Du Muskeln auf.

Wenn Du eine Übung nämlich schlecht koordinieren kannst, gibt es für den Körper keine Notwendigkeit, Muskelmasse aufzubauen. Er kann ganz einfach die Koordination optimieren, um der Herausforderung beim nächsten Mal besser gewachsen zu sein – und spart dadurch wertvolle Energie, die für den Aufbau und Erhalt von Muskelmasse in großer Menge benötigt werden würde.

Für einen Profi ist das nicht so wichtig, weil er die einzelnen Übungen über die vielen Jahre Trainingserfahrung längst perfekt beherrscht. Er kann also auch sehr gut Muskelmasse aufbauen, wenn er einzelne Muskeln weniger häufig belastet. Genauer gesagt ist das in gewissem Maße für ihn auch notwendig, wenn er seine Muskeln mit hoher Intensität trainieren will, was er tun muss, wenn er weiter an Masse zu legen will – da sprechen wir allerdings von extrem weit fortgeschrittenen Bodybuildern.

Zusammenfassung

Fassen wir ein paar der wichtigsten Unterschiede zwischen Spitzensportlern und Normalos noch einmal kurz zusammen:

  • Normale Athleten bauen wesentlich leichter Muskelmasse und Kraft auf
  • Normale Athleten können die riesigen Reize durch viele Übungen für einzelne Muskeln nur ineffizient verarbeiten und unterliegen dabei einer hohen Verletzungsgefahr
  • Normale Athleten sollten häufiger trainieren, um die Koordination zu verbessern

Es gibt natürlich noch viele weitere Unterschiede, doch für unsere Zwecke reicht das zunächst. Nun können wir das auf die Praxis anwenden und die Frage nach Split- oder Ganzkörpertraining beantworten.

Warum Ganzkörpertraining meistens die besseren Ergebnisse liefert

Mit den zuvor aufgelisteten Unterschieden zwischen durchschnittliche und weit fortgeschrittene Athleten haben wir der Verwendung von Split-Training eigentlich schon im Wesentlichen seine Begründung genommen. Trotzdem sollten wir uns vor Augen führen, welche Vorteile das Ganzkörpertraining birgt. Denn im Anschluss daran werden wir noch besprechen, dass es trotz zuvor geäußerter Kritik tatsächlich sinnvolle Einsatzmöglichkeiten außerhalb des Profisports für Split-Training gibt.

Der Körper als Einheit

In seiner natürlichen Funktionsweise arbeiten viele verschiedene Muskeln des Körpers zusammen, weil die für ihn natürlichen Bewegungen wie Rennen, Heben, Beugen, Ziehen und Drücken komplex sind. Der Körper ist also darauf ausgelegt, im Verbund zu arbeiten. In der Natur werden einzelne Muskeln extrem selten weitestgehend isoliert gefordert.

Im Training gilt es deshalb den Körper möglichst auch im Verbund zu fordern. Erst dann ergeben sich die wachstumsfördernden Synergieeffekte, erst dann entwickelt sich der Körper weitestgehend ausgewogen. Wer den Körper isoliert trainiert, wird ihn unter anderem aufgrund der unausgewogenen Belastung von Haupt- und stabilisierenden Nebenmuskeln stets unausgewogen entwickeln. Es ergeben sich muskuläre Dysbalancen, die ein großes Verletzungspotenzial birgen.

Ich werde in einem anderen Artikel nochmal genauer erklären, warum Verbundübungen den Isolations- und Maschinenübungen überlegen sind. Hier aber reicht es zu vermerken, dass dem so ist und der Körper möglichst im Verbund, also schwerpunktmäßig mit den wichtigsten Grundübungen, belastet werden sollte – während Isos und Co. lediglich eine sinnvolle Ergänzung darstellen (können).

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Zu den Grundübungen zählen in erster Linie:

  • Kniebeugen (mit Varianten)
  • Kreuzheben (mit Varianten)
  • Klimmzüge
  • Langhantelrudern
  • Klassisches Drücken
  • Dips
  • Bankdrücken
  • Liegestütze

Es gibt weitere wichtige Übungen, aber die hier aufgelisteten gehören für uns Kraftsportler zu den fundamentalsten.

Nehmen wir nun als Beispiel meine Lieblingsübung, das Klassische Drücken. Welche Muskeln trainiert das Klassische Drücken? Okay, wie der Name schon hergibt, zählt das Klassische Drücken zu den Drück-Übungen. Also trainiert es definitiv Trizeps und Schultern.

Wer diese anspruchsvolle Übung allerdings mit der (zugegebenermaßen selten anzutreffenden) richtigen Technik ausführt, beansprucht den gesamten Körper! Die Beine müssen einen festen, stabilen Stand bilden, Bauch und Po müssen die Hüfte nach vorne drücken, um den Oberkörper leicht nach hinten lehnen zu können, und den Oberkörper dabei in gerader Haltung unter schweren Lasten stabilisieren. Rücken, Rotatorenmanschetten und Unterarme sind im hohen Maße an der Bewegung beteiligt. Ebenso Bizeps und obere Brust sowie eine Unzahl an kleinen Stabilisationsmuskeln.

Wo also ordnen wir das Klassische Drücken ein? Am Schultertag? Am „Push“-Tag? Beim Oberkörpertraining?

Eine Übung, die den ganzen Körper belastet und fordert, kann man eigentlich in keine dieser Schubladen zweifelsfrei einordnen. Ähnliches gilt für andere Grundübungen wie Kniebeugen und Kreuzheben. Man darf auch nie vergessen, dass sich die Kraftleistung sofort vergrößert, wenn man weitere Muskeln, darunter zu Stabilisationszwecken die Gegenspieler, aber auch gänzlich andere wie beispielsweise die Beine beim Bankdrücken, bewusst anspannt und in die Bewegung einbezieht – dieser Effekt der „Spannungsübertragung“ nennt sich Hyper-Irradiation.

Versteh mich nicht falsch: Man kann durchaus sinnvolle Split-Pläne erstellen, auch wenn die Muskeln dann in Form sogenannter Synergisten auch außerhalb des eigentlichen Trainingstages belastet werden. Aber es ist schon ziemlich naheliegend in einer Einheit einfach den ganzen Körper zu trainieren, wenn man bei den Grundübungen im Prinzip ohnehin alle Muskeln benötigt.

Beschränkung auf das Wesentliche

Trainiert man in jeder Einheit den gesamten Körper, beschränkt man sich automatisch auf die wichtigsten, effektivsten und effizientesten Übungen, nämlich die bereits aufgelisteten Grundübungen.

Der Grund dafür liegt in der schlichten Tatsache, dass man nur begrenzt Zeit und Energie zur Verfügung hat. Wenn man schon schweres Kreuzheben, Klassisches Drücken und Klimmzüge absolviert hat, wird man nicht mehr allzu viel Power für diverse Schnickschnack-Übungen wie Kickbacks und Butterflys übrig haben. Klar kann und sollte man mit zunehmender Trainingserfahrung am Ende solcher Ganzkörpereinheiten auch gezielt Schwächen angehen, aber aus Erschöpfungs- und Zeitgründen wird sich ein solches Fenster normalerweise auf 10 bis 20 Minuten beschränken.

Unterm Strich: Durch das Ganzkörpertraining setzt Du den Trainingsschwerpunkt nahezu automatisch auf die wichtigen Grundübungen.

Größere Effizienz

Neben der Tatsache, dass Du dich nicht in vergleichsweise unwichtigen Übungen verlierst, ist das Ganzkörpertraining auch deutlich effizienter als Split-Training. Dieser Punkt gehört eng zu dem vorherigen, denn letztlich sind auch die Grundübungen hochgradig effizient. Darüber hinaus aber reicht es beispielsweise, an drei Tagen in der Woche ins Studio zu gehen.

Diese Möglichkeit besteht auch beim Split-Training, nämlich beim ziemlich weit verbreiteten „Push-Pull-Leg“-Split, bei dem der ersten Einheit Drück-, in der zweiten Zug- und in der dritten Beinübungen absolviert werden.

Wir haben oben schon besprochen, warum das für die meisten Athleten eher unsinnig ist. Und mal ehrlich: Glaubt wirklich jemand, dass dieser Split bessere Ergebnisse bringt als drei Ganzkörpereinheiten? Okay, manch einer glaubt das schon. Aber würde dieser jemand das auch glauben, wenn man ihn vor eine enorm wichtige (hypothetische!) Wahl stellen würde? Was würde er tun, wenn man seine Liebsten entführt hätte und er sie nur retten könnte, wenn er sich beispielsweise in einem Monat beim Kniebeugen um 30 kg, beim Bankdrücken um 20 kg und bei Klimmzügen um 5 Wiederholungen steigern könnte. Würde er wirklich nur jede Körperpartie einmal die Woche bearbeiten? I doubt that.

Festhalten können wir also, dass Ganzkörpertraining deutlich effizienter ist. Man muss nicht so oft ins Studio, trainiert schwerpunktmäßig effizientere Übungen und erzielt trotzdem hervorragende Fortschritte.

Für wen eignet sich Ganzkörpertraining?

Definitiv schonmal für Anfänger. Wir haben bei den Unterschieden zwischen durchschnittlichen Athleten und Spitzensportler schon besprochen, dass erstere mit den großen Reizsetzungen durch mehrere Übungen für einzelne Muskeln beim Split-Training nicht viel anfangen können – der Körper ist noch nicht in der Lage, sie ordentlich und mit ausreichender Effizienz zu verarbeiten. Dies gilt natürlich umso mehr für Anfänger. Wer also gerade ins Training einsteigt, sollte definitiv einen großen Bogen um alle Splits machen und Ganzkörpertraining betreiben!

Darüber hinaus können aber mittels Ganzkörpertraining auch so gut wie alle anderen Athleten große Erfolge erzielen. Häufig wird empfohlen, mit zunehmender Trainingsdauer (und wir sprechen hier von Monaten, nicht Jahren) verstärkt auf Splits zu setzen. Aber auch das ist vollkommen unnötig. Man kann mit drei Ganzkörpereinheiten die Woche über einen sehr langen Zeitraum hinweg sehr gute Ergebnisse erzielen, weil es bei der Art und Weise der Ausführung der einzelnen Workouts viel Variations- und Intensivierungsspielraum gibt.

Zudem lässt sich das Ganzkörpertraining auch auf andere Weise an den Trainingsfortschritt anpassen, nämlich indem man schlicht die Frequenz erhöht, also häufiger trainiert – bis hin zu 5 oder 6 Einheiten in der Woche! (Spitzenathleten trainieren durchaus auch mehrmals am Tag den gesamten Körper, aber wir reden ja hier vom Amateur-Niveau)

Es gibt hier sehr viele Möglichkeiten und wer wirklich glaubt, Ganzkörpertraining sei nur für Anfänger, versteht nicht viel davon.

Drehen wir die Frage nun aber einmal um: Für wen eignet sich Ganzkörpertraining nicht?

Eher ungeeignet ist es in erster Linie für sehr weit fortgeschrittene, sehr muskulöse Athleten, die noch mehr Muskelmasse aufbauen wollen. Gewichtheber und Powerlifter profitieren weiterhin vom Ganzkörpertraining, einfach weil sie die Trainingsfrequenz mit der Zeit erhöhen. Bei Bodybuildern mit sehr großen Muskeln sieht die Sache allerdings anders aus. Sie müssen, wie schon zuvor erklärt, mehr auf Isolationsübungen und höhere Intensitäten setzen. Für sie ist Ganzkörpertraining ungeeignet!

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Eine weitere Einschränkung gibt es für durchschnittliche Athleten, die außerhalb des Krafttrainings noch andere Sportarten betreiben. Wer beispielsweise drei- oder viermal die Woche Fußball spielt, wird seine Beine wahrscheinlich überfordern, wenn er zusätzlich noch drei Ganzkörpereinheiten in der Woche ausführen würde. Er müsste also sein Beintraining etwas zurückfahren, während beispielsweise die Oberarmmuskeln vom Fußballtraining kaum beeinflusst werden und daher auch häufiger trainiert werden können. Hier würde sich natürlich ein Split anbieten. Womit wir auch schon beim abschließenden Thema wären.

Die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten des Split-Trainings

Das Split-Training ermöglicht eine variable Aufteilung der zu trainierenden Muskulatur. So kann man beispielsweise Schwerpunkte setzen oder auch um Einschränkungen/Verletzungen herum trainieren. Zudem ermöglicht das Split-Training eine größere Übungsvielfalt. Das ist per se kein wirklicher Vorteil, weil es zunächst wichtiger ist, sich auf die wenigen Basisübungen zu konzentrieren und sie perfekt koordinieren zu lernen (das dauert mehr als ein paar Wochen oder Monate). Die größere Übungsvielfalt wird dann aus trainingstechnischer Sicht zum Vorteil, wenn die Muskeln schon sehr groß sind und mehr Abwechslung und intensivere Reize benötigen, um weiter wachsen zu können. Zudem lassen sich auf diese Weise Details besser herausarbeiten, was besonders für Bodybuilder wichtig ist. In diversen Bodybuilding-Magazinen liest man an dieser Stelle häufig Sachen wie „die Muskeln aus verschiedenen Winkeln attackieren“. Dadurch lassen sich einzelne Muskelköpfe (der Trizeps besteht beispielsweise auf drei Teilen) stärker betonen.

Vergiss aber an dieser Stelle bitte nicht: Das ist für sehr weit fortgeschrittene Athleten!

Alle anderen brauchen das nicht, weil man auch beim Ganzkörpertraining gezielt Schwächen ansprechen kann, zum Beispiel indem man zum Ende eines Workouts ein 10-15 minütiges „Freie Wahl“-Fenster einkalkuliert, das unter anderem den Rahmen für gezielte Isolations- und Maschinenübungen zu bieten vermag. So geschehen beispielsweise bei den Trainingsplänen des von mir verfassten Adonis-Guides.

Nichtsdestotrotz geht es beim Training nicht immer um die aus trainingstechnischer, also theoretischer, Sicht beste Möglichkeit. Es geht – und das müssen Autoren, Blogger und Trainer meiner Meinung nach stets mit der nötigen schwerpunktmäßigen Gewichtung einkalkulieren – in erster Linie um Motivation. Sie ist der Schlüssel, um langfristig am Ball zu bleiben! Das bedeutet, wir Athleten müssen eine Leidenschaft für den Sport entwickeln und dafür ist es eine Notwendigkeit, ab und zu auch einfach nur Spaß zu haben! Klar wird man sich nicht bei jedem Workout einen Keks freuen. In der Realität ist es sogar so, dass auf jedes geile Workout mindestens ein wirklich mieses Workout kommt. Aber über einen längeren Zeitraum hinweg braucht es immer wieder diese Momente, in denen man einfach unglaublich glücklich ist zu trainieren. Diese Momente entstehen beispielsweise wenn man im Flow trainiert, einen neuen Rekord erzielt, eine geliebte Übung absolviert oder sogar wenn man bestimmte Muskeln (bei Männer sind es meist die Arme) brennen spürt.

Man könnte problemlos mehrere Bücher zum Thema Trainingsmotivation schreiben, aber ich denke wir sind uns alle einig, dass die Abwechslung definitiv ein ganz entscheidender Punkt ist und durch die Übungsvielfalt erfährt man beim Split-Training eine deutlich größere Abwechslung als beim Ganzkörpertraining. Es hilft also dabei, Spannung und Laune hochzuhalten!

Unterm Strich gibt es drei wesentliche Anwendungsmöglichkeiten für das Split-Training:

  • Für sehr weit fortgeschrittene Athleten, die mehr Muskeln aufbauen oder Details herausarbeiten wollen
  • Für Athleten, die aufgrund der äußeren Bedingungen (Termine, Verpflichtungen und besonders andere Sportarten) in der Trainingsplanung so eingeschränkt sind, dass ein Ganzkörperplan keine Vorteile mehr bieten würde
  • Als Abwechslung zum Ganzkörpertraining, um dem Körper und Geist neue Reize zu verschaffen

Du siehst, trotz meiner Loblieder auf das Ganzkörpertraining, kann auch die Split-Methode sinnvoll eingesetzt werden. Sie kann besonders mit zunehmender Trainingserfahrung eine gute Rolle in deinen Trainingsbestrebungen spielen. Die dabei für die meisten Sportler wichtigsten Aufteilungen sind 2er- oder 3er-Splits. Beispiele dafür wären die Klassiker Oberkörper/Unterkörper, Push/Pull und Push/Pull/Beine. Zudem ist auch das German Volume Training, eines der wahrscheinlich effektivsten Muskelaufbau-Programme, ein Vertreter des Split-Trainings. Auch wenn ich allen Athleten aufgrund der im Verlaufe des Artikels aufgelisteten Vorteile nahelege, nach Möglichkeit vorrangig mit Ganzkörperplänen zu arbeiten, gibt es unter bestimmten Umständen oder auch nur zu Abwechslung (Variation der Methode) sinnvolle Einsatzmöglichkeiten des Split-Trainings.

Unterm Strich bleibt die alte Weisheit bestehen: Viele Wege führen nach Rom. Das heißt, Du wirst keinen ultimativen Plan, keine ultimative Methode finden. Da hilft nur: Experimentieren, reflektieren und einen eigenen Weg finden. Krafttraining bzw. die Entwicklung des Körpers ist eine höchst subjektive Angelegenheit, die sich von Trainern und Autoren nur bis zu einem gewissen Grade objektivieren lässt! Also lass Dich – auch von mir – nicht zu sehr irritieren und versuche mit zunehmender Erfahrung immer mehr einen eigenen Weg zu finden und zu beschreiten.

(Bildquelle: Fotolia © blackday)