Aufmerksame Leser dieses Blogs werden bereits mitbekommen haben, dass meiner Meinung nach der Wille die entscheidende Komponente beim Training ist. Ganz gemäß Nietzsche: „Alle Schwäche ist Willensschwäche“. Gerade Anfänger machen immer wieder den Fehler, die Schuld am mangelhaften Erfolg zunächst am Programm oder bei der Ernährung zu suchen. Oftmals geben sie sich gar dem Glauben hin, man könnte nur mit Proteinpulvern und anderen Supplementen wirklich erfolgreich sein. Doch in Wahrheit liegt es fast immer am mangelhaften Willen. Mit einem guten Programm können die Erfolge selbstverständlich deutlich vergrößert werden, doch ohne die entsprechende Einstellung passiert auch beim besten Programm nichts. Ein ganz wichtiger Faktor dabei ist die Konzentration. Mit entsprechender Konzentration, mit dem Fokus auf das Wesentliche, nämlich im Augenblicke des Trainings auf das Training, können unheimlich große Kräfte freigesetzt werden.

Der Einfluss von Konzentration auf den Trainingserfolg

Gemäß Pavel Tsatsouline, dem weltberühmten Kraft- und Kettlebell-Coach sowie Autor von „Power to the People und „Kettlebell-Training (und weiteren Werken), ist Kraft nichts anderes als eine Fähigkeit. Viele sehen bei der Kraft immer nur die körperliche Komponente – man benötigt mehr Muskeln, um stärker zu werden. Doch das stimmt so nicht. Natürlich haben Muskeln einen gewissen Einfluss, doch wird die Kraftentfaltung in erster Linie durch das Zentralnervensystem (ZNS) bestimmt. Viele Bewegungen können nicht sauber mit voller Kraft koordiniert werden, so dass das ZNS den Krafteinsatz zum Schutz vor Überlastungen begrenzt. Ein Durchschnittsmensch kann gerade einmal 20-25% seines Kraftpotenzials entfalten, weil er durch die ZNS-Limitierung nicht alle Muskelzellen aktivieren kann. Mit zielgerichtetem, vor allem hochfrequentem Training kann dieser Prozentsatz gesteigert werden. Einen wichtigen Einfluss übt darauf die Konzentration aus. Wer sich besser konzentrieren kann, wird auch mehr Kraft entfalten können. Doch worauf soll man sich überhaupt konzentrieren?

Der Spannungsaufbau

Wer sich hier auf diesem Blog die Übungsbeschreibungen schon einmal durchgelesen hat, wird das eine oder andere Mal auf den Spannungsaufbau gestoßen sein. Vielleicht ging die große Bedeutung des Spannungsaufbaus unter all den anderen Richtlinien bzgl. der korrekten Technik etwas unter. Daher möchte ich hier eines ganz klar herausstellen: Der Trainingsfortschritt hängt in erster Linie vom Spannungsaufbau ab.
Wer locker an die Hantel geht, wird niemals Fortschritte machen. Es sind erst die letzten Wiederholungen eines Satzes, die den Ausschlag über den Erfolg geben. Hier entscheidet sich, ob Fortschritte erzielt werden oder auf der Stelle getreten wird.  Nur mit dem entsprechenden Spannungsaufbau kann auch ausreichend Kraft generiert werden, um ausreichend große Wachstumsreize zu setzen. Spannung ist nichts anderes als Kraft. Muskeln werden unter Spannung gesetzt und erzeugen so Kraft. Diese Botschaft muss sich verinnerlichen. Mehr Spannung bedeutet zwangsläufig auch mehr Kraft.

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Das Prinzip der Übertragung

Ganz besonders interessant ist hierbei der Umstand, dass umliegende Muskeln ihre Spannung auf den Hauptmuskel übertragen. Je mehr Muskeln einbezogen werden, desto größer ist die Kraftentfaltung. Deshalb ist es so enorm wichtig, den gesamten Körper unter Spannung zu setzen. Das kann bei jeder Übung getestet werden – selbst bei Isolationsübungen. Nehmen wir als Beispiel den Langhantelcurl. Viele konzentrieren sich dabei ausschließlich auf den Bizeps, doch wenn zusätzlich der Bauch, die Beine und die Schultern angespannt werden, werden deutlich größere Gewichte bewegt werden können.

Mehr Spannung -> Mehr Kraft

Genau hier liegt der Unterschied zwischen den Erfolgreichen und Erfolglosen. Erfolglose Athleten versuchen eine Übung meistens so ökonomisch wie möglich zu gestalten. Sie sind nicht mit Herzblut bei der Sache, stehen nicht ausreichend unter Spannung, konzentrieren sich wenn überhaupt nur auf den Zielmuskel.

Erfolgreiche Athleten hingegen stehen von den Zehen bis zu den Haarspitzen vollkommen unter Spannung.

Die Fähigkeit Kraft trainieren

Dabei setzen sie nicht nur die Zielmuskeln, sondern immer auch ihre Gegenspieler und Hilfsmuskeln unter Spannung. Probiere es gleich aus: Führe eine ganz normale Kniebeuge aus, wie Du sie kennst, und setze dabei den Fokus auf die Oberschenkel. Pausiere nun und führe erneut normale Kniebeugen aus, doch diesmal konzentriere Dich zusätzlich auf die Beinrückseite, den Hintern, unteren Rücken und Bauch. Setze wenn möglich den gesamten Körper unter Spannung. Du wirst augenblicklich mehr Gewicht bewältigen können.
Die Fähigkeit zum Spannungsaufbau wird mit der Zeit verbessert, sofern man fleißig übt. Neben den eigentlichen Arbeitssätzen, sollte dabei auch schon bei den Aufwärmsätzen der Spannungsaufbau trainiert werden. Oftmals versuchen Athleten die Aufwärmsätze so kraftsparend wie möglich zu gestalten. Doch wird dadurch wertvolles Potenzial vergeudet, denn man kann nicht von 0 auf 100 größtmögliche Spannung aufbauen. Es muss trainiert werden und dafür sind die Aufwärmsätze bestens geeignet.

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Der Tod des Standardsatzes

3 Sätze à 8-12 Wiederholungen – so lautet die gängige Empfehlung für den Muskelaufbau. Das ist einerseits schon deshalb Blödsinn, weil dadurch die größten Muskelfasern, jene, die nur bei den größten Kraftanstrengungen aktiviert werden, gar nicht zum Einsatz kommen und somit auch die gesetzten Wachstumsreize geringer sind. Warum Bodybuilder dennoch massiver sind als Gewichtheber? Weil sie Steroide nehmen, so einfach ist das. Es gibt auch erfolgreiche Bodybuilder, die hauptsächlich mit schweren Gewichten trainieren (trainiert haben). Ronnie Coleman, 8-facher Mr. Olympia, ist hierbei ein großes Aushängeschild.
Doch darüber hinaus ist auch die Spannungsdauer bei 8-12 Wiederholungen derart groß, dass nicht genügend Spannungsintensität aufgebaut werden kann. Infolgedessen kann deutlich weniger Kraft entfaltet werden. Daher gilt es die Sätze immer möglichst kurz zu halten, um die größtmögliche Spannung und Konzentration über die gesamte Satzlänge aufrechterhalten zu können. Chad Waterbury empfiehlt aus diesem Grund „10×3, nicht 3×10“, also eher 10 Sätze à 3 Wiederholungen als andersherum.

Die Clustertechnik

Eine hervorragende Trainingsmöglichkeit ist die Clustertechnik. Dabei werden mehrere kleine Cluster absolviert, statt einigen längeren Sätzen. Ein typischer Muskelaufbaucluster besteht aus 2-5 Wiederholungen. Insgesamt werden dabei so viele Cluster aneinandergereiht, dass etwa 10-30 Gesamtwiederholungen pro Übung absolviert werden. Zwischen den einzelnen Clustern ist die Pause geringer als bei normalen Sätzen. 10-30 Sekunden sind beim Muskelaufbau ein guter Richtwert. Soll primär auf Kraft trainiert werden, empfehlen sich etwas längere Pausenzeiten.
Das Clustertraining bietet neben dem potenziell größeren Spannungsaufbau auch mehr Spielraum für Variation. Man kann die Clustergrößer, Clusterzahl und Pausenzeit variieren. Aus diesem Grund ist die Clustertechnik auch der Eckpfeiler des Hochfrequenztrainings nach Christian Zippel.
Für mich steht zweifelsohne fest, dass kurze Sätze, wie sie unter anderem bei der Clustertechnik zum Einsatz kommen, auf kurz oder lang klassische Sätze ablösen werden, einfach weil sie mehr Konzentration und Spannungsaufbau gestatten – was mit größeren Wachstumsreizen und mehr Kraft gleichzusetzen ist.

Sei aggressiv

Eng mit der Konzentration verflochten ist die Aggressivität. Ich selbst habe bemerkenswerte Fortschritte erzielt, indem ich viel Aggressivität in die Trainingseinheiten eingebaut habe. Mit Aggressivität kann deutlich größere Spannung aufgebaut werden. Es hilft das Gewicht zu verfluchen, sich einzureden, dass dieses leichte Gewicht bewältigt werden muss und alle im Alltag angestauten Aggressionen an besagtem Gewicht auszulassen.
Antike Athleten haben sich vor den Wettkämpfen teilweise selbst verstümmelt, um bessere Leistung erzielen zu können. Seine eigene Gesundheit, das Fundament unserer Existenz, zu attackieren ist aus meiner Sicht nichts anderes als dumm. Allerdings muss es nicht in diesen Extremen ausarten. Sich selbst fest in den Arm drücken, kneifen, ohrfeigen reicht bereits, um die Aggressivität und somit den Spannungsaufbau merklich zu steigern. Ich kann jedem nur empfehlen, das einmal auszuprobieren. Bau Aggressivität auf und entlade sie am Eisen – Du wirst sofort deutlich mehr Kraft entfesseln und dadurch größere Zuwächse erzielen können!

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Echtes Training

Die hier beschriebene Art zu trainieren ist die einzig richtige, wenn es um überdurchschnittliche Erfolge bezüglich Muskel- und Kraftaufbau geht. Sofern nicht gerade olympische Gene vorliegen, wird es ohne Konzentration und Aggressivität höchstwahrscheinlich überhaupt keine Fortschritte geben. Daher kann ich jedem ambitionierten Athleten nur nahe legen, diese Grundlagen zu perfektionieren. Lerne Dich zu konzentrieren sowie Deine Aggressivität im Training zu entladen und Du wirst großartige Erfolge verzeichnen können. Trainiere diese beiden Aspekte so oft wie nur irgend möglich. Nutze die Aufwärmsätze und versuche neben dem Training regelmäßig zu meditieren (siehe: Achtsamkeitsmeditation), um Deine Konzentration zu schärfen. Statt Alltagsstress und aufgebaute Wut über den Chef, den Lehrer, die Bahn an Deinen Mitmenschen, speziell an den dir nahe stehenden Personen, auszulassen, kannst Du ab sofort Dein Training als Ventil nutzen. Schluss mit zeitverschwendendem Kindergartenpumpen. Mach Ernst. Sei konzentriert und aggressiv.

(Bildquelle: Flugufrelsari)