Das Training mit der Langhantel bietet eine ganze Reihe von Vorteilen, allen voran natürlich die einfache Skalierbarkeit. So behält man leicht den Überblick über seine Fortschritte und kann bei Stagnation schneller eingreifen. Allerdings sind die Übungen letztendlich immer die gleichen.

Sicherlich gibt es theoretisch haufenweise Hantelübungen – die meisten davon sind aber schlichtweg Schrott oder bestenfalls eine kleine Ergänzung, um Schwachpunkte ausmerzen zu können. Die Anzahl der wirklich wichtigen Übungen, dazu zählen klassisches Drücken und Bankdrücken, Langhantelrudern, Kreuzheben und Kniebeugen ebenso wie einige Gewichtheberübungen, ist ziemlich begrenzt. Mit der Zeit beherrscht man all diese Übungen im Schlaf und führt somit letztlich immer die gleichen Bewegungen aus.

Okay, wer Ahnung hat variiert hin und wieder mal Griff- und Fußpositionen („Variation im Kleinen“), um Überlastungen zu vermeiden und ein wenig Variation reinzubringen, aber im Kern sind es ein und dieselben Bewegungen. Letztendlich geht es eigentlich nur darum mehr Gewicht zu bewältigen.

Für viele Eisensportler ist das der spezielle Reiz, manch anderer hätte aber schon gerne ein wenig Abwechslung – und hier kommt das Körpergewichtstraining ins Spiel.

Neue Bewegungen erlernen

Es gibt eine Vielzahl von beeindruckenden Körpergewichtsübungen, dazu zählen Planche, Handstand(-Drücken), einbeinige Kniebeuge, Front Lever, Back Lever, Muscle-Ups, Human Flag und einige weitere Flaggen. Hinzu kommen natürlich altbekannte Klassiker wie Liegestütze (auch einarmig), Dips und Klimmzüge (ebenfalls einarmig). All diese Übungen erfordern ein großes Maß an Kraft, Stabilität, Flexibilität und Koordination. Um auch die schwierigsten Bewegungen meistern zu können, braucht es schlicht eine extreme Körperbeherrschung.

Beim Körpergewichtstraining liegt der Schwerpunkt also nicht auf der Gewichtsprogression, sondern darauf neue Übungen zu erlernen. Alle genannten Übungen – und natürlich auch zahlreiche weitere Bewegungen – erfordern reichlich Training, um sauber ausgeführt werden zu können. Dazu gilt es eine ganze Reihe von Progressionsschritten zu absolvieren, die schrittweise die Anforderungen an Kraft, Koordination und Co. erhöhen. Somit absolviert man ständig neue Bewegungen und trainiert sehr Abwechslungsreich. Langeweile kommt hier selten auf.

Weniger Muskelmasse

Zugegeben, es gibt selbstverständlich auch Nachteile. Dazu zählt unter anderem die Tatsache, dass man durch die viele Variation weniger Muskelmasse aufbauen kann – mit Langhanteln funktioniert das wesentlich besser. Aber auf die Vor- und Nachteile des Körpergewichtstrainings werde ich in einem anderen Beitrag nochmal ausführlicher eingehen.

Fakt ist, so mancher Athlet hätte gerne ein wenig mehr Abwechslung in seinem Training und das Körpergewichtstraining vermag mit all seinen beeindruckenden Bewegungen genau das zu leisten. Darüber hinaus muss es natürlich keine entweder-oder-Entscheidung sein – Hanteltraining und Körpergewichtsübungen können hervorragend kombiniert werden.

Die entscheidende Frage

…lautet allerdings: Wie können die schwierigsten Körpergewichtsübungen überhaupt erlernt werden? Auf diesem Gebiet gibt es einiges an Nachholbedarf in der deutschsprachigen Literatur. Bekannt ist eigentlich nur „Fit ohne Geräte“ und die meisten der dort enthaltenen Übungen sind wenig anspruchsvoll – zumal auch die Progressionsschritte gerne etwas ausführlicher hätten sein können. Glücklicherweise bin ich auf ein sehr gutes englischsprachiges Buch mit dem Titel „Complete Calisthenics“ gestoßen, das diese Lücke zu schließen vermag – vor allem, da es voraussichtlich Mitte Mai auch in deutscher Sprache erscheinen wird.

Detaillierte Progressionen, alle wichtigen Übungen

Wer allerdings ein wenig Englisch beherrscht, wird auch mit der Originalversion glücklich werden, denn der Schwerpunkt dieses Buches liegt ganz klar auf den Übungen und ihren Progressionsschritten – der Inhalt ist somit leicht verständlich. Alle Übungen sind bebildert (schwarz/weiß, aber gut erkennbar) und gut beschrieben.

Was mich an diesem Buch wirklich überzeugt hat ist, dass so ziemlich alle interessanten Körpergewichtsübungen enthalten sind und es zu jeder schwierigen Übung zahlreiche Progressionsstufen gibt, sodass auch Anfänger diese schrittweise erlernen können. Ich habe bisher kein Buch gesehen, dass auf dem Gebiet Körpergewichtsübungen und Progressionsstufen mit diesem Werk mithalten kann.

Mobilität und Flexibilität

Neben den eigentlichen Körpergewichtsübungen werden auch eine Reihe von Mobilitäts- und Flexibilitätsübungen vorgestellt. Das ist aus meiner Sicht ein weiterer wichtiger Pluspunkt, denn gerade für Körpergewichtsübungen (aber auch beim Hanteltraining) sind Mobilität und Flexibilität wichtige Aspekte, um einerseits sein Kraftpotenzial möglichst stark ausschöpfen zu können und andererseits die Verletzungsgefahr zu minimieren.

Schwächen

…hat dieses Buch allerdings im Drumherum. Ernährung und Trainingsplanung sind sehr spartanisch gehalten und eher der Vollständigkeit halber erwähnt. Die Trainingspläne sind für Anfänger okay. Wer allerdings schon etwas mehr Erfahrung und Wissen hat, wird hier sicher seinen eigenen Weg gehen. Gerade Körpergewichtsübungen eignen sich meiner Meinung nach sehr gut für hochfrequentes Training.

Letztendlich ist die Situation aber so, dass fortgeschrittene Athleten ohnehin ihre eigenen Trainingsmethoden bevorzugen und eher nach Übungsmöglichkeiten suchen – und genau diese liefert das Buch.

Fazit

Trainingsanfänger erhalten mit diesem Werk eine gute Möglichkeit, ins Körpergewichtstraining einzusteigen und alle dafür notwendigen Informationen. Der Einsteig ist mit diesem Buch sehr simpel und unkompliziert, gerade weil Trainingsmethoden und -parameter ebenso wie Ernährung sehr oberflächlich gehalten wurden.

Erfahrene Kraftsportler, die gerne ergänzendes Körpergewichtstraining durchführen möchten oder gänzlich umsteigen wollen, kommen durch die umfangreichen Übungsbeschreibungen ebenfalls auf ihre Kosten.

Um es auf den Punkt zu bringen: Wer ein Buch sucht, dass zahlreiche Körpergewichtsübungen in all ihren Schwierigkeitsgraden beinhaltet, der ist mit „Complete Calisthenics“ bestens bedient. Wer mehr über Trainingsplanung und Ernährung erfahren möchte, sollte sich ein anderes Buch zulegen.

Der recht hohe Preis von rund 30 Euro in der Buchversion ist für ein rund 400 Seiten starkes Buch in großem Format meiner Meinung nach gerechtfertigt.