Hand aufs Herz: Wie oft hast du schon To-Do-Listen geschrieben, ohne sie abzuarbeiten? Meist wird noch nichtmal der erste Eintrag wirklich bearbeitet. Wie oft hast du dir schon vorgenommen etwas zu verändern, vielleicht früher ins Bett zu gehen, häufiger zu lesen, mehr Sport zu treiben, auf Süßigkeiten zu verzichten, ohne es je wirklich umgesetzt zu haben? Meist enden solche Versuche schon nach wenigen Tagen. Wenn sie denn überhaupt begonnen werden. Wie oft hast du dir schon vorgenommen, morgen etwas zu tun, etwas zu verändern?

Wir alle kennen das Spiel doch: Man hat eine Eingebung, möchte vielleicht mit dem Rauchen aufhören oder keinen Zucker mehr verzehren, und nimmt sich dann vor, dieser sofort am nächsten Tag zu folgen. „Heute kann ich noch, aber ab morgen lege ich dann los!“ Und am nächsten Tag? Findet sich schnell eine Ausrede, die alles zerstört.

Kommt dir das vertraut vor? Bestimmt. Denn wenn wir wirklich ehrlich sind, geht es den meisten von uns so. Und das kommt nicht von ungefähr. Es ist vielmehr genau die Art, wie unser Gehirn und der Schweinehund in jedem von uns funktionieren.

Die gute Nachricht ist: Wenn du einmal verstanden hast, wie genau das Spiel funktioniert, wirst du es mit einem einfachen Trick leicht aushebeln und damit – vollkommen unabhängig vom Lebensbereich – endlich deinen Schweinehund überwinden können.

Vorweg sei gesagt: Viele Menschen glauben, Disziplin bedeutet schlicht, sich „zusammenzureißen“. Und wer es nicht kann, der ist halt nicht stark genug dafür. Klingt zwar gut. In der Praxis ist das aber ungefähr so hilfreich wie einem Klaustrophobiker in der Tomographen-Röhre beim MRT zu sagen, er solle sich beruhigen.

Um den Schweinehund zu überwinden, musst du ihn verstehen lernen und dann den richtigen Hebel ansetzen. Wie das geht, wirst du in diesem Artikel erfahren – und zwar Schritt für Schritt. Fangen wir damit an, wie das Gehirn funktioniert und welche Rolle der innere Schweinehund hier übernimmt.

So funktioniert dein Gehirn

Jeder weiß natürlich: Das Gehirn ist die Steuerzentrale unseres Körpers. Es steuert also viele Prozesse im Inneren – zum Beispiel die Kontraktion einzelner Muskeln, sodass am Ende eine mehr oder weniger flüssige Bewegung entsteht.

Aber rein evolutionär gesehen, worin liegt eigentlich der Vorteil darin, denken zu können? Na klar: Es verschafft einen Vorteil zum Überleben. Das Gehirn merkt sich zum Beispiel gefährliche Situationen und ermöglicht es, daraus zu lernen, um künftig besser vorbereitet zu sein oder solche Situationen zu vermeiden.

Der springende Punkt ist hier, dass dein Gehirn darauf getrimmt ist, Gefahren von dir fernzuhalten. Das Gehirn ist darauf getrimmt, unser Überleben zu sichern.

Das bedeutet: Wann immer du etwas tun willst, wägt dein Gehirn ganz automatisch ab, ob es ein Risiko für dich darstellen könnte. Daran können wir nichts ändern und das sollten wir auch gar nicht, denn es ist für unser Überleben ein wichtiger Faktor.

Soweit, so unproblematisch. Nun kommt jedoch der berühmte Schweinehund ins Spiel, den wir hier als den emotionalen wirkenden, gewohnheitsgeprägten und trägen Teil dieses Gehirns charakterisieren können.

So funktioniert dein Schweinehund

Auch der Schweinehund will Gefahren oder Risiken von dir fern halten. Dabei muss es sich allerdings gar nicht um reale Gefahren für dein Leben handeln.

Potentiell betrifft das alle Situationen, die mit größeren Unbekannten behaftet sind. Denn jede Unbekannte wird von ihm als potentielle Gefahr eingestuft.

Wenn du also etwas anders machen willst, etwas Neues unternehmen willst, ist der Schweinehund sofort dagegen. Er mag seine „Wohlfühlzone“, also alles Vertraute und Bekannte. Er ist von Natur aus gegen alles, was neu ist, selbst wenn es logisch betrachtet dein Leben verbessern könnte.

Evolutionär bedingt ist der Schweinehund vor allem eines: bequem. Warum? In einer Welt mit unzähligen natürlichen Gefahren, mit ungezähmter Natur, hatten tendenziell bequeme Menschen, die Risiken scheuen, eine bessere Überlebenschance – simple Evolution also.

Die Erkenntnis, die wir daraus ziehen können, ist gar nicht überraschend. Aber sie ist ungemein wichtig, um eine elegante Lösung für das Problem zu finden. Hier ist die Erkenntnis: Wann immer du etwas in deinem Leben ändern willst, wann immer du neue Wege beschreiten willst, zum Beispiel deinen Körper auf Vormann zu bringen (Ernährung anpassen, trainieren gehen etc.), wann immer du Routinen durchbrechen willst, wann immer du wirklich aktiv werden willst, versucht dich dein vom Schweinehund getriebenes Gehirn davon abzubringen.

Gute Gründe (=Ausreden)

Wie genau sich der Schweinehund bemerkbar macht? Zunächst einmal verspürst du einen gewissen Widerwillen. Aber dann ist da ja immer noch der rationale Teil deines Gehirns, der gute Argumente auf den Tisch legt.

Mit der emotionalen Verstärkung in der Hinterhand (Widerwille), lässt sich der Schweinehund nun einiges einfallen, um der Logik zu trotzen: Gute Gründe.

„Gute Gründe“ sind meist nur eine andere Bezeichnung für clevere Ausreden.

Es ist ein Kampf, der in vielen von uns tobt: Vernunft vs. Schweinehund.

Und jetzt kommt der entscheidende Punkt: Je länger dieser Kampf dauert, desto höher sind die Siegchancen des Schweinehundes. Wenn die Diskussion nur lange genug dauert, findet er genügend gute Gründe, dich (wovon auch immer) abzubringen.

Das ist also das wahre Problem mit der Disziplin: Das Einlassen auf eine Diskussion mit dem Schweinehund. Wenn die erstmal startet, ist es immer nur eine Frage der Zeit, bis die Bequemlichkeit obsiegt.

Wenn man diese Psychologie einmal verstanden hat, besitzt man einen extrem kraftvollen Hebel. Darf ich vorstellen, der mächtigste Hebel der Disziplin:

Die 5-Sekunden-Regel

Wann immer du deine Komfortzone verlassen willst, wann immer du aktiv werden willst, wann immer du die Trägheit überwinden willst: Fang innerhalb von fünf Sekunden an zu handeln!

Fünf Sekunden bleiben dir, ehe dein Schweinehund die Diskussion startet und versucht, dich davon abzubringen. Fünf Sekunden, in denen dein Verstand keinen Gegenspieler hat. Fünf Sekunden, jede Diskussion mit dem Schweinehund im Keim zu Ersticken.

Diese fünf Sekunden Regel geht zurück auf Mel Robbins, die das gleichnamige Buch verfasst hat. Ich selbst habe diese Methode schon länger erfolgreich angewandt, allerdings zuvor nicht mit Sekunden, sondern mit Atemzügen.

Das Sekunden-Schema von Mel gefällt mir jedoch besser, weil es verdeutlichT, dass es sich hierbei um ein wirklich kleines Zeitfenster handelt – das allerdings Gold wert ist.

Wenn du diese Methode noch nicht kennst, wirst du überrascht sein, wie gut sie funktionieren kann!

Schauen wir uns dazu ein Beispiel an:

Dein Wecker hat geklingelt, du schaltest ihn ab und bleibst im Bett liegen. Eigentlich müsstest du aufstehen, eigentlich willst du aufstehen, aber du bist noch so müde, dass du dich so richtig kuschelig wohl im Bett fühlst. Anfangs spürst du einen kleinen Konflikt. Du rufst dir in Erinnerung, dass es besser wäre, aufzustehen. Doch der Schweinehund hält dagegen, macht dich verstärkt darauf aufmerksam, wie wohl du dich hier im bequemen Bett fühlst. Eine Minute später ist der Kampf vorbei, die Trägheit hat gewonnen, du bleibst noch 10 oder 20 Minuten liegen, schläfst vielleicht nochmal ein und stehst den Rest des Morgens unter starkem Zeitdruck, weil du womöglich zu spät zur Arbeit kommst.

Um das zu verhindern, setzt du direkt mit der 5-Sekunden-Regel an:

Der Wecker klingelt, du schaltest ihn ab und du weißt genau: ich habe fünf Sekunden, um aufzustehen. Innerhalb der nächsten fünf Sekunden muss ich aktiv werden. Und das tust du. Du nutzt dieses Potential, du nutzt das goldene Zeitfenster. In diesem Moment, wenn du aktiv wirst und beginnst zu handeln, stellst du den Schweinehund vor Tatsachen.

Solange alles offen ist, hat seine Stimme ein großes Gewicht. Sobald du aber loslegst, verblasst sie. Wenn du erst einmal anfängst, zu handeln, fällt es dir deshalb um ein Vielfaches leichter, dranzubleiben. Du hast dann das Momentum auf deiner Seite.

Das ist das Geheimnis der Disziplin: Du beugst jeder Diskussion mit dem bequemen Schweinehund vor und wirst innerhalb von fünf Sekunden aktiv.

Wann immer du zukünftig in dieser Situation bist, in der du deine Komfortzone verlassen willst, liegt gewaltiges Potential in diesen ersten fünf Sekunden. Handle gleich oder du wirst wahrscheinlich von deinem Schweinehund überwältig – von der Trägheit, die ein Stück weit in jedem von uns haust. Dir bleiben fünf Sekunden, um deinen Allerwertesten hochzubekommen. Nutze sie.

(Bild: © vitaliy_melnik – Fotolia.com)