Lernen lernen. Gedächtnistechniken zur optimalen WissensspeicherungMit dem Schließen der Haustür geht oft ein spezielles Gefühl einher. Die Ahnung, irgendetwas vergessen zu haben. Verhüllt von einem nebeligen Schleier kann man es nicht greifen. Dennoch lässt einen das Gefühl nicht los. Da war noch was. Man weiß es, doch man weiß nicht, was es war. Ohne die Möglichkeit auf die Information zuzugreifen, gehen wir weiter unseres Weges. Erst im Verlaufe des Tages geht uns blitzartig ein Licht auf.

Unser Gedächtnis ist einzigartig. Es ist in der Lage ungeheure Mengen an Informationen aufzunehmen. Nicht wenige gehen sogar davon aus, dass seine Kapazität unbegrenzt ist. Warum aber vergessen wir dann so häufig wichtige Sachen?

Der Fehler liegt bei uns

Im Grunde genommen lässt sich Vergesslichkeit auf zwei Ursachen zurückführen.  Entweder ist die Information (wie im obigen Beispiel) zwar theoretisch gespeichert, doch fehlt uns der Zugang, oder wir haben Sie einfach noch nicht abgespeichert. Beide gehen auf eine falsche Benutzung unseres Gedächtnisses zurück.

Fehlt uns einfach nur der Zugang, haben wir die Information nicht breit genug abgespeichert. Das heißt, das assoziierende neuronale Netz ist zu klein.

Unser Gehirn verbindet Informationen immer mit anderen. Diesen Vorgang des Assoziierens finden wir auch oft, wenn wir uns eine vermeintlich vergessene Information, wie die Lage des Hausschlüssels, wieder in Erinnerung rufen möchten. Wir schreiten mental gewisse Routen ab, um so das Vergessene zurückzuholen.

Um den Abruf von Daten zu erleichtern, empfiehlt sich also eine Abspeicherung in ein tiefes, breit gefächertes neuronales Netz. Verbinden Sie die Information mit Emotionen, Gerüchen, Geschmäckern und vor allem mit bereits gespeichertem Wissen.

Weiterhin reagiert das menschliche Gedächtnis nicht gut auf abstrakte Daten, wie z.B. Wörter und Zahlen. Viel besser merkt es sich Bilder und Orte. Sprache oder gar Schrift gibt es nämlich noch nicht so lange. Davor konnte man lediglich in Bildern denken. Zum Überleben war es absolut notwendig, Lage und Aussehen von giftigen oder auch gesunden Nahrungsmitteln in Erinnerung zu behalten. In der Evolution setzen sich daher jene durch, die sich Bilder und Orte besonders gut merken konnten.

Wider der Natur

Mit Entstehung von Sprache und Schrift entledigten wir uns immer mehr den natürlichen Einsatz unseres Gedächtnisses. Durch moderne Informationsspeicher wie Bücher und Internet nimmt die Notwendigkeit der Wissensspeicherung immer mehr ab. Doch kann man wirklich jegliches Wissen „outsourcen“? Erwächst nicht aus Wissen auch Weisheit?

Im Gegensatz zu den Mnemotechnikern halte ich nicht besonders viel von der Ansammlung riesiger Mengen an offenkundig unnötigem Wissen. Ich sehe keinen Sinn darin, ganze Romane auswendig zu lernen und haufenweise unnütze Fakten zu inhalieren. Letztlich geht es um Weisheit. Man sollte sich die wesentlichen Lehren aus gelesenen Büchern merken. Das bildet den Baustein einer stetigen Entwicklung.

Gleichwohl ist auch produktives Wissen wesentlich für ein erfolgreiches Leben. Damit ist sämtliches, im Zusammenhang mit unseren Zielen stehendes Wissen gemeint. Genau dafür eignen sich auch die Mnemotechniken der Gedächtnissportler. Gerade für Schüler und Studenten sind sie natürlich absolut empfehlenswert. Die Einsatzgebiete werden aber nur durch die individuelle Kreativität limitiert. Pianisten könnten sich beispielsweise mit einer einfachen Noten-Bild-Transformation die Noten eines Musikstückes mittels Loci-Methode merken. Vortragende können  selbige Technik einsetzen, um sich wichtige Informationen des Vortrages einzuprägen.

Eine Einführung

Worum handelt es sich denn nun bei der Loci-Methode? Loci kommt aus dem Lateinischen und steht für Orte. Informationen werden also verortet. Dazu erstellt man sich seine eigenen „Gedächtnispaläste“. Das kann die eigene Wohnung, der Arbeitsplatz, die Schule oder auch der Weg zur Universität sein. Hauptsache, man kennt die Orte sehr gut.

Nun teilt man die gewählten Orte in Routenpunkte ein. Nehmen wir die eigene Wohnung als Beispiel. Wir kommen durch die Haustür und rechts im Flur befindet sich ein Schuhregal – erster Routenpunkt. Wir gehen weiter Richtung Wohnzimmer. Dort fällt als erstes ein großer Esstisch ins Auge – zweiter Routenpunkt. Wir gehen weiter nach links und erblicken den Fernsehsessel – dritter Routenpunkt. Für unser Beispiel genügt das, normalerweise kann und sollte man aber ruhig 20-40 Streckenpunkte pro Gedächtnispalast wählen.

An besagten Routenpunkten kann man nun die zu merkenden Informationen verorten. Will man sich beispielsweise Weintrauben einprägen, um sie beim nächsten Einkauf nicht zu vergessen, kann man sich die Schuhe im Schuhregal voller Weintrauben vorstellen. Um die Erinnerung noch intensiver zu machen könnte man sich auch Heidi Klum, wie sie sich rekelnd auf dem Regal Weintrauben isst, vorstellen. Erotische und witzige Bilder bleiben besser in Erinnerung.

Die Loci-Methode ist eine absolute Basistechnik zur Abspeicherung von Wissen. Sie lässt sich für viele Informationen, beispielsweise auch für Zahlen, einsetzen. Hierfür muss man die Zahlen lediglich in Bilder transformieren. Wie das funktioniert, wird in den weiter unten vorgestellten Büchern erklärt. Man ahnt aber schon, dass zur optimalen Einprägung von Lernstoff Kreativität notwendig ist. Daher fördert das Gedächtnistraining vor allem auch die Kreativität – eine sehr wichtige Eigenschaft.

Die richtige Lektüre

Letztlich lohnt es sich für jeden Lernwilligen die verschiedenen Techniken kennenzulernen. Einen hervorragenden Einstieg bietet das Buch „Alles im Kopf behalten“ von Joshua Foer. alles im Kopf behalten [Artikel]Dort beschreibt er seinen einjährigen Weg von einem normalen Journalisten zum US-amerikanischen Gedächtnismeister. Dabei erhält der Leser Einblick in die Funktionsweise des Gedächtnisses und oberflächliche Kenntnisse der verschiedenen Gedächtnistechniken. Vor allem aber werden fundamentale Fragen wie der Sinn von Gedächtnistraining und die dafür notwendigen Opfer geklärt.

erfolgs-gedächtnis [Artikel]Zur Vertiefung eignet sich „Erfolgs-Gedächtnis“ von Gunther Karsten (Gedächtnisweltmeister). Hier werden die verschiedenen Techniken wie die Loci-Methode oder ein Zahlentransformationssystem erklärt und praktische Anleitung für das entsprechende Training geliefert.

so lernen sieger [Artikel]Ein weiteres interessantes Grundlagenbuch ist „So lernen Sieger“, ebenfalls von Gunther Karsten. Die Lektüre stellt 50 lohnenswerte Tipps zum besseren Einsatz des Gedächtnisses vor. Dabei sind sowohl komplexe Mnemotechniken, als auch einfach umsetzbare Ratschläge, wie der serielle Positionseffekt, vertreten. Dieses Buch gibt wohl den besten Einblick in die Funktionsweise des Gedächtnisses. Es werden allerlei Einflüsse auf die Wissensspeicherung und –abrufung gegeben. Die Anwendung der Tipps revolutioniert das Lernverhalten stark. So würde beispielsweise niemand mehr 3-4 (oder mehr) Stunden am Stück lernen.

Die drei Werke reichen vollkommen aus, um die notwendigen Informationen zur verbesserten Abspeicherung von Wissen zu erhalten. Aber muss man dann gleich täglich sein Gedächtnis trainieren? Man muss die Techniken nicht trainieren, sondern einfach in lohnenswerten Situationen einsetzen. Welche das sind entscheiden ganz allein Sie. Wichtig ist nur, dass wir die Möglichkeit bekommen, den immer größer werdenden Informationsmengen auch gerecht zu werden. Hier hakt es nämlich im Schulwesen. Mit dem Einsatz der verschiedenen Mnemotechniken könnten sich Schüler den Stoff schneller und langfristiger einprägen. Was nützt es, wenn die Informationen nach der Klausur sofort wieder in Vergessenheit geraten?

Da in der Schule aber bisher noch keine Gedächtnistechniken erlernt werden, obliegt die Aneignung derer jedem selbst.

(Foto 1: Gerd Altmann  / pixelio.de)