Leben in der GegenwartWir lernen heute, um morgen klüger zu sein. Wir arbeiten jetzt, um später reich und glücklich zu sein. Wir leben für irgendwann.

Unlängst habe ich die Notwendigkeit einer zielorientierten, wachstumsgemäßen Lebensweise betont. Das ist auch gut so, denn die Konzentration auf die eigenen Ziele führt zur Selbsterfüllung. Dennoch sollte es ergänzt werden. Der Wunsch zu wachsen, der Wille zur Entwicklung, die Sehnsucht nach Fortschritt birgt die Tücke der Gleichgültigkeit mit sich. Gleichgültigkeit gegenüber dem Augenblick.

Der Tag für die Entwicklung ist gekennzeichnet durch Produktivität. Der Schaffensprozess wird jedoch für viele zur Fallgrube. Wie fühlen wir uns, wenn wir gerade mal nicht aktiv sind? Wenn äußere Umstände uns zur Regungslosigkeit verdammen?

Ambitionierte Menschen verrennen sich häufig in einen Beschäftigungswahn. Sie verlieren den Blick für das Wesentliche. Für ihre Prinzipien, für ihr soziales Umfeld, für ihr Lebensglück. 

Lebe jetzt!

Glücklich wird nur, wer sein Leben genießen kann. Nicht nächstes Jahr, nicht nächste Woche, nicht morgen – Heute! Das Leben für die Zukunft kann nicht glücklich machen. Das vermag nur der Augenblick. Wenn wir ihn genießen, wenn wir dankbar für ihn sind und wenn wir in ihm wachsen, dann sind wir glücklich. Wer für die Zukunft lebt, hört niemals damit auf. Das Glück wird sich immer auf später verschieben.

„Wir brauchen viele Jahre bis wir verstehen, wie kostbar Augenblicke sein können.“  Ernst Ferstl

Von Gegenwart und Zukunft

Wie gehen Entwicklung, Zielorientierung und der Genuss des Augenblicks unter einen Hut? Wie vereinbaren sich Gegenwart und Zukunft?

Ganz einfach: Wir müssen das Wachsen lieben. Wir müssen unsere Einstellung zur Produktivität ändern. Wir dürfen es nicht aus Zwang machen, sondern weil wir es wirklich wollen. Weil wir im Augenblick der Produktivität Erfüllung finden. Genau jene Erfüllung, die wir auch im Umgang mit anderen Menschen und Aktivitäten, die wir lieben, zu finden vermögen. Tun Sie, was Sie lieben, denn Liebe macht glücklich. Liebe zu Menschen, Liebe zum Wachstum, Liebe zum Leben.

Lächeln Sie und erfreuen Sie sich am kostbarsten aller Momente: dem Augenblick. Seien Sie dankbar für den erfrischenden Wind, die Sonnenstrahlen am Horizont, die Familie und die Freunde in Ihrem Leben.

„Halte immer an der Gegenwart fest. Jeder Zustand, ja jeder Augenblick ist von unendlichem Wert, denn er ist der Repräsentant einer ganzen Ewigkeit.“ Goethe

Nicht blind sein

Natürlich müssen wir uns Zeit nehmen, unsere Zukunft zu planen, unserem Leben eine Richtung geben. Von Zeit zu Zeit müssen wir einen Schritt zurücktreten und den Kurs prüfen. Reflektion ist das wichtigste aller Instrumente auf dem Weg zur Selbsterfüllung.

Darüber hinaus aber müssen wir uns  jeder augenblicklichen Tätigkeit vollkommen hingeben. Wir müssen in ihr aufgehen, im Flow agieren. So leben wir im Hier und Jetzt und trotzdem zielgerichtet.

Eben darauf zielt Mihaly Csikszentmihalyis Buch „Flow: Das Geheimnis des Glücks“ ab. Es vermittelt den Wert von Wachstum im Augenblick und führt typische Flow-Aktivitäten auf. Dazu zählen beispielsweise Chirurgie, Schach, Segeln, Klettern und Kampfsport. Entscheidend ist, dass wir uns dabei ganz der Gegenwart widmen, Probleme und Sorgen hinter uns lassen, eins mit der Tätigkeit werden. Diesen Zustand nennt man Harmonie.

Das erreichen wir am besten, wenn wir uns in den jeweiligen Aktivitäten weiterentwickeln. Die Anforderungen sollten proportional mit den Fähigkeiten steigen. Je besser wir in einer bestimmten Tätigkeit werden, desto größer wird die dabei empfundene Freude – solange sie stets eine Herausforderung bietet. So sammeln wir optimale Erfahrungen.

Die Botschaft ist eindeutig: Lebensglück erreicht man durch Wachstum und Erfüllung im Augenblick.

Darum belasten Sie sich nicht mit unnötigen Zukunftssorgen. Leben Sie im Hier und Jetzt. Seien Sie ein zielgerichtetes Fließen. Verschieben Sie Ihr Glück nicht auf Morgen. Lernen Sie zu sein.

Zum Schluss noch eine kleine Geschichte

„Ein Junge stand kurz vor dem Schulabschluss. Seine Eltern und Lehrer empfahlen ihm, das Fußballspielen an den Wochenenden ausfallen zu lassen und stattdessen fleißig zu lernen. Sie erklärten ihm, wie wichtig der Abschluss sei und dass er glücklich sein würde, wenn er ihn geschafft habe. Er folgte dem Rat und bestand die Prüfung. Aber das machte ihn nicht glücklich. Dann sollte er für einen noch höheren Abschluss ackern und nicht mehr ausgehen. Der höhere Abschluss sei eine Fahrkarte zum Glück. Er folgte dem Rat, bestand die Prüfung, aber es machte ihn nicht glücklich. Nun sollte er sich ausschließlich seinen Studienfächern widmen. Was würde er glücklich sein, wenn er das Studium erst geschafft habe!

Der junge Mann wurde misstrauisch und fing an, die Menschen zu beobachten: Sie arbeiteten schwer, schließlich wollten sie Geld verdienen, um sich ein Auto oder eine Wohnung leisten zu können, was sie bestimmt glücklich machen würde. Und wenn sie erst verheiratet wären, würden sie richtig glücklich sein, und wenn sie erst die Hypotheken abbezahlt und genügend Geld für den Ruhestand zurückgelegt hätten… Noch vor dem Ruhestand wurden sie religiös – damit sie wenigstens nach ihrem Tod glücklich sein würden.“

Entnommen aus „Shaolin – Das Geheimnis der inneren Stärke“ von Thomas Späth und Shi Yan Bao.

Jetzt! Glücklich sein!

(Foto 1: Altmann/Hintergrund:PublicDomainPictures  / pixelio.de)

(Foto 2: Stephanie Hofschlaeger  / pixelio.de)