Die immer gleiche Bewegung für einen immer längeren Zeitraum. Zermürbende Anstrengung ohne das Gefühl zu bekommen, dass auch die Muskeln irgendwas davon haben. Nervige Witterungsbedingungen oder langweilige Ergometer, auf denen man mehr damit beschäftigt ist, sich zu fragen, wie lange das Workout noch dauern soll. Und dann noch dieses sagenumwobene Runners High – welcher Kiffer hat sich das bloß ausgedacht?
Wenn du diese Gedanken selbst schon hattest und immer wieder Cardioeinheiten auslässt, weil du dich nicht motivieren kannst, dann ist dieser Artikel für dich. Er wird deine Perspektive auf Cardiotraining ändern.
Denn bisher hast du vielleicht brav nach den Regeln gespielt. Gemacht, was alle machen. Joggen. Radeln. Crosstrainer. Schnarch. Aber hey, ist ja gut fürs Herz und alle anderen machen das auch. Steht schließlich in jeder Zeitschrift als klassisches Bild von Cardio.
Nun, vielleicht ist es Zeit, dieses Bild zu zerstören. Vielleicht ist es Zeit, die Regeln zu ändern. Was gut für andere ist, muss noch lange nicht gut für dich sein.
Was bringt dir das beste Training, wenn du es nicht durchziehst? Was bringt dir die kalte Effektivität des Joggens, wenn du dich nicht dafür begeistern kannst, immer häufiger Einheiten auslässt und im Grunde nie an deine Grenze gehst, sondern stets nur das Pflichtprogramm durchziehst?
Fitnesstraining muss Spaß machen und begeistern, um von nachhaltigem Wert zu sein. Und das bedeutet, manchmal musst du einfach jeden Ratschlag in den Wind schlagen und stattdessen einfach danach gehen, was dir spürbar gut tut. Denn Langeweile kann nicht ewig durch Disziplin kompensiert werden.
Das Beste daran, in einer freien Welt zu leben, ist doch, dass man frei experimentieren kann. Du bist damit übrigens nicht allein. Genauer gesagt gehörst du wahrscheinlich sogar zur schweigenden Mehrheit.
Wenn ich einen neuen Klienten frage, wie oft und gern er oder sie Cardio macht, dann höre ich in etwa 8 von 10 Fällen heraus: Man weiß, dass es wichtig ist, hat aber keine Lust darauf und macht es entsprechend nur unregelmäßig.
Doch die gute Nachricht: Selbst für den eingefleischtesten Cardiomuffel gibt es da draußen irgendeine Ausdaueraktivität, die ihm Spaß macht. Man muss sie nur finden. Wo die Begeisterung lauert, ist der Weg.
Die nachfolgenden drei Übungen für Cardiomuffel wissen die meisten meiner Klienten zu begeistern, weil sie erfrischende Abwechslung ins Training bringen und dir zeigen: Cardiotraining kann ganz anders aussehen, als die Lehrbücher dir beigebracht haben, und sich auch anders anfühlen, als du bisher geglaubt hast.
Höchste Zeit für frischen Wind, um verkrustete Cardio-Routinen aufzubrechen.
Cardio für Cardiomuffel #1: Battle Rope Training
Battle Ropes sind schon dahingehend ganz anders als gewöhnliches Cardio, weil du dich dabei im Grunde keinen Meter fortbewegst – trotzdem mächtig ins Schwitzen kommst!
Mit den Seilen kannst du deinen ganzen Körper multidimensional fordern. Vor allem Drehungen, die in den meisten Workout-Programmen sträflich vernachlässigt werden, sind fester Bestandteil des Battle Rope Trainings. Damit forderst du deinen Core aus allen Richtungen anstelle der üblichen, geradlinigen Bewegungen.
Wer es noch nicht probiert hat, kann es sich meist nicht vorstellen, daher sag ich es dir ganz offen und direkt: Battle Rope Training macht RICHTIG Spaß.
Und das wiederum bedeutet: Du kommst besser an deine Grenzen. Wenn dein Training dir Spaß macht, denkst du weniger über die Erschöpfung nach und hältst länger durch.
Das sind die Vorteile
- Effektives Herz-Kreislauf-Training
- Fördert Kraftausdauer und Power speziell im Oberkörper und Core
- Trainiert die Stabilität im ganzen Körper, beansprucht insbesondere den Rumpf
- Perfektes Outdoor-Training
- Fun. Fun. Fun.
Das sagt die Wissenschaft
Oh und vielleicht noch der wichtigste Vorteil: Es funktioniert!
Eine 2018 veröffentlichte Studie aus Taiwan hat die Auswirkungen von 8-wöchigem Battle Rope Training mit normalen Ausdauertraining von Basketballspielern (Linienläufe) verglichen. Ergebnis für die Battlerope-Gruppe:
- aerobische Ausdauerkapazität um 17,6% gesteigert
- anaerobische Leistung im Oberkörper um 7,3%
- Geschwindigkeit beim Brustpass um 4,8%
- Sprunghöhe um 2,6%
- Ausdauer der Rumpfmuskulatur um 37% bei der Flexion (wie beim Sit-Up), um 22,8% bei der Extension (das Gegenteil vom Sit-Up, für den unteren Rücken) und um 23% bei der seitlichen Brücke
- Wurfpräzision um 14% beim Freiwurf und um 36,2% bei dynamischen Würfen
Im Gegensatz dazu konnte die Kontrollgruppe nur ihre aerobische Ausdauerkapazität (um 12%) sowie die Geschwindigkeit beim Brustpass (um 3,8%) steigern. [1]
Laut einer weiteren Studie werden bei 10 Minuten Battle Rope Training im Schnitt etwa 111 kcal verbrannt. [2] Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass aufgrund der hohen Intensität der Nachbrenneffekt noch obendrauf kommt – das macht Battle Ropes zum perfekten Finisher!
Das richtige Equipment
Wichtig vor allem: Das Seil sollte mindestens 15 m Länge haben. Es gibt kürzere, aber der Nutzen kürzerer Ropes ist auf einen sehr kleinen Zeitraum beschränkt. Du steigerst dich am Anfang zu schnell und wächst aus dieser Länge einfach zu schnell raus, als dass es sich lohnen würde, in ein 10 m Seil zu investieren.
Ich selbst nutze ein hochwertiges Battle Rope von Gorilla Sports, das 20 m Länge hat und 13,6 kg wiegt. Das ist sowohl für den Einsteig geeignet, weil es relativ dünn und gut zu greifen ist, als auch für steigende Trainingserfahrung, weil Gewicht und Länge schon recht hoch sind. Für die meisten ein gutes Mittelmaß.
Damit kann man meiner Erfahrung nach sehr lange trainieren und ich sehe im Grunde nicht die Notwendigkeit einer weiteren Steigerung – statt das Gewicht weiter zu erhöhen, trainiere ich lieber intensiver/länger. Es geht ja schließlich vorrangig um Ausdauer.
Wer noch ganz am Anfang seines Trainings steht und noch keine gute Kraft und Ausdauer hat, der greift allerdings lieber erstmal zu 15 Metern.
Außerdem würde ich dir eher eng als grob geflochtene Seile empfehlen, weil die in der Regel flexibler sind. Damit macht das mehr Spaß, weil die Bewegungen flüssiger sind.
Workout für Einsteiger
Du kannst das Workout als Finisher nach deinem Krafttraining 2-3x die Woche einbauen, um deine Ausdauer und Leistungsfähigkeit zu verbessern sowie massig Kalorien zu verbrennen.
Cardio für Cardiomuffel #2: Rucking
Der Trend ist in Deutschland noch gar nicht richtig angekommen, in den USA aber schon schwer angesagt. Ich habe mich vor knapp zwei Jahren erstmalig damit beschäftigt, es selbst probiert und sukzessiv ins Training meiner Klienten integriert.
Das Feedback, das ich dafür erhalten habe, war überwältigend positiv. Ganz besonders diejenigen, die mit Cardio förmlich auf dem Kriegsfuß standen, schienen richtig angefixt zu sein.
Aber was ist Rucking eigentlich?
Rucking ist Wandern mit Gewicht. Wie der Name schon andeutet, wird ein mit Gewichten beladener Rucksack getragen. Vielleicht fragst du dich an dieser Stelle, warum irgendjemand freiwillig Gewichte durch die Gegend schleppen sollte?!
Nun, ich habe selbst schon vor vielen Jahren die Entdeckung gemacht, dass das Tragen von Gewichten eine der effektivsten und wohl auch natürlichsten Ausdauerübungen überhaupt ist.
Gehen vs. Rennen
Dauerläufe sind energetisch ineffizient und es ist sicher kein Zufall, dass Marathonläufer sehr verletzungsanfällig sind.
Die Bewegung beim Laufen, das Aufkommen auf Vorder- oder Mittelfuß, ist energetisch ineffizient und mit hohen Spitzenbelastungen für die Gelenke verbunden. Das normale Gehen, wo die Hacke zuerst aufkommt und dann eine Abrollbewegung einsetzt, ist energetisch wesentlich effizienter und deshalb die natürliche Technik beim Gehen (auch bei Urvölkern, die sich dem Einfluss moderner Zivilisationen weitestgehend entziehen, wurde diese Technik als Standard beobachtet).
Beim Rennen muss die Technik aber zwangsläufig umgestellt werden, um mehr Tempo zu bekommen. Doch damit einher geht auch eine größere Belastung für Gelenke, Sehnen, Bänder und Muskeln (insbesondere Waden).
Ein Gewicht über weite Strecken zu tragen, war im Gegensatz dazu für Menschen, eigentlich Jäger und Sammler, seit jeher die Hauptaktivität schlechthin.
Und wenn du mal ehrlich bist: Kommst du nicht ziemlich aus der Puste, wenn du beispielsweise Getränkekästen die Treppen hoch in deine Wohnung schleppst? Das ist Real World Training!
Die Vorteile des Ruckings
Gewichte zu tragen stellt das Herz-Kreislauf-System vor große Herausforderungen und hat deshalb einen starken Trainingseffekt. Zugleich werden viele Kalorien verbrannt. Aus einer NATO Studie geht hervor, dass du, wenn du mit einer Geschwindigkeit von rund 6,5 km/h mit 20 kg Marschgepäck auf Wanderung gehst, mit einem Kalorienverbrauch von 750-1400 kcal rechnen kannst. [3]
Einer der wichtigsten Trainingsaspekte ist zudem der Rücken. Durch Rucking bekommst du einen starken, stabilen Rücken! Deine Knochen werden stabiler, deine Muskeln gestärkt. Das ist schon nach wenigen Wochen fühlbar.
Der Rückenexperte und Autor mehrerer einschlägiger Bücher Dr. Stuart McGill geht zudem davon aus, dass Rucking hilft, Rückenschmerzen zu beseitigen und präventiv vorzubeugen. Das hat er in einer hörenswerten Podcastfolge erklärt. [4]
Während beim Joggen Spitzenkräfte vom 7-12fachen Körpergewicht auf deinen Gelenken lasten, kommst beim Rucking höchsten das 2-3fache deines Körpergewichts, das auf den Knien lastet. Du bewegst dich zwar länger, aber die Spitzenkräfte sind viel geringer, weshalb Rucking als gelenkschonend und vor allem -stärkend gilt.
An dieser Stelle soll trotzdem festgehalten werden, dass Rucking eher nicht für diejenigen geeignet ist, die schon übergewichtsbedingte Gelenkprobleme haben. Da sollte man zunächst via Radfahren, Schwimmen und einigen Kraftübungen im Studio sowie einer Ernährungsumstellung Körperfett verbrennen.
Nun könntest du dich fragen: Wenn Übergewicht Gelenkprobleme verursacht, kann dann nicht auch das gleiche durch Rucking passieren?
Da kann ich dich beruhigen: Gelenkprobleme werden über Jahre hinweg aufgebaut, durch anhaltende, übermäßige Belastung. Übergewicht trägt man 24/7 mit sich rum. Rucking machst du allerhöchstens ein paar Stunden. Normale Workouts für Einsteiger gehen nur 30-60 Minuten.
Das ist der feine Unterschied zwischen stärkendem Training und degenerierender Dauerbelastung!
Unterm Strich: Durch Rucking stärkst du deine Ausdauer, dein Herz, deine Rückenmuskeln, deine Gelenke und kommst zugleich mehr nach draußen, wo viele von uns ohnehin zu wenig Zeit verbringen.
Das Beste: Du kannst das perfekt mit Freunden oder Familie verbinden. Einfach mal am Wochenende in die Natur fahren und wandern. Wenn du dabei Gewicht trägst, ist das im Grunde eine der natürlichsten Trainingsformen überhaupt. Wenn du auf der anderen Seite dabei mal alleine bist, kannst du entspannt Hörbüchern oder Podcasts lauschen. Probier es aus!
Cardio für Cardiomuffel #3: Sex
Das Beste zum Schluss. Sex stärkt dein Immunsystem, reduziert Stress, senkt den Blutdruck, verbessert deinen Schlaf, steigert die Libido, reduziert das Risiko für Herzkrankheiten und kann schmerzlindernd wirken, zum Beispiel bei chronischen Rückenschmerzen. Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, dass Sex Kopfschmerzen und Migräne lindern oder gar beseitigen kann. [5]
Sex hat also sehr positive Auswirkungen auf deine allgemeine Gesundheit, dein Hormonsystem und dein Herz-Kreislauf-System, obwohl absolut gesehen deutlich weniger Kalorien dabei verbrannt werden als bei klassischen Ausdauerübungen.
Bei durchschnittlichem Sex werden etwa 3-5 kcal pro Minute verbrannt, wobei die Intensität natürlich auch noch gesteigert werden kann (PS: Wassermelone kann dabei helfen) Beim Joggen kannst du von etwa 7 kcal pro Minute ausgehen, das allerdings über einen deutlich längeren Zeitraum.
Sex ist daher was den Kalorienverbrauch angeht eher eine bescheidene Cardioaktivität, die aber vor allem reichlich cardioähnliche Nebenwirkungen für deine Gesundheit und dein Herz hat.
Und genau darum geht es beim Cardio ja eigentlich in erster Linie. Wenn du nämlich effektiv abnehmen willst, ist Cardio eher zweitrangig. Eine gute, beschleunigende Ergänzung. Aber die Hauptsäulen der Fettverbrennung sind Krafttraining und eine auf dem Sättigungsprinzip basierende Ernährung.
Daher ist Sex trotz eher geringerem Kalorienverbrauch auch die perfekte Cardio-Ergänzung für deine Fitness und Gesundheit. Und, seien wir mal ehrlich, es macht auch einfach Spaß. Teamsport macht eigentlich immer mehr Spaß, weil Menschen als soziale Wesen auf Dauer schlicht den Kontakt zu anderen brauchen – und nirgendwo kommt man sich näher als beim Sex.
Ich weiß, Singles hatten gerade durch das Coronavirus eine harte Zeit, aber umso größer dürfte jetzt die Abenteuerlust sein. Also nur zu, schwing die Hüfte, dein Herz wird es dir danken.
Quellen:
- 1.Chen W-H, Wu H-J, Lo S-L, Chen H, Yang W-W, Huang C-F, et al. Eight-Week Battle Rope Training Improves Multiple Physical Fitness Dimensions and Shooting Accuracy in Collegiate Basketball Players. Journal of Strength and Conditioning Research [Internet]. 2018 Oct;2715–24. Available from: http://dx.doi.org/10.1519/JSC.0000000000002601
- 2.Fountaine CJ, Schmidt BJ. Metabolic Cost of Rope Training. Journal of Strength and Conditioning Research [Internet]. 2015 Apr;889–93. Available from: http://dx.doi.org/10.1519/JSC.0b013e3182a35da8
- 3.van Dijk J. COMMON MILITARY TASK: MARCHING [Internet]. COMMON MILITARY TASK: MARCHING. Available from: https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.214.8896&rep=rep1&type=pdf
- 4.McGill S. 031 – Dr. Stuart McGill [Internet]. Glorious Professionals. Available from: https://www.gloriousprofessionals.com/episodes/031-dr-stuart-mcgill
- 5.Hambach A, Evers S, Summ O, Husstedt IW, Frese A. The impact of sexual activity on idiopathic headaches: An observational study. Cephalalgia [Internet]. 2013 Feb 19;384–9. Available from: http://dx.doi.org/10.1177/0333102413476374
(Bildquellen: © Rido – stock.adobe.com / © Chad Zuber – shutterstock.com)