Der Aufbau von Kraft sollte der erste Schritt eines jeden Athleten sein, nachdem er den Körper an Krafttraining gewöhnt hat. Anders gesagt: Nach der Einstiegsphase, wie sie beispielsweise das von mir entwickelte 20-wöchige Programm (siehe: Trainingsplan für Anfänger) darstellt, sind weder Muskelaufbau noch Fettabbau empfehlenswerte Ziele. Das liegt daran, dass mit mehr Kraft mehr Gewicht bewegt werden kann. Daraus folgt unmittelbar, dass größere Wachstumsreize für die Muskulatur gesetzt werden können und das Training selbst mehr Energie verbraucht. Demzufolge begünstigt der Aufbau von Kraft die beiden anderen Ziele und sollte deshalb auch primäres Ziel sein.

Es sei an dieser Stelle gesagt, dass Kraftaufbau lediglich eine Schwerpunktsetzung ist. Der Aufbau von Kraft geht unweigerlich mit einem Aufbau an Muskulatur einher. Zwar kann die Kraft auch durchaus beim Fettabbau vergrößert werden, allerdings funktioniert das wesentlich langsamer. Welches Sekundärziel, also Muskelaufbau oder Fettabbau, letztendlich erreicht wird, hängt von der Ernährung, speziell von der Kalorienzufuhr, ab. Wie schon erwähnt ist es empfehlenswerter Kraft mit Muskelaufbau zu kombinieren, doch dazu kommen wir weiter unten bei der Ernährung. Zunächst müssen wir klären, was Kraft eigentlich ist und wie wir sie nutzen.

Grundwissen Kraftentfaltung

Betrachten wir die Kraft zunächst vom physikalischen Standpunkt. Es gibt unterschiedliche Arten von Kraft, die für uns relevante ist die klassische newton’sche Gleichung F=m*a – in Worten: Kraft ist gleich Masse mal Beschleunigung. Sie gilt, wenn die Masse konstant ist – näherungsweise ist dies bei uns der Fall. Masse verändert sich mit der Geschwindigkeit, was jedoch bei derart geringen Geschwindigkeiten vernachlässigt werden kann. Bei hohen Geschwindigkeiten hingegen wird auch die Masse immer größer, so dass folgerichtig die benötigte Energie (E=m*c² ) steigt – sie würde mit Annäherung an die Lichtgeschwindigkeit ins unendliche steigen, so dass wir die Lichtgeschwindigkeit nicht erreichen können. Doch das nur als kleine Zusatzinfomation am Rande. Zurück zur klassischen Kraftgleichung.
Was sagt diese aus? Nun zunächst, dass Kraft von Masse und Beschleunigung abhängt. Beschleunigung ist Geschwindigkeit durch Zeit. Die Kraft wird größer, wenn die Masse oder die Beschleunigung größer wird. Im Training bedeutet das, wir wenden mehr Kraft auf, wenn wir das Gewicht schneller Bewegen oder mehr Scheiben auflegen.

Progression

Um Fortschritte zu machen, müssen wir progressiv sein – daran führt kein Weg vorbei. Doch wie erreichen wir diese Progression? Indem wir uns an der Kraftgleichung orientieren. Wir haben nun grob gesehen, wovon die Kraft abhängt und damit haben wir auch unsere Progressionsmöglichkeiten. Wir können das Gewicht entweder schneller bewegen oder mehr Gewicht auflegen. Schauen wir uns diese beiden Faktoren näher an.

Beschleunigung

Zum optimalen Kraftaufbau sollte das Gewicht immer so explosiv wie möglich bewegt werden. Wie schnell die Hantel letztendlich bewegt wird, spielt keine Rolle. Ein Mangel an Geschwindigkeit wird durch höheres Gewicht kompensiert. Warum soll die Hantel stets explosiv bewegt werden? Das hängt mit der Beschaffenheit unserer Muskeln zusammen. Es gibt grundsätzlich schnell-zuckende und langsam-zuckende Muskelfasern (Typ I und II). Beim Typ II gibt es noch die Unterteilung in Typ IIa, IIx und IIb, doch für unsere Zwecke reicht vorerst die Einteilung langsam-zuckend und schnell-zuckend. Hier gilt es zu wissen, dass die langsam-zuckenden Fasern für Ausdauerbelastungen genutzt werden. Bei einem Dauerlauf sprechen wir beispielsweise diese Fasern an. Sie sind von Natur aus eher klein und spielen bei der optischen Zusammensetzung unseres Körpers keine Rolle und nur eine sekundäre beim Aufbringen maximaler Kraft.
Ziel ist es also, die schnell-zuckenden Muskelfasern anzusprechen. Diese machen mehr Gewicht aus und sorgen daher auch für einen höheren Energieverbrauch und Nachbrenneffekt – sind also auch beim Fettabbau von primärer Bedeutung (also nicht Joggen, sondern Sprinten oder schweres Eisen stemmen!).
Bleibt festzuhalten: Führe eine Bewegung immer so explosiv wie möglich aus, um auch die schnell-zuckenden Fasern zu attackieren.

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Gewicht

Eine Erhöhung des Gewichtes ist der wichtigste Progressionsschritt, denn wir haben mit dem bisher verwendeten Gewicht unseren derzeitigen Entwicklungsstand erreicht und müssen daher für größere Reize sorgen, um weiter wachsen zu können. Wer Kraft aufbauen will, muss stets das Gewicht erhöhen. Klar, so viel sagt uns eigentlich schon der gesunde Menschenverstand. Doch wie kann man dafür sorgen, dass die Gewichte stets steigen? Die Ernährung hat einen gewissen Einfluss, den wir weiter unten noch besprechen. Es gibt zunächst aber deutlich wichtigere Aspekte – sie entscheiden über den Erfolg im Training. Wer es versäumt progressiv zu trainieren, kann weder sein Aussehen noch seine Leistung verbessern.

Progressionsfaktoren

Der Wille

Die absolute Grundbedingung dafür, seine Gewichte stets steigern zu können, ist die Willenskraft. Man muss im Training alles geben, konzentriert und leidenschaftlich zu Werke gehen und dem Scheitern keine Option einräumen. Der Geist muss darauf brennen, den Körper zur Bewältigung des Widerstandes zu bewegen.
Immer wieder liest man von prozentualen Gewichtungen der einzelnen Aspekte bezüglich des Trainingsfortschrittes. Beispielsweise behaupten manche 70% macht die Ernährung aus, 30% das Training. Es gibt da auch andere Gewichtungen, was aber letztlich über allem steht und im Einzelnen gar nicht aufgelistet wird, ist der Wille.     Er spiegelt sich sowohl in der Ernährung als auch im Training wieder und steht damit gewissermaßen über den Dingen. Man kann sich an den besten Ernährungs- und Trainingsplan halten und dennoch keinen Erfolg zielen, wenn man charakterlich nicht stark genug ist. Es sind genau diese Anforderung an den Charakter, die Widerstandstraining zu einem der besten Entwicklungsinstrumente überhaupt macht.

Variation

Der Körper passt sich an bestimmte Reize an. Um kontinuierlich Fortschritte zu machen, müssen neue Reize gesetzt werden – das Training sollte also stets variationsreich gestaltet werden. Abwechslung kann im Großen durch neue Trainingspläne, Übungsaustausch, Änderung der Wiederholungszahl und so weiter erzeugt werden. Aber auch im Kleinen kann variiert werden. Beispielsweise lässt sich die Hand- oder Fußstellung von Einheit zu Einheit variieren. Man kann beim Kreuzheben mal normal, mal im Kreuzgriff, mal im sehr breiten Griff die Stange fassen. Oder man absolviert Klimmzüge im Obergriff, Untergriff, neutralen Griff und variiert zudem den Handabstand. Bei jeder Übung kann man mit Hand- und Fußstellung viel Variation reinbringen. Diese besondere Art der Variation ist zudem wichtig, um die Gelenke nicht permanent auf die gleiche Art und Weise zu belasten und langfristig möglicherweise zu überlasten. Beim Hochfrequenztraining kommt dem natürliche eine ganz besonders hohe Bedeutung zu, da häufiger trainiert wird. Aber auch normale Trainingsprogramm profitieren von Abwechslung.

Streitpunkt Muskelversagen

Aufmerksame Leser dieses Blogs wissen bereits, dass Muskelversagen die Regeneration stark in die Länge zieht. Das liegt darin begründet, dass ein Versagen der Muskeln letztlich mehr ein Ersticken ist – der Muskel wird von der Blutzufuhr abgeschnitten, so dass weder Abfallstoffe der Verbrennungsprozesse abtransportiert, noch neue Nährstoffe und Energie hineintransportiert werden können. Die daraus folgende deutlich längere Regenerationszeit ist absolut kontraproduktiv, vor allem wenn es um den Aufbau von Kraft geht. Es ist auch beim reinen Muskelaufbautraining sinnvoller, häufiger an der Leistungsgrenze zu trainieren statt selten aber dafür ausschließlich über diese hinaus zu gehen – denn letztlich geht auch der Muskelaufbau schneller von statten, wenn die Kraft wächst (und das sollte sie auch beim Hypertrophietraining).
Warum sind seltene Trainingseinheiten für Kraftzuwächse ungeeignet? Weil es hier nicht nur darum geht, mehr Muskeln aufzubauen, um mehr Kraft generieren zu können, sondern auch darum die Bewegung zu optimieren. Führen wir eine Bewegung zum ersten Mal aus, so wird sie relativ unkoordiniert und ineffizient vonstattengehen. Das ZNS  (Zentralnervensystem) kann die einzelnen Kontraktionen noch nicht sauber koordinieren. Wird eine Bewegung häufiger ausgeführt, so verbessert sich die Koordination und es wird letztlich mehr Kraft entfalten. Denn was viele nicht wissen: Wir haben bereits die Muskeln, um schwere Gewichte zu bewegen, aber wir können die Kraft noch nicht entfalten. Selbst professionelle Gewichtheber können in der Regel höchstens bis zu 50% ihrer Kraft entfalten – wir normalen Sportler liegen noch weit darunter.
Häufiges Training sorgt für eine bessere Konditionierung des ZNS und damit für größere Kraftzuwächse. Um es kurz zu machen: Beuge viel, um viel beugen zu können!
Auf dem ersten Blick scheint sich diese ZNS-Konditionierung mit der Variation zu widersprechen. Einerseits sollen wir möglichst häufig variieren und andererseits Bewegungen effizient einprogrammieren. Bis zu einem gewissen Punkt ist das tatsächlich ein Widerspruch – man sollte nicht ständig Systeme wechseln und Übungen austauschen, also nicht allzu oft im Großen variieren. Aber es geht hier um kleine Veränderung wie die oben erwähnten Fuß- und Hantelstellungen sowie die Hantelablage (beispielsweise auch mal Frontkniebeugen statt normalen Kniebeugen). Diese sorgen dafür, dass wir eingeschliffene Bewegungsmuster durchbrechen und umfassendere Kraftentfaltung trainieren – und dabei die Gelenke fit halten. Verletzungen sind nämlich eines der größten Übel in der Trainingswelt. Nicht selten führen sie sogar dazu, dass das Training gänzlich eingestellt wird. Kleine Variationen sorgen dafür, dass es stets Fortschritte gibt – große Variationen hingegen erfordern wieder eine länger andauernde Neukonditionierung des ZNS.

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Ein kleines Fazit

Ziehen wir nun schon einmal ein Fazit mit den wichtigsten Dingen, die es beim Aufbau von Kraft zu beachten gilt.

Um optimal Kraft aufzubauen, müssen wir bei einer möglichst explosiven Bewegung das Gewicht so oft wie möglich steigern.

Diese Steigerung wird primär durch folgende Verhaltensweisen erreicht:

  • sei leidenschaftlich, konzentriert und diszipliniert
  • variiere häufig im Kleinen
  • trainiere hochfrequent

Trainingsparameter

Kommen wir nun zu den grundlegenden Trainingsparametern. Zunächst lohnt es sich einen Blick auf den Wiederholungsbereich zu werfen. Dieser sollte nämlich möglichst niedrig sein. Warum? Das hängt mit den Muskelfasern zusammen. Was ich bisher noch nicht erklärt habe, ist die Tatsache, dass bei einer Belastung mit hohen Gewichten alle Muskelfasern rekrutiert werden. Häufig wird geglaubt, langsam-zuckende Fasern werden ausschließlich für Ausdauerbelastungen, schnell-zuckende Fasern für große Kraftentfaltungen genutzt. In Wahrheit aber gibt es eine festgelegte Reihenfolge, wie die Fasern aktiviert werden. Der Körper beginnt immer mit der Aktivierung der kleinsten Fasern (also die langsam-zuckenden) zuerst, danach kommen dann, wenn der Körper merkt, dass ein höherer Kraftaufwand erforderlich ist, die mittleren und die großen (die einzelnen Typen der schnell-zuckenden). Dies ist notwendig, um eine Bewegung ausreichend koordinieren zu können. Folglich beansprucht das Training mit hohem Gewicht alle Muskelfasern. Somit werden mehr Muskelfasern einbezogen und zum Wachstum angeregt – das führt letztlich zu mehr Kraft. Wer mit höheren Wiederholungen trainiert, reizt die größten Muskelfasern nicht genügend aus. Daher sollten bei durchgehenden Wiederholungen maximal 6 pro Satz erfolgen – zwischen 3 und 6 Wiederholungen ist ein guter Bereich für den Aufbau von Kraft.

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Sehen wir uns weiterhin die Pausenzeit an. Zunächst gilt es festzuhalten, dass aufgrund der verschiedenen Energiebereitstellungssysteme der Körper bei hohen Belastungen in niedrigen Wiederholungsbereichen schneller regeneriert – zumindest das Herz-Kreislauf-System. Bei extrem hohen Belastungen benötigt allerdings das ZNS eine gewisse Regenerationszeit.
Beim Training auf Kraft geht es vor allem um eine Optimierung des ZNS – es soll darauf programmiert werden, hohe Gewichte sauber zu bewegen. Dafür sollte der Körper stets möglichst ausgeruht sein, weshalb beim Kraftaufbau die Pausenzeiten etwas länger sein sollten – 3 bis 4 Minuten sind ein guter Richtwert. Wer sich früher fit fühlt, der beginnt den neuen Satz eben früher. Man sollte sich hierbei nicht zu sehr an Zahlen festhalten, sondern mehr nach Gefühl gehen.

Das war es auch schon mit dem grundlegenden Trainingswissen zum Aufbau von Kraft. Werfen wir zum Schluss noch einen kleinen Blick auf die Ernährung.

Ernährung zum Kraftaufbau

Grundsätzlich kann man sich bei der Ernährung entscheiden, ob man auf Muskelaufbau oder Fettabbau geht. Ein Kalorienüberschuss ist für den Muskelaufbau ideal, wohingegen ein Kaloriendefizit beim Fettabbau notwendig ist. Wie weiter oben bereits erklärt, funktioniert der Aufbau von Kraft deutlich besser in Kombination mit einer Muskelaufbauernährung. Das liegt ganz einfach darin begründet, dass mehr Muskelmasse auch mit mehr Kraft einher geht – wie viel Kraft entfaltet werden kann, wird einerseits durch die Muskelmasse und andererseits durch das ZNS bestimmt.

Ich empfehle daher ganz klar einen Kalorienüberschuss, wenn es um den Aufbau von Kraft geht. Wie immer gebe ich auch hier keine Zahlen vor. Ich empfehle, die Kalorienmenge so lange zu steigern, bis das Körpergewicht langsam zunimmt – sprich bis Muskeln aufgebaut werden. Die Kalorienmenge sollte nicht zu groß sein, denn ansonsten wird übermäßig viel Körperfett aufgebaut.

Ansonsten sollte natürlich wie immer darauf geachtet werden, dass die Nahrungsmittel so naturbelassen wie möglich sind und ausreichend Mikronährstoffe zugeführt werden – also viel Obst und Gemüse gegessen wird.

Ein letzter wichtiger Punkt bei der Ernährung ist die Kohlenhydratzufuhr. Ich empfehle vor und nach dem Workout ruhig etwas mehr Kohlenhydrate zu essen als normalerweise. Denn beim Kraftaufbau wird mit hohen Gewichten trainiert und ab einer gewissen Intensitätsstufe greift der Körper primär auf Kohlenhydrate zurück. Diese kommen entweder von außen oder vom muskeleigenen Glykogen. Die Glykogenspeicher sollten immer so schnell wie möglich aufgefüllt werden, um schnellstmöglich regenerieren zu können.

Zusammenfassung

Um optimal Kraft aufzubauen, sollte man so oft wie möglich mit hohen Gewichten trainieren und zudem stets ein wenig variieren. Es sollte ein kleiner Kalorienüberschuss zur Verfügung stehen und vor und nach dem Workout genügend Kohlenhydrate zugeführt werden. Kraftentfaltung ist eine Fähigkeit, die primär über den Willen gesteuert und beherrscht wird.

(Bild: By Kareemadel (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons)