Schon oft wurde ich gefragt: „Wann ist die ideale Zeit fürs Training? Soll ich besser morgens oder abends trainieren?“
Diese Frage scheint viele Sporttreibende, die „mehr aus dem Training“ holen wollen, zu beschäftigen. Ich denke, der Grund dafür ist ganz einfach, dass immer häufiger Begriffe wie „Biorhythmus“ durch die Medien geistern, die uns glauben machen wollen, es gäbe eine universelle, ideale Trainingszeit, zu der wir maximale Leistung erbringen können.
In diesem Artikel erfährst du:
- Ob es eine „ideale Trainingszeit“ gibt.
- Welche Trainingszeit aus trainingstheoretischer Sicht die beste ist.
- Was man bei der Trainingsplanung beachten sollte.
- Wie du mit dem 3-Punkte-Plan blitzschnell die für dich beste Trainingszeit findest.
Die beste Zeit zum Trainieren – Das sagt die Trainingstheorie
Hinter modern und gewichtig klingenden Begriffen wie Biorhythmus (der übrigens noch nicht erwiesen ist) steckt eigentlich nur die simple Frage: Wann bin ich am leistungsfähigsten?
Das ist alles, worum sich auch die trainingstheoretische Sicht dreht, denn für ein „optimales Workout“ geht es schlicht darum, maximale Leistung erbringen zu können. Wenn du also wissen willst, wann du (aus dieser Perspektive) am besten trainieren solltest, musst du dich ganz einfach nur fragen, wann du dich in der Regel besonders energiegeladen und kraftvoll fühlst.
Um nichts anderes dreht sich übrigens auch die Ernährung vor dem Workout! Auch das wurde ich schon oft gefragt und auch dabei geht es schlicht darum, möglichst leistungsfähig ins Training gehen zu können. Dafür muss man also keine Fachbücher lesen, sondern ganz einfach Erfahrungswerte reflektieren.
Im Unterschied zum Trainingszeitpunkt gibt es bei der Ernährung allerdings einige biochemische Grundlagen, die für uns alle gelten. So kann ich dir beispielsweise versichern, dass dir mit einer Tafel Schokolade vor dem Workout schnell die Puste ausgehen wird und du über die Dauer einer durchschnittlichen Trainingseinheit gewiss nicht deine beste Leistung wirst abrufen können.
Dagegen kann ich dir nicht sagen, wann genau im Tagesverlauf du deine beste Leistung wirst erbringen können. Denn sämtliche Erfahrungen, die ich dazu sammeln konnte, legen nahe, dass es zu gewichtigen Teilen eine Frage der Adaption ist. Ich habe schon oft erlebt, dass vermeintliche „Nachteulen“ sich in kürzester Zeit an morgendliches Training (und davon abgesehen auch an früheres Aufstehen) gewöhnen und fortwährend zu dieser Zeit hervorragende Leistungen erbringen konnten.
Das ist der Grund dafür, dass es für die Trainingsplanung vollkommen zweitrangig ist, wann der aus trainingstheoretischer Sicht angeblich ideale Zeitpunkt für ein Workout wäre! Denn dieser ist durchaus flexibel und es gibt viel wichtigere praktische Aspekte, die man bei der Trainingsplanung berücksichtigen sollte.
Der 3-Punkte-Plan
Nachfolgend erfährst du der Reihe nach, was aus der Sicht eines Coaches entscheidend für die Festlegung geeigneter Trainingszeiten ist und bei der Planung berücksichtigt werden sollte.
Wichtig dabei: Die zu berücksichtigen Aspekte sind entsprechend ihrer Priorität geordnet. Das bedeutet, wenn dir schon #1 eine klare Antwort gibt, wann es für dich am besten ist zu trainieren, brauchst du die nachfolgenden Punkte gar nicht weiter zu berücksichtigen. Nur wenn es keine klare Antwort gibt, kommt der jeweils nachfolgende Punkt ins Spiel.
#1: Wann passt es dir am besten?
Das ist tatsächlich die wichtigste Frage. Offensichtlich wägt das ohnehin jeder ab, wirst du jetzt vielleicht sagen, aber meiner Erfahrung nach eben nicht mit der nötigen Priorität.
Viele machen sich mehr Gedanken um den eingangs erwähnten trainingstheoretisch idealen Zeitpunkt als darum, wann es am besten in den schon bestehenden Tagesablauf passt – das ist aber ungleich viel wichtiger!
Mich interessiert grundsätzlich vor allem die langfristige Entwicklung und dabei kommt es vor allem darauf an, die Motivation nicht zu verlieren. Wenn du bei der Planung solche Hindernisse nicht berücksichtigst und dich aufgrund irgendwelcher biorhythmischer Erwägungen auf eine Trainingszeit festlegst, die du langfristig wahrscheinlich gar nicht regelmäßig wirst einhalten können, dann planst du dein Scheitern.
Dieser Punkt steht also über allen anderen: Wann passt es dir am besten?
Dabei kannst du übrigens auch durchaus flexibel sein! Es spricht nichts dagegen, zu verschiedenen Zeiten zu trainieren, wenn dies am besten in deinen Alltag passt.
Theoretiker mögen einwenden, dass man sich an eine Trainingszeit gewöhnen kann und fortwährend zu dieser Zeit bessere Leistungen erbringen kann, während man auf der anderen Seite auch mal Energietiefs erwischen kann, wenn man zu wechselnden Zeiten trainiert.
Dieser Gedankengang ist tatsächlich gar nicht so abwegig. Ich aber sage: Am wichtigsten ist es, überhaupt zu trainieren. Dranbleiben ist das A und O erfolgreichen Trainings!
Die Leistung ist ein sekundärer Aspekt, zumal der Körper diesbezüglich sehr anpassungsfähig ist. Das habe ich festgestellt, als ich in einer Testphase über den Tag verteilt trainiert habe – mit der Zeit lernte mein Körper tatsächlich flexibler leistungsfähig zu sein.
Doch nehmen wir nun einmal an, du bist zeitlich durchaus flexibel und könntest es sowohl morgens als auch am Nachmittag/frühen Abend einrichten, trainieren zu gehen. Wenn der Alltag also kein Zeitfenster „vorschreibt“: Wann wäre dann der beste Zeitpunkt?
Mich interessiert nun in erster Linie, wie es um die Motivation meines Gegenübers bestellt ist. Fällt es ihr/ihm manchmal schwer, sich fürs Training zu motivieren?
#2: Kannst du es kaum erwarten, trainieren zu gehen, oder fällt es dir manchmal schwer, dich zu motivieren?
Diese Frage stellt das zweitwichtigste Kriterium da. Falls du nämlich gelegentlich Probleme hast, dich zu überwinden, rate ich dazu, morgens trainieren zu gehen. Als SP-Leser weist du sicher, dass ich viel Wert darauf lege, Training und Bewegung langfristig zum Selbstzweck zu machen – aus Begeisterung trainieren zu gehen, statt sich überwinden zu müssen.
Doch auch das ist ein Prozess – man wacht nicht morgens auf und denkt sich „Geil, Fitness!!!“. Bis man dahin kommt, ist Disziplin wichtig. Manchmal braucht man sie einfach, um die eigene Trägheit zu überwinden.
Allerdings ist die Disziplin als Teil der Willenskraft einem Muskeln ziemlich ähnlich – durch Benutzung wird sie zunächst einmal erschöpft und muss sich regenerieren. Im Alltag, ganz besonders im Job, gibt es immer wieder Situationen, in denen man sich überwinden muss, sodass die Willenskraft nach der Arbeit manchmal deutlich niedriger ist als davor.
Anders gesagt: Morgens ist man noch frisch und „unbelastet“ vom Tag. Abends dagegen ist man manchmal erschöpft und freut sich darauf zu entspannen – dann ist umso schwieriger sich fürs Training zu motivieren und zudem zusätzlichen Stress verursachen, wenn man immer wieder daran denkt, dass man nachher noch trainieren „muss“. (Es ist eigentlich kein Muss, aber so nehmen das viele in der beschriebenen Situation wahr.)
Für wen das Training also noch nicht fester und geradezu selbstverständlicher Teil des Alltags geworden ist, dem empfehle ich morgens zu trainieren.
Vorteil: Danach fühlt man sich umso besser, weil man den ganzen Tag über im Hinterkopf hat, schon etwas konstruktives für den Körper, für die Fitness und Gesundheit getan zu haben. Das kann ein sehr befreiendes Gefühl sein. Zudem setzt Sport bekanntermaßen Endorphine frei, sodass man bei allem, was man danach tut, schlicht glücklicher und zufriedener ist – und entsprechend motivierter zur Arbeit geht!
Bist du jedoch begeisterter Sportler und kannst dich auch abends gut motivieren, kommen wir zum dritten und abschließenden Aspekt, den wir berücksichtigen sollten.
#3: Bist du besonders verletzungsanfällig und hast keine Lust auf ausgedehnte Warm ups?
Nun, das Training am Morgen bietet einige wichtige Vorteile, aber durchaus auch Nachteile. Besonders entscheidend: Morgens ist man deutlich steifer und benötigt daher ein umfassenderes Warm up, während Muskeln und Bindegewebe nachmittags/abends schon flexibel und geschmeidig sind.
Dieser Aspekt wird mit zunehmendem Alter umso wichtiger, weil der Effekt (mangelhafte Beweglichkeit und Geschmeidigkeit am Morgen) sowie die generelle Verletzungsanfälligkeit zunehmen.
Man kann dennoch morgens trainieren, sollte sich dann aber, wie bereits angemerkt, mehr Zeit für die Erwärmung nehmen.
Wer darauf wenig Lust hat und/oder sich selbst als verletzungsanfällig betrachten würde, sollte entsprechend lieber abends trainieren gehen.
Trainingszeit – Nur ein Detail
Wenn du dich bis hierhin noch nicht wirklich entscheiden bzw. keine Trainingszeit ausschließen konntest, dann gibt es keine rationalen Gründe, die für oder gegen eine bestimmte Zeit sprechen und du kannst entsprechend aus den verfügbaren Zeitfenster frei und nach Lust wählen.
Abschließend möchte ich dir noch zwei Dinge mit auf den Weg geben.
Erstens: Dieser Artikel bietet denen eine Entscheidungshilfe, die sich bisher unschlüssig waren, zu welcher Zeit sie am besten trainieren können. Vor allem aber räumt er mit dem Irrglauben auf, es wäre zu einer bestimmten Zeit grundsätzlich besonders effektiv und man könnte sich durch solches „Insider-Wissen“ einen Vorteil verschaffen – keine Chance! Was wirklich zählt, worauf es wirklich ankommt, ist, dass du überhaupt trainieren gehst – bzw. dich möglichst oft und vielseitig bewegst.
Damit wären wir auch schon beim zweiten Punkt: Training ist nicht alles und Training allein ist kaum in der Lage, uns wirklich gesund zu machen und zu halten, denn dafür reicht die Trainingszeit nicht aus. Mal ehrlich: Wie oft und lange trainiert man in der Woche? Der durchschnittliche Freizeit-Athlet vielleicht 3-5x pro Woche zu je 30-60 Minuten. Soll das das Bewegungspensum sein, auf das sich der menschliche Körper in der Evolution eingestellt hat?!
Nein, natürlich nicht. Das reicht bei weitem nicht, um ihn gesund, beweglich und geschmeidig zu halten. Dafür gilt es auch jenseits des Trainings Bewegung und Mobilitätsübungen, beispielsweise Hanging oder auch Animal Movements oder auch nur Spaziergänge, ein paar Sprünge, Schulterdrehungen, Nackenkreisen, Spinal Waves, intuitiv in den Alltag zu streuen. Das ist es, was uns gesund macht und damit die richtige Basis für gezieltes Fitnesstraining bietet.
(Bild: © Panitan – Fotolia.com)