Ich habe im Laufe der Jahre immer wieder feststellen müssen, dass viele Menschen mit dieser Frage zu kämpfen haben. Es fällt vielen schwer, sich zu entscheiden, welches Ziel sie zuerst angehen sollten. Mal liest man, zuerst Körperfett verbrennen und dann Muskeln aufbauen. Woanders steht wieder das Gegenteil. Eine klare Antwort? Fehlanzeige.

Und so kommt es, dass viele Menschen sich tatsächlich nicht abschließend für ein Trainingsziel entscheiden und dann gewissermaßen zwischen den Stühlen sitzen: Auf der einen Seite wollen sie Muskeln aufbauen, also viel essen, auf der anderen Seite Körperfett verbrennen, also im Kaloriendefizit sein.

Letztlich nichts Halbes und nichts Ganzes. Das Ende vom Lied: Keines der beiden Ziele wird erreicht, die Fortschritte stagnieren in jeder Hinsicht. Dabei ist es eigentlich gar nicht so kompliziert! Damit es dir in Zukunft leichter fällt, die richtigen Prioritäten zu setzen, habe ich in diesem Artikel einige entscheidende Einsichten und klare Antworten für dich parat. Am Ende dieses Artikels wirst du endgültig wissen, welches Trainingsziel für dich Vorrang haben sollte. Wir werden die Frage also für verschiedene Ausgangssituationen und Rahmenbedingungen besprechen, um eine individuell passende Antwort zu finden.

Das primäre Ziel eines Trainingseinsteigers

Beginnen wir damit, woran sich Trainingseinsteiger orientieren sollten. Und das hat es bereits in sich: Trainingseinsteiger sollten weder Muskelaufbau noch Fettabbau gezielt anstreben.

Wenn du Bücher wie Nachhaltig Schlank gelesen hast, wird dir das bekannt sein, doch für viele dürfte das eine Überraschung sein. Doch es hat handfeste Gründe! Und die werde ich dir nachfolgend genau erläutern.

Warum Trainingsanfänger nicht auf Muskelaufbau trainieren sollten

Muskelaufbau ist nichts anderes als eine Anpassung des Körpers: Er adaptiert an die Trainingsreize. Denn herausforderndes Training verursacht winzige Verletzungen in den Muskeln, die repariert werden müssen. Die Stärkung des Muskelgewebes ist also eine Selbstschutzmaßnahme. Der Körper macht sich stärker, um sich zu schützen.

Das ist die Grundlage des progressiven Trainings. Doch wie smarte Athleten wissen: Nicht nur durch den Aufbau von Muskelmasse wird der Körper stärker, sondern auch durch die Verbesserung der Muskelkoordination.

Und das ist der entscheidende Fehler, den Anfänger begehen: Sie wollen durch schweres Training Muskeln aufbauen, verfügen jedoch über eine durchweg mangelhafte Koordination.

Dadurch steigt nicht nur die Gefahr von Verletzungen. Vielmehr erreichen sie ihr Ziel auch nicht. Denn je mehr Potential dem Körper bei der Koordinationsoptimierung bleibt, desto weniger Muskelmasse baut er auf.

Warum? Ganz einfach: Muskelaufbau kostet Unmengen an Energie. Der Aufbau selbst, aber auch der Dauerbetrieb der aufgebauten Muskelmasse. Es ist kein Geheimnis mehr, dass Muskeln auch in Ruhe sehr viel Energie verbrauchen (übrigens ein interessanter Zusammenhang, auf den wir später noch zurückkommen werden).

Auf der anderen Seite: Die Verbesserung der Koordination spart Energie. Klar, je effizienter du eine Bewegung ausführst, desto weniger Energie verbrauchst du dabei auch.

Und im Zweifelsfall entscheidet sich der Körper immer für die energetisch günstigere Variante – so funktioniert er einfach evolutionsbedingt. Das ist nebenbei gesagt der Grund dafür, dass es vielen Menschen so schwer fällt, Körperfett zu verbrennen.

Warum Trainingsanfänger nicht auf Fettabbau trainieren sollten

Zwar kommt es häufig vor, dass mit dem Einstieg ins Training auch ein bisschen Fett verbrannt wird – eine direkte Folge der veränderten Lebensumstände und meist auch einer ersten Ernährungsanpassung.

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Aber worauf kommt es beim wirklich effektiven und gezielten Fettabbau-Training eigentlich an? Vor allem auf zwei Dinge:

  1. Die Verwendung schwerer Trainingsgewichte, um die Muskeln zu schützen – für Anfänger gesundheitlich gefährlich und mangels Koordination kaum möglich.
  2. Die Integration hochintensiver Trainingseinheiten, um einen möglichst großen Nachbrenneffekt zu erzeugen – für Anfänger mit (noch!) mangelhafter Fitness ebenfalls unmöglich.

Das bedeutet unterm Strich: Ein Trainingsanfänger ist noch gar nicht in der Lage, effektives Fettverbrennungstraining zu betreiben!

Es fehlt die nötige Grundlagenfitness (Kraft, Ausdauer, Regenerationsfähigkeit etc.). Der bloße Versuch, als Trainingsanfänger effektives Fettverbrennungstraining zu betreiben, zieht wiederum zwei unerwünschte Effekte nach sich:

  • Die Verletzungsgefahr steigt deutlich, kürzere Trainingspausen von ein paar Tagen sind sogar die Regel.
  • Der Aufbau besagter Grundlagenfitness wird durch das Kaloriendefizit, aber auch durch die langen (notwendigen) Regenerationspausen nach intensiven Trainingseinheit (aufgrund mangelhafter Regenerationsfähigkeit) behindert.

Unterm Strich: Anfänger sollten nicht direkt auf Fettabbau trainieren.

Was sollten sie stattdessen tun, wenn weder Muskelaufbau noch Fettabbau eine smarte Option darstellen?

Das beste Trainingsziel für Anfänger

Nach den vorangegangenen Abschnitten wird es dir bereits klar sein: Trainingsanfänger sollten zunächst ihre Grundlagenfitness verbessern und den Körper schrittweise an die ungewohnte Belastung gewöhnen.

Das bedeutet:

  • Lerne die Technik der wichtigsten Kraftübungen, steige progressiv ins Gewichtstraining ein und baue eine beachtliche Grundlagenkraft auf. Wer noch keine 50 kg Beugen kann, brauch über Muskelaufbau und Fettabbau gar nicht erst nachzudenken! Es wäre ineffizient und kurzsichtig.
  • Trainiere zudem deine Ausdauer, um länger durchzuhalten, intensiver trainieren zu können und schneller zu regenerieren. Ganz richtig, Ausdauertraining hat einen erheblichen Einfluss auf deine Regenerationsfähigkeit. Wer keine 20 Minuten am Stück locker joggen kann, braucht sich nicht mit HIIT zu befassen!
  • Finde Spaß am Training! Vielleicht etwas überraschend, aber auch das ist ein wichtiges Trainingsziel für Anfänger. Ist ja schön, schon vom Fitnessmodel-Cover-Körper zu träumen, aber zuerst einmal sollte sichergestellt werden, dass du überhaupt langfristig dranbleibst. Denn das ist essentiell. Wer einen schönen und fitten Körper will, braucht einen langen Atem. Daran kann keine noch so ausgeklügelte Marketingstrategie etwas ändern (höchstens verschweigen…).

Darum geht es für Trainingsanfänger. Es ist vielleicht nicht das, was man hören will. Es ist nicht das, was auf dem Cover eines Magazins stehen wird. Aber es handelt sich hier um unverrückbare Tatsachen. Es ist das, was funktioniert. Ich kann es dir nach über 10 Jahren Erfahrung klipp und klar sagen: Jeder, der hier versucht abzukürzen, diese Grundprinzipien irgendwie zum Umgehen, scheitert.

Und wenn du ganz ehrlich zu dir bist, ist dir das auch bewusst. Mit Sicherheit hast du es selbst schon oft genug erlebt. Jeder von uns hat Freunde, die sich an ihr „Projekt Traumkörper“ gewagt haben. Fast alle haben diesen Weg gewählt (direkt auf Muskelaufbau/Fettabbau zu trainieren) und fast alle sind gescheitert. Diejenigen, die es geschafft haben, sind diejenigen, die jahrelang dabeigeblieben und geduldig progressiv vorgegangen sind.

Auf solider Grundlage – zuerst Muskeln aufbauen oder Fett abbauen?

Nehmen wir an, du hast die Grundlagen gemeistert und die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen. Du möchtest nun sowohl etwas Muskelmasse aufbauen als auch Körperfett verbrennen. Was kommt zuerst?

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Das ist der Punkt, an dem es wirklich nur eine individuelle Antwort geben kann. Denn hier müssen wir zwischen diesen drei Aspekten abwägen:

  1. Das rationale Argument: Warum ‚Muskelaufbau zuerst‘ aus theoretischer Sicht meist sinnvoller ist.
  2. Das emotionale Argument: Warum viele Menschen dennoch lieber zuerst Körperfett verbrennen sollten.
  3. Das rationale Argument Teil 2: Warum ‚Fettabbau zuerst‘ in manchen Fällen auch aus theoretischer Sicht sinnvoller sein kann.

Du siehst: Es kommt hier wirklich ganz und gar auf DICH an. Gehen wir die drei Aspekte Schritt für Schritt durch, um eine für dich maßgeschneiderte Lösung der richtigen Priorisierung zu finden.

Argument #1: Muskelaufbau ist die perfekte Grundlage für Fettabbau

Ich habe bereits angekündigt, darauf zurückzukommen: Muskeln verbrauchen auch in Ruhe viel Energie. Um Körperfett zu verbrennen, brauchst du ein Kaloriendefizit. Doch die Kalorienreduktion allein ist ein Weg, der nicht dauerhaft beschritten werden kann und schnell zum Jojo-Effekt führt. Stattdessen ist es sinnvoll, den Energieverbrauch zu erhöhen. Sowohl temporär durch intensives Training, als auch dauerhaft durch einen erhöhten Energieverbrauch.

Genau das wird durch den Aufbau von Muskelmasse gewährleistet. Das ist der Grund dafür, dass die erfolgreichsten Coaches meist zunächst dazu raten, Muskelmasse aufzubauen. Du willst zuerst den Stoffwechsel ankurbeln, ehe du großartig Körperfett verbrennst. Denn je niedriger deine tägliche Kalorienzufuhr ist, desto stärker versucht dein Körper seine Fettdepots zu beschützen. Das ist die Grundlage dafür, dass Menschen überleben konnten – eine simple Folge der Evolution.

Deshalb ist es aus theoretischer Sicht zunächst einmal besser, etwas mehr Muskelmasse aufzubauen. Sie ist der Schlüssel zu schnellem ebenso wie nachhaltigem Fettabbau – übrigens auch darin ersichtlich, dass der Jojo-Effekt meist eine Folge von Muskelabbau ist.

Argument #2: Mentale Barrieren sind Gift für den Muskelaufbau

Nun kann man beim Trainingsziel aber nicht rein rational argumentieren, wenn dahinter eben auch ein starker emotionaler Antrieb steckt. Es kommt folglich zunächst einmal darauf an, was du wirklich willst. Wenn es dir wichtiger ist, schlanker zu werden, ist der Muskelaufbau nicht der richtige Schritt.

Das ist übrigens ein Zwiespalt vieler von mir betreuter Athleten. Einerseits die rationale Seite, wonach Muskelaufbau sinnvoller wäre. Andererseits diese mentale Barriere, die sie haben, weil sie vor allem mit dem überschüssigen Körperfett unzufrieden sind.

Und das ist ein gewaltiges Problem, wenn du auf der einen Seite mehr essen musst, um effektiv Muskelmasse aufbauen zu können, und auf der anderen Seite Angst davor hast, dicker zu werden. Das mündet meist in halbherzigen Versuchen, die weder Körperfett reduzieren noch Muskelmasse erhöhen.

Wenn eine solche mentale Barriere auch bei dir besteht, ist es meiner Erfahrung nach besser, zunächst Körperfett zu verbrennen.

Muskelaufbau erfordert eine gewisse Hingabe, eine gewisse Entschlossenheit. Man muss sich beim Training reinhängen, man muss die richtigen Lebensmittel in ausreichender Menge zu sich nehmen. Wenn du nicht voll dahinterstehst, wenn du nicht voller Überzeugung dabei bist, hast du keine Chance.

Deshalb gilt es zu hinterfragen, was dir selbst wirklich am wichtigsten ist.

Wenn du dich wegen deines Bauches schämst, dich aufgrund deiner Fettpölsterchen ungern oder gar nicht am Strand zeigen willst, dann ist das einzig richtige Ziel für dich, zunächst Körperfett zu verbrennen.

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Denn es ist dann das derzeit einzige Ziel, das du entschlossen anzupacken vermagst.

Argument #3: Ein zu großer Körperfettanteil ist in jeder Hinsicht problematisch

Es gibt aber noch ein rationales Argument, das dafür sprechen kann, zuerst Körperfett abzubauen. Wenn du nämlich zu den Menschen zählst, die schnell Körperfett ansetzen, und zudem schon einen relativ hohen Körperfettanteil hast, dann wäre es ein Fehler, mit einer Muskelaufbau-Phase (Kalorienüberschuss) zu beginnen. Denn dabei setzt man immer auch ein wenig Körperfett an und ein sehr hoher Körperfettanteil kann eine Reihe von negativen Konsequenzen nach sich ziehen:

  • Potentielle Überlastung des Bewegungsapparates (Knochen, Gelenke etc.), wodurch Bewegung zunehmend schmerzen verursacht. Ein großes Hindernis, wenn man dann wieder abnehmen will.
  • Störung des Hormonspiegels, unter anderem des Testosterons, aber auch des hungerregulierenden Hormons Leptin, wodurch das anschließende Abnehmen deutlich schwerer fällt.
  • Zunehmende Trägheit. Bedingt durch das hohe Körpergewicht wird Bewegung mühseliger und die Bequemlichkeit steigt fast automatisch. Auch dadurch wird das anschließende Abnehmen erschwert.

Natürlich gibt es noch weitere negative Folgeerscheinungen eines sehr hohen Körperfettanteils, speziell hinsichtlich der Gesundheit. Aber der Tenor ist klar: In der beschriebenen Ausgangssituation (relativ hoher Körperfettanteil + leichtes Ansetzen von Körperfett) zunächst auf Muskelaufbau zu gehen, würde das anschließende Abnehmen durch die parallele Zunahme an Körperfett deutlich erschweren und zugleich schädliche Folgen für die Gesundheit haben.

Fazit

Du siehst, welches Trainingsziel für dich am sinnvollsten ist, welches du zuerst anpacken solltest, hängt ganz von dir und deiner Ausgangssituation ab. Es gibt also keine allgemeingültigen Antworten, aber es gibt fundamentale Zusammenhänge, die nur ein wenig grundlegendes Verständnis der Funktionsweise und Entwicklung unseres Körpers erfordern und dich in die richtige Richtung führen können. Wir haben sie schrittweise bearbeitet und ich bin mir sicher, dass du dich selbst jetzt sehr gut einordnen und entsprechende Prioritäten setzen kannst.

Nur ein letztes Wort noch zu den mentalen Barrieren: Sei ehrlich zu dir selbst und handle dann auch entsprechend. Sich einzugestehen, dass man selbst eine solche Barriere hat, ist der erste Schritt. Noch schwieriger aber ist es, auch wirklich auf die eigenen Wünsche zu hören. Denn nichts anderes steckt ja dahinter: Eine solche Barriere zeigt dir lediglich, was dir wirklich am wichtigsten ist.

Ich habe schon oft erlebt, dass Athleten versucht haben, dagegen anzukämpfen und den theoretisch sinnvolleren Weg zu beschreiten. Ich habe jedoch noch nie erlebt, dass das wirklich geklappt hat. Einen solchen Kampf gegen sich selbst kann man nicht gewinnen. Du kannst nur für das kämpfen, woran du wirklich glaubst, wovon du wirklich überzeugt bist. Und wenn dein Unterbewusstsein davon überzeugt ist, zunächst lieber Körperfett abzubauen, kommt kühle Logik dagegen nicht an.

(Bildquellen:© javiindy | © Monika Wisniewska | © blackday | © luckyguy123 |  © iulianvalentin  – Fotolia.com)