Krafttraining ohne Geräte, oder besser ohne Gewichte, ist nunmehr seit einigen Jahren ein Fitnesstrend, der viele Menschen in seinen Bann zieht. Kein Wunder, sind in der Zwischenzeit doch unzählige Videos auf YouTube erschienen, in denen durchtrainierte und schlanke Athleten die imposantesten Bewegungen an Klettergerüsten und Turnringen geradezu spielend leicht aussehen lassen.

Durch seine beeindruckenden Bewegungen kann das Körpergewichtstraining, auch Calisthenics genannt, durchaus begeistern. Wer würde nicht gerne einarmige Liegestütze oder gar Planche Liegestütze (Beine in der Luft) schaffen? Wer möchte nicht einen sauberen Handstand halten, an einem Verkehrsschild eine Human Flag ausführen oder Muscle Ups an Turnringen bewältigen können?

Es gibt eine ganze Reihe an koordinativ hochgradig anspruchsvollen Übungen, die jeder gerne können würde, aber nur wenige tatsächlich schaffen. Vielleicht hast du dich selbst schon einmal dabei ertappt, dich danach zu sehnen, solche solche Kunststückchen zu beherrschen.

Vielleicht möchtest du dich auch einfach nur fit halten, Muskeln aufbauen oder Körperfett verbrennen ohne in ein Fitnessstudio zu gehen oder dir entsprechendes Equipment selbst anschaffen zu müssen.

Was auch immer deine Beweggründe sind: In diesem Artikel erfährst du genau, wie du vorgehen musst, um bestmögliche Fortschritte erzielen zu können. Der Reihe nach werde ich dir erklären:

  • wie Calisthenics dich fit, stark und schlank machen können.
  • welche Benefits Calisthenics sonst noch für deinen Körper haben.
  • was das Geheimnis erfolgreichen Körpergewichtstrainings ist.
  • welche Übungen es gibt und welche davon besonders für Anfänger geeignet sind.
  • wie du richtig einsteigst und dich effektiv steigerst.

Am Ende des Artikels wirst du einen Calisthenics Workout Plan für zuhause von mir erhalten, mit dem du direkt loslegen und effektiv trainieren kannst.

Tatsache ist: Nur die wenigsten schaffen komplexe Körpergewichtsübungen und das hat seine Gründe. Neben einer mangelhaften Mentalität oder fehlender Disziplin gibt es vor allem trainingstechnische Fehler, die den Erfolg bremsen oder gar unterbinden. Um diese zu vermeiden, solltest du nun unbedingt weiterlesen.

7 einzigartige Gründe für Training mit dem eigenen Körpergewicht

Vorweg sei gesagt: Die Langhantel ist ein fantastisches Trainingstool, das unheimlich gute Hebel für die Entwicklung des Körpers bietet.

Dieser Artikel ist also keineswegs gegen die Langhantel gerichtet. Ich persönlich nutze das Training mit dem eigenen Körpergewicht als Ergänzung. Manch einer möchte auch ausschließlich so trainieren. Vielleicht weil es Spaß macht, vielleicht weil das Budget nicht für Hantel-Equipment oder eine Studio-Mitgliedschaft reicht. Welche Gründe auch immer vorliegen, es ist ganz allein deine Entscheidung, wie du trainierst.

In jedem Fall haben Calisthenics einige Vorteile, die zurecht das Interesse vieler Athleten wecken.

Sieben einzigartige Gründe, die für Training mit dem eigenen Körpergewicht sprechen:

  1. Bewegungsvielfalt: Die Bewegungen sind besonders abwechslungsreich, da man nicht wie beim Hanteltraining einfach nur mehr Gewicht auflegt, sondern anspruchsvollere Varianten nutzen muss, um sich weiter zu steigern.
  2. Körperbeherrschung: Aufgrund des Mangels an verstellbaren Widerständen basiert das Krafttraining ohne Geräte auf zunehmend größeren koordinativen Anforderungen. Dadurch wird das Zusammenspiel zwischen den Muskeln (und innerhalb der Muskeln) verbessert und die Körperbeherrschung nimmt zu. Mit Calisthenics lernt du effektiv, deinen Körper zu kontrollieren und selbst komplexe Übungen geschmeidig und elegant auszuführen.
  3. Stabilität: Sämtliche Übungen mit dem eigenen Körpergewicht setzen hohe Anforderungen an die Stabilität, vor allem an den sogenannten Core-Bereich, dem Kraftzentrum deines Körpers. Eine stabile Körpermitte wirkt sich positiv auf sämtliche anderen Kraftübungen (auch Langhantel-Grundübungen) und ganze Sportarten aus.
  4. Verletzungsprävention: Verbesserte Körperbeherrschung, erhöhte Stabilität – Calisthenics sind dadurch auch ein effektives Werkzeug zu Vorbeugung von Verletzungen. Dieser Effekt wird zudem dadurch erheblich gesteigert, dass die koordinativ anspruchsvollen Übungen viele kleinere, stabilisierende Nebenmuskeln trainieren, Dysbalancen beheben und den Körper ins Gleichgewicht bringen.
  5. Motivation: Progressives Krafttraining ohne Geräte zeichnet sich vor allem durch das Erlernen neuer Übungen aus. Beispielsweise von einfachen Liegestützen über mehrere Progressionsstufen zu einarmigen Liegestützen und sogenannten Planche Push Ups. So hat man permanent Ziele vor Augen. Schafft man eine neue Progressionsstufe, kann das sehr motivieren, wenngleich auf Dauer stets auch eine erfolgsunabhängige Motivation nötig ist.
  6. Kosten: Die Kosten, um effektiv Calisthenics zu trainieren, sind sehr überschaubar. Streng genommen braucht es nur einen Satz Ringe, wenngleich Ergänzungen wie Chalk, Gymnastikbänder oder auch Dip-Holmen/Klimmzugstange für die eigenen vier Wände sinnvoll sein können. Mittlerweile gibt es zudem immer mehr „Calisthenics-Spielplätze“, die bereits entsprechend ausgestattet sind. Ein stabiles Paar Ringe solltest du dennoch besitzen, selbst wenn sie nur auf Ausflügen oder Reisen zum Einsatz kommen.
  7. Organisation: Nicht jeder hat zuhause den Platz für ein solides Homegym. Aber jeder hat die Möglichkeit, ein paar Ringe aufzuhängen und ein effektives Calisthenics Workout durchzuziehen – direkt daheim oder in unmittelbarer Umgebung. Das spart Zeit und ist organisatorisch günstig, weil man quasi jederzeit trainieren kann. Zudem hat man die Möglichkeit, ohne größeren finanziellen Einsatz (Home Gym oder 12-monatige Studiomitgliedschaft) einzusteigen und zu schauen, ob man auch wirklich Lust darauf hat und dauerhaft dranbleibt.

Natürlich will ich dir nicht verschweigen, dass das Training mit eigenem Körpergewicht auch gewisse Grenzen hat. Beispielsweise kann es in puncto Muskelaufbau und Muskelerhalt beim Fettabbau nicht mit den Langhantel-Grundübungen mithalten.

Hinzu kommt das Defizit beim Beintraining – während der Oberkörper mit Calisthenics durchaus sehr effektiv trainiert werden kann, bleiben die Beine mangels effektiver Übungen meist auf der Strecke. Für Kniebeugen und Kreuzheben mit der Langhantel gibt es schlicht keinen adäquaten Ersatz.

Auch ist es schwieriger, sich zu steigern und die Übersicht über Fortschritte zu behalten. Häufiger bekommt man das Gefühl, dass es kaum echte Fortschritte gibt.

Wenn du beispielsweise einen Handstand erlernen willst, ist das eine mühsame und durchaus langwierige Reise, bei der es die meiste Zeit über nur sehr geringe erkennbare Fortschritte gibt. Hin und wieder gibt es dann aber auch „Durchbruchmomente“, die wahre Sprünge in deiner Entwicklung kennzeichnen. Das ist ziemlich charakteristisch für Körpergewichtstraining und manche finden das gut, andere kommen weniger damit klar.

Letztlich muss es jeder selbst wissen. Aber wenn du dich dafür entscheidest, mit dem Körpergewichtstraining zu starten, ist vor allem wichtig, dass du es richtig machst.

Es gibt nämlich vier Geheimnisse, die nur die wenigsten kennen und über die sonst kaum jemand spricht, die aber entscheidend dafür sind, dass du auch effektiv trainierst und dich möglichst schnell steigern kannst.

4 verblüffende Geheimnisse erfolgreichen Körpergewichtstrainings

Beim Einstieg ins Körpergewichtskrafttraining kann man tatsächlich viel falsch machen. Man startet ambitioniert und begeistert, begeht aber einige entscheidende Fehler, erzielt dadurch allenfalls Fortschritte im Schneckentempo, sieht das Ziel in weite, weite Ferne rücken und verliert schließlich die Lust.

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Das ist natürlich eine Frage der richtigen Motivation, aber auch eine Frage der richtigen Trainingsgestaltung. Mit den nachfolgenden vier Tipps vermeidest du die wichtigsten Fehler und erzielst die schnellstmöglichen Fortschritte bei gleichzeitig deutlich reduziertem Verletzungsrisiko. Der effektivste Trainingsplan für zuhause beginnt mit diesen entscheidenden Prinzipien.

§1: Die besten Übungen für Anfänger

Die richtige Trainingsplanung basiert zunächst auf der Auswahl der richtigen Übungen und das ist auch schon die häufigste Fehlerquelle.

Viele Athleten beginnen mit Calisthenics, weil sie von den vielen komplexen Bewegungen stark beeindruckt sind und diese auch gerne beherrschen würden. Also suchen sie nach Mitteln und Wegen das zu schaffen. Sie starten beispielsweise mit der Frage „Wie schaffe ich einen Planche Push Up?“ und richten danach ihr Training aus.

Um komplexe Körpergewichtsübungen wie Planches, Planche Push Ups, Handstandliegestütze, einarmige Liegestütze, einarmige Klimmzüge, Frontlever, Backlever, L-Sit und Human Flag beherrschen zu lernen, muss man zwangsläufig einige einfachere Übungsvarianten trainieren, um sich Schritt für Schritt zu steigern.

Dadurch finden sich haufenweise kleinere Übungen, die zum Antrainieren spezieller Fertigkeiten gedacht sind, in den typischen Calisthenics Trainingsplänen für Anfänger.

Ein aus zwei Gründen ungemein großer Fehler:

  1. Es fehlt anfangs nicht nur an Fertigkeiten, sondern auch an Kraft und Stabilität. Die trainiert man jedoch am besten, indem man sich auf grundlegende Bewegungsmuster konzentriert. Je mehr Übungen du ausführst, desto schlechter wird deine Kraftentwicklung sein und desto schleppender werden auch deine Fortschritte bei den Übungsprogressionen sein.
  2. Der Versuch, komplexe Übungen ohne das nötige Kraftfundament zu erlernen, führt zu einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko. Es gleicht nämlich dem Versuch, ein Haus zu erbauen, indem man mit dem Dach beginnt. Doch zuerst muss man die Basics beherrschen und ein solides Fundament errichten, um vernünftig darauf aufbauen zu können. Es macht schlicht keinen Sinn, sich über die Human Flag Gedanken zu machen, wenn man noch nichtmal 10 saubere Klimmzüge schafft!

Das ist also der wichtigste Aspekt beim Einstieg ins Körpergewichtstraining:

Konzentriere dich auf möglichst wenige, dafür aber grundlegende Bewegungsmuster.

Der Kern eines guten Einsteiger-Trainingsplanes besteht sogar nur aus drei Übungen:

  • Kniebeugen
  • Liegestütze
  • Klimmzüge

Konzentriere dich zunächst darauf, mit diesen fundamentalen Übungen ein solides Kraftfundament aufzubauen, ehe du dich um komplexe Turnübungen bemühst!

So erlernst du die Fundamentalübungen

Du bist noch nicht in der Lage, freie Klimmzüge, Liegestütze oder Kniebeugen auszuführen? Kein Problem, denn auch hierfür gibt es Progressionsstufen.

Klimmzüge: Beginne mit dem Körpergewichtsrudern an Ringen. Die Füße sind anfangs auf dem Boden und je größer der Neigungswinkel des Oberkörpers ist, desto leichter ist die Übung. Reduziere den Neigungswinkel zunehmend bis in den negativen Bereich (dann werden die Beine erhöht positioniert).

Übe anschließend Klimmzüge mit Gymnastikbändern, die an der Stange oder den Ringen befestigt und unter deine Knie/Füße gelegt werden, sodass sie der Schwerkraft entgegenwirken. So erleichterst du dir den Klimmzug. Beginne mit einem starken Widerstandsband und steigere dich, indem du auf schwächere Widerstandsbänder zurückgreifst, bis du einen freien Klimmzug schaffst.

Weiterhin kannst du auf exzentrische Wiederholungen zurückgreifen. Dabei beginnst du in der obersten Klimmzugposition (nutze einen Stuhl oder springe an die Stange) und lässt dich dann langsam und kontrolliert absenken.

Liegestütze: Beginne mit Liegestützen auf den Knien. Gehe dann über zu normalen Liegestützen mit erhöht platzierten Händen. Je höher du die Hände platzierst, desto leichter wird der Liegestütz. Steigere dich, indem du den Neigungswinkel deines Körpers reduzierst. Übrigens kann man auch hier (für später) bis in den negativen Bereich gehen, also die Beine anstelle der Hände erhöht platzieren.

Kniebeugen: Beginne mit Box-Squats. Nutze dabei eine Plattform, auf die du dich (technisch korrekt!) hinsetzt. Je höher die Plattform, desto leichter die Kniebeuge. Steigere dich, indem du die Höhe der Plattform reduzierst und dadurch immer tiefere Kniebeugen ausführst. Auf diese Weise baust du die nötige Kraft auf, um freie Kniebeugen über den vollen Bewegungsumfang auszuführen.

Weiter steigern kannst du dich, indem du die Beine zunehmend enger zusammenführst und schließlich zur einbeinigen Kniebeuge übergehst. Beim Übergang ist es empfehlenswert, zunächst Ringe zu benutzen, um dich mit den Händen festzuhalten und gegebenenfalls leicht nachzuhelfen. Auch eine Box zunehmend niedrigere Plattform kann wie beim Erlernen der normalen Kniebeuge hilfreich sein. Einbeinige Kniebeuge stellen nämlich einen ziemlichen Sprung im Anforderungsgrad verglichen mit normalen Kniebeugen dar.

§2: Stabilität

Neben der allgemeinen Kraftgrundlage erfordern anspruchsvolle Körpergewichtsübungen vor allem eine ganze Menge Stabilität.

Entscheidend dabei sind zwei Bereiche deines Körpers:

  • Schulter
  • Core

Sowohl in der Schulter als auch im Core-Bereich benötigst du einiges an Stabilität für die komplexen Calisthenics-Übungen. Beide Bereiche solltest du unbedingt gezielt stärken, um sowohl schnelle als auch gesunde Fortschritte zu erzielen.

Ein Mangel an Stabilität ist ein Nährboden für Verletzungen!

Stabilität in der Schulter

Die Schulter ist ein Schlüsselelement, weil sie bei nahezu allen Übungen das entscheidende Gelenk ist. Ob einarmige dynamische Übungen wie Klimmzüge oder Halteübungen wie Front Lever und Planches – die Schulter ist Dreh- und Angelpunkt der Bewegungen.

Um dich beim Körpergewichtstraining zu steigern, brauchst du eine stabile Schulter.

Zugleich ist das entscheidend, um Verletzungen vorzubeugen. Die Schulter ist nämlich besonders verletzungsanfällig – gerade beim Körpergewichtstraining, wo sie besonders stark belastet wird.

Für eine starke und stabile Schulter sind vor allem zwei Übungen entscheidend:

  1. Handstand: Es gibt kaum eine bessere Übung, um die Stabilität der Schultern zu trainieren. Der Handstand ist eine absolute Schlüsselübung, um fortgeschrittene Calisthenics-Movements zu erlernen. Je besser du dich hier steigerst, desto stabiler und gesünder werden deine Schultern werden.
  2. Hängen: Sowohl der aktive als auch der passive Hang sind wichtig für die Gesundheit der Schultern. Während beim passiven Hang vor allem Blockaden gelöst, die Wirbelsäule mobilisiert und das Schultergelenk allmählich zurück in seine natürliche Stellung (bei den meisten Menschen ist es bedingt durch den Lebensstil nach vorne verlagert) bringt, dient der aktive Hang der Kräftigung des gesamten Schulterbereichs, insbesondere des zur Stabilisation wichtigen Schulterblattes.

Beide Übungen sollten direkt fester Bestandteil deines Trainingsplanes werden, um deine Schultern stabiler und robuster zu machen. Die komplexen Calisthenics besitzen nämlich ein ziemlich hohes Verletzungspotential – wer nicht von Anfang an aufpasst, wird dadurch früher oder später ausgebremst. Und meist ist mit den Verletzungen, die man sich bei Calisthenics zuziehen kann, keineswegs zu Spaßen. Es trifft hier, wie bereits gesagt, besonders häufig die Schulter und Schulterverletzungen sind oft sehr langwierig.

So erlernst du die Schulter-Stabilisationsübungen

Während das Hängen eine sehr simple (aber dennoch ungemein effektive) Übung ist, erfordert der Handstand einiges an Aufwand. Aber keine Sorge, die Progression gehört hier mit zum Training. Kein Calisthenics-Einsteiger schafft einen sauberen, freien Handstand. Das erfordert für gewöhnlich Monate des beharrlichen übens. So geht’s:

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Handstand: Nutze zunächst die Wand als wertvolle Stütze. Stelle dich mit dem Rücken zur Wand an die Wand und setze deine Hände etwa 60-80 cm vor der Wand auf den Boden. Klettere nun mit den Füßen die Wand entlang nach oben, bis den Körper eine gerade Linie bildet. Steigere dich, in dem du die Hände allmählich immer dichter an die Wand bringst.

Lerne anschließend den Kick Up. Stelle dich dazu mit dem Bauch zur Wand und setze deine Hände im Abstand von etwa 10 cm vor der Wand auf den Boden. Ein Bein bleibt zunächst auf dem Boden, das andere wird bereits angehoben. Kicke dich nun nach oben, bis die Beine die Wand berühren:

Versuche nun, diesen Handstand (mit dem Rücken zur Wand) immer länger zu halten. Mit der Zeit kannst du dann ein Stückchen von der Wand weggehen und die Beine von der Wand lösen, also (mit der Wand als Stütze für den Notfall in der Nähe) zum freien Handstand übergehen.

Wenn du dann zum vollständigen freien Handstand übergehst (ohne Wand als Notfallstütze), solltest du zunächst auf einem weichen Untergrund, ggf. auch im flachen Wasser, üben. Denn klar ist: Du wirst fallen. Oft. Handstand-Training ist eine Lektion in puncto Durchhaltevermögen!

Hängen: Nutze einen etwa schulterbreiten Obergriff. Lasse dich beim passiven Hang vollständig „durchhängen“; bring also nur so viel Kraft auf, wie notwendig ist, um dich an der Stange / den Ringen zu halten.

Hängen ist übrigens auch eine enorm wichtige Mobilitätsübung für …. für absolut jeden!

Der Grund: Den ganzen Tag über, ob du im Büro sitzt oder einen körperlich fordernden Job hast, ist die Wirbelsäule durch Wirkung der Schwerkraft einer starken Kompression ausgesetzt. Die Schwerkraft staucht dich zusammen, die Nährstoffversorgung der Wirbel und Bandscheiben ist dadurch stark limitiert. Beim Hängen kehrst du die Wirkung der Schwerkraft um. In diesem Fall zieht sie deinen Körper in die Länge, sorgt also für eine Dekompression der Wirbelsäule.

Hängen ist das täglich Brot einer gesunden Wirbelsäule! Deshalb gibt es dazu auch nochmal einen separaten Artikel.

Core-Stabilität

Neben der Schulter wird zudem ein hohes Maß an Stabilität im Core-Bereich (Bauch, unterer Rücken) benötigt. Dies gilt besonders für Halteübungen wie Front und Back Lever, Human Flag und Planches, spielt aber auch bei allen anderen Übungen eine große Rolle. Calisthenics sind grundsätzlich sehr fordernd für die Core-Muskulatur – umgekehrt ist ein Mangel an Core-Stabilität eine häufige Ursache für ausbleibende oder stark verlangsamte Fortschritte.

Je stabiler deine Körpermitte wird, desto kraftvoller werden deine Bewegungen – dieser Bereich wird nicht ohne Grund als Kraftzentrum bezeichnet.

Entscheidend hierfür sind vor allem zwei Übungen:

Beide Übungen trainieren vor allem die Stabilität der Körpermitte, sowie sekundär die Stabilität in den anderen beteiligten Strukturen, z.B. den Beinen und sogar den Schultern (letzteres speziell beim L-Sit). Auch geeignet wären Rollouts, die jedoch einen AB-Roller erfordern.

So erlernst du die Core-Stabilisationsübungen

Planke: Die Übung ist besonders einsteigerfreundlich, weil sie leicht zu erlernen ist. Entscheidend ist dabei NUR, dass du nicht durchhängst oder versuchst, sie möglichst effizient auszuführen (lange zu halten), sondern auf möglichst hohe Spannung Wert legst. Stell‘ dir vor, jemand würde sich auf deinen Rücken stellen – der Körper sollte trotzdem fest und stabil wie ein Brett bleiben.

Die Übung kann gesteigert werden, indem du abwechselnd ein Bein hebst. Eine weitere Steigerung ermöglicht das abwechselnde Heben eines Arms. Schließlich kannst du diagonal gleichzeitig einen Arm und ein Bein heben.

L-Sit: Für Anfänger ist der L-Sit meist noch zu anspruchsvoll. Beginne damit, einen ganz normalen Stütz auf Dip-Barren auszuführen – ohne die Beine anzuheben. Wenn du 30 Sekunden stabil und ruhig im normalen Stütz verweilen kannst, ist der tucked L-Sit die nächste Variante. Dabei hebst du die Knie an, hältst die Beine jedoch angewinkelt. Schaffst du auch das für 30 Sekunden, kannst du die Beine gestreckt hochhalten. Ist dieser Übergang noch zu schwierig, so kannst du zunächst nur abwechselnd ein Bein strecken.

Eine weitere Progressionsmöglichkeit besteht darin, diese Übung an Turnringen auszuführen – eine echte Killerübung fürs Sixpack!

Schließlich kannst du vom L-Sit zum V-Sit übergehen. Das ist jedoch dann schon sehr anspruchsvoll – auch in puncto Mobilität.

§3: Griffkraft

Das dritte wichtige und zur Übungsauswahl auch abschließende Element ist die Griffkraft. Sämtliche fortgeschrittenen Körpergewichtsübungen, die an Turnringen oder an Stangen ausgeführt werden, erfordern ein gewaltiges Maß an Griffkraft.

Die Griffkraft ist hier auch sehr häufig der entscheidende limitierende Faktor. Das liegt daran, dass der Kraftoutput vom zentralen Nervensystem heruntergeregelt wird, wenn der Körper merkt, dass der Griff nicht fest und stabil ist.

Klar:

Du kannst immer nur das bewegen, was du auch halten kannst – und der Griff ist die erste Anlaufstelle, weil hier die gesamte Kraft übertragen wird.

Die Steigerung der Griffkraft ist somit ein wichtiges Unterfangen, dass direkt von der ersten Stunde an ins Training integriert werden kann.

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, aktiv zu werden:

  1. Hängen. Die bereits für die Schulter-Stabilität genutzt Übung ist zugleich auch sehr hilfreich für die Steigerung der Griffkraft.
  2. Farmer’s Walk. Eine klassische Trageübung, die mit jeder Art von Gewicht ausgeführt werden kann. Kurz- und Langhanteln ebenso wie Getränkekisten oder simplen Gewichtsscheiben. Letzteres ist besonders sinnvoll, wenn die Scheibe ohne Griffmöglichkeit ist, man also die Hand offen halten muss. Dadurch werden die einzelnen Finger stärker trainiert.
  3. Bouldern. Eine ganze Sportart, die nicht nur Rücken, Beweglichkeit, Körperbeherrschung und Muskelausdauer trainiert, sondern in besonderem Maße auch die Griffkraft. Wenn du das erste Mal klettern gehst, wirst du fast das Gefühl haben, deine Unterarme platzen (keine Sorge, ist in diesem Fall sogar ein angenehmes Gefühl – Klettern macht spaß).
  4. Handgelenksroller. Ein nettes kleines Tool, um Unterarme und Griffkraft zu trainieren.
  5. Fat Grips. Ein weiteres Tool, das die Griffkraft zum Trainingsschwerpunkt einer Übung macht. Können überall eingesetzt werden, zum Beispiel beim Kreuzheben, bei Klimmzügen und auch beim Hängen.
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Mit dem Hängen haben wir also schon eine gute Übung, um die Griffkraft zu trainieren. Weiteres Griffkrafttraining kann hilfreich, muss aber nicht notwendig sein. Es hängt davon ab, ob die Griffkraft bei dir ein entscheidender limitierender Faktor ist. Das kristallisiert sich mit der Zeit heraus.

§4: Entwicklung der Körperbeherrschung

Du weißt bereits, dass die Progression beim Körpergewichtstraining vor allem durch erhöhte Anforderungen der Koordination zustande kommen. Das bedeutet: Das Zusammenspiel der Muskeln, die Beherrschung deines Körpers, ist entscheidend, um sich zu verbessern.

Dieser Punkt ist auch beim Hanteltraining sehr wichtig, kommt aber bei den Calisthenics noch stärker zum Tragen:

Um progressiv trainieren zu können, musst du lernen, deinen Körper immer besser zu beherrschen.

Wie das geht? Ganz einfach: Durch Konzentration.

Bei jedem Workout, bei jeder Übung, bei jedem Satz solltest du versuchen, voll dabei zu sein und dich ganz und gar auf die Bewegung und auf deinen Körper zu konzentrieren.

Versuche gezielt die Bewegung so kraftvoll, geschmeidig und sauber wie möglich auszuführen. Das ist nichts, was nebenbei passiert. Man muss es wirklich gezielt wollen, man muss danach streben. Nur mit der richtigen Einstellung kannst du gute Fortschritte erzielen!

Es geht darum, die Bewegung und deinen Körper bewusst zu spüren, statt nur blind irgendwelchen technischen Anleitungen zu befolgen.

Natürlich geben solche Anleitungen grob die Richtung vor und können auch zur Verbesserung nützlich sein. Der wichtigste Aspekt aber ist es, zu lernen, sich in die Bewegung hineinzufühlen. Das Fachwort dafür ist Pripriozeption und je besser du sie ausprägst, desto besser lernst du deinen Körper zu beherrschen!

Körpergewichts-Trainingsplan für zuhause

Wie versprochen erhältst du nun von mir noch einen Calisthenics Workout Plan für zuhause, mit dem du direkt ins Training einsteigen und unter Berücksichtigung der zuvor genannten Schlüsselprinzipien großartige Fortschritte erzielen kannst.

Drei wöchentliche Trainingseinheiten sind ideal. Wenn du jedoch anfangs noch sehr großen Muskelkater verspürst, kannst du es in den ersten 2-3 Wochen auch bei zwei Einheiten belassen.

Bedenke jedoch, dass eine gewisse Trainingsfrequenz notwendig ist, um sich zu verbessern. Gerade beim Körpergewichtstraining, wo die koordinativen Anforderungen hoch sind, ist eine niedrige Trainingsfrequenz nicht empfehlenswert.

Wenn du es organisatorisch hinbekommst, kannst du sogar schlicht jeden 2. Tag trainieren (also 3-4 x pro Woche).

Für die ersten drei Monate solltest du es bei den hier aufgelisteten 6 Basis-Übungen belassen:

  • Kniebeugen (10 Minuten)
  • Liegestütze (10 Minuten)
  • Klimmzüge (10 Minuten)
  • Handstand (10 Minuten)
  • L-Sit (5 Minuten)
  • Planke (5 Minuten)

Hinzu kommt das Hängen, das jedoch nicht als Teil des Workouts absolviert, sondern im restlichen Tagesverlauf eingestreut werden sollte. Dabei solltest du immer versuchen, mindestens 30 Sekunden am Stück zu hängen. Du kannst passiven und aktiven Hang abwechseln.

Die Übungsparameter

Die Übungsauswahl allein reicht natürlich nicht. Zu einem vollständigen Workout gehören doch sicher auch Parameter wie Sätze, Wiederholungen und Pause, oder?

Nicht ganz. Es ist weder sinnvoll noch nötig, hier strenge Parameter vorzugeben. Das wäre sogar wirklich hinderlich, weil wir im Gegensatz zum Hanteltrainining keinen leicht verstellbaren Widerstand haben!

Stattdessen geht es beim Körpergewichtstraining darum, die einzelnen Progressionsschritte, die im Artikel bei den jeweiligen Übungen bereits genannt wurden, zu meistern. Beispielsweise könntest du mit Liegestützen auf den Knien beginnen. Sobald du etwa 10 saubere Wiederholungen am Stück schaffst, kannst du zur nächsten Progressionsstufe übergehen: Vollständige Liegestütze mit erhöhten Händen.

Verabschiede dich deshalb unbedingt von dem Verlangen nach klaren Parametervorgaben. Das ist eine unnötige Hinderung in deiner Trainingsprogression. Konzentriere dich stattdessen auf die Bewegung. Wie viele Sätze, wie viele Wiederholungen, wie lange Pausen – vollkommen unwichtig! Konzentriere dich darauf, die Bewegung zu lernen und zu verbessern. Das ist intuitives Training in seiner reinsten Form und es kann sehr viel spaß machen, weil es schlicht befreiend ist. Es ermöglicht dir, deinen Fokus vollständig auf die Bewegung selbst zu lenken und dadurch besser Fortschritte zu machen.

Für jede Übung wurde daher lediglich der zeitliche Rahmen vorgegeben, in dem du die Bewegungen üben und deine Muskeln fordern kannst. Einschließlich eines 10-minütigen Warm Ups kommst du somit auf runde 60 Minuten und erhältst ein hochwertiges, effektives Workout.

Die besten Bücher für Calisthenics

Natürlich gibt es zu dem Thema noch mehr zu sagen, als es mir in diesem Artikel möglich wäre. Sinnvoll ist vor allem, eine genaue Übersicht über die jeweiligen Progressionsschritte einer jeden Übung.

Am Anfang ist das nicht nötig, weil ich dir das ja schon vorgegeben habe. Doch wenn du später Planches und Co. lernen willst, brauchst du natürlich weitere Informationen.

Mittlerweile findet man vieles auf YouTube, allerdings in sehr zerstückelter Form. Besser ist es erfahrungsgemäß, die wichtigsten Infos kompakt auf einem Blick zu haben – und das geht am besten in Form eines passenden Buches.

Fürs Körpergewichtstraining gibt es zwei Standardwerke, die sich aus meiner Sicht jeder zulegen sollte, der sich mit dem Thema ernsthaft befassen möchte:

Beide Bücher enthalten alles wichtige rund ums Thema Calisthenics. Dort findest du beispielsweise auch Aufwärmprogramme und nützliche Übungen für die Beweglichkeit. Beides ist wichtig, um dauerhaft gesund und effektiv trainieren zu können!

Aber denke daran: Geh‘ die Sache bloß nicht zu kompliziert an. Das ist der größte Fehler, den du machen kannst – und er ist millionenfach erprobt. Denke simpel, konzentriere dich am Anfang so gut es nur geht auf die hier vorgestellten Grundlagen und du wirst du bestmöglichen Fortschritte erzielen. Lasse dich ablenken und du wirst garantiert reichlich Potential vergeuden und wahrscheinlich auch schnell wieder die Lust verlieren. Der Fokus auf das Wesentliche ist immer der Schlüssel zum Erfolg!

(Bildquellen:  © Milan Stojanovic  | © leszekglasner | © Jovica Varga  – Fotolia.com)